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Der gefährliche Schwule

Linke attackieren ausgerechnet den homosexuellen Autor David Berger als „homophob“ – wegen seiner Kritik am Islam

Kann ein männerliebender Mann im bunten Deutschland der Gegenwart mit irgendeiner öffentlichen Äußerung einen Skandal auslösen? Klar kann er das. Es ist noch nicht einmal schwer.

In einem Altbau am Winterfeldplatz lebt David Berger, von der extrem linken Lobbygruppe „ENOUGH IS ENOUGH“ frisch zum „Mister Homophobia 2017“ ernannt, zum größten Schwulenfeind Deutschlands. Nur wenige Schritte entfernt leuchtet die Kuppel des U-Bahnhofs Nollendorfplatz in Regenbogenfarben, unten auf den Straßen laufen mehr Männerpaare Hand in Hand als an jedem anderen Flecken Berlins. Berger, 49, lebt hier mit seinem langjährigen Freund.

Den Preis teilt er sich mit Alice Weidel, der AfD-Bundestagsfraktionschefin, die am Bodensee und in Berlin mit ihrer Lebensgefährtin wohnt.

„Pass auf“, sagt David Berger: „Du betrittst jetzt eine Naziwohnung.“ Dass ein offen schwul lebender Mann und eine lesbische Politikerin von einer linken Politsekte zum Homophobia-Paar erklärt werden, erzählt viel über die deutsche Linke des Jahres 2017. Und natürlich über Berger. Sein Name löst mittlerweile bei linken Aktivisten jedweder sexueller Präferenz regelrechte Wutattacken aus. Für den Berliner, der einmal als Professor an der päpstlichen Thomas-von-Aquin-Akademie in Rom forschte und dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger zuarbeitete, ist das immer noch ein Vorgang, auf den er eher verwundert blickt. Jedenfalls nicht verbittert. „Ich bin eigentlich fast immer ein fröhlicher und ziemlich gelassener Mensch.“ Hass, sagt er, das sei für ihn immer etwas sehr Fremdes gewesen.

Warum er diese schwere Allergie auslöst, lässt sich in einem Satz beschreiben: Er steht als schwuler Publizist intellektuell auf der liberal-konservativen Seite. Welche Provokation darin liegt, erfuhr eine größere Öffentlichkeit gerade am Beispiel der grünen Politikerin Helga Trüpel, die sich öffentlich über „diesen rechten, schwulen Jens Spahn“ ereiferte. Der habe, befand Trüpel, „kein Recht“, rechts zu sein; gerade wegen seiner „Differenzerfahrungen“ müsse er doch als Schwuler an der Seite der einwandernden Muslime stehen.

Genau mit dieser Logik musste sich David Berger schon auseinandersetzen, als er 2010 Chefredakteur des schwulen Hochglanz-Magazins „Männer Aktuell“ wurde. Dorthin kam er als echter Außenseiter: Der Theologe, von ultrakonservativen Katholiken um die Pius-Brüder auf einer sehr persönlichen Ebene attackiert, hatte gerade sein Buch „Der heilige Schein“ veröffentlicht. Darin rechnete er mit den Zirkeln in Rom ab, in denen sich katholischer Mystizismus, Verschwörertum und Antisemitismus mischten – besonders exemplarisch in Gestalt des Piusbruders und Auschwitzleugners Richard Williamson. Es verkaufte sich gut, der eloquente Berger wurde in Talkshows eingeladen. Medienerfahrung brachte er mit; in Rom hatte er die hoch renommierte Fachzeitschrift „Theologisches“ geleitet. Die „Männer Aktuell“-Verleger glaubten, sich einen Exot für das Blatt geholt zu haben, einen gebildeten Schwulen und scheinbaren Weltenwechsler – von Ratzinger ins Milieu der im Zweifel Linken.

Damit war das Missverständnis perfekt. Denn Berger sah nicht ein, warum ein Schwuler unbedingt links und politisch korrekt sein sollte. Als Chefredakteur machte er die schwulen- (und ebenso frauen- und judenfeindliche) Agenda des politischen Islam als eigentliche Bedrohung für sich und seine Umgebung zum Thema. „Von vielen Lesern kamen extrem positive Reaktionen“, erinnert er sich. „Auch negative, natürlich. Und wir zogen damit neue Leser an.“ Dabei modelte Berger das Magazin gar nicht zum Kampfblatt um: „Ich hatte dazu Pro- und Contra-Beiträge organisiert. Das kapierten die linken Schwulenaktivisten aber gar nicht. Die hatten mich sofort wegen der Islamkritik angegriffen.“ Genau so wie für seinen Satz: „Schwule sind die Schoßhündchen der Linken.“ Skandal!

Er unterschätzte einfach, dass die wichtigen Schwulenverbände in Deutschland sich ganz selbstverständlich als linke Vorfeldorganisationen mit starken Verbindungen zu den Grünen verstehen. Auch scheinbar neutrale, staatlich finanzierte Institutionen wie die „Deutsche Aidshilfe“. Bei den gut vernetzten Aktivisten lief sehr schnell die Parole um: Der rechte, islamophobe Berger muss weg. Die Aidshilfe stornierte ihre Anzeigen in dem Magazin. Sie gehörte zu den größten Werbekunden; ihr ökonomischer Hebel beseitigte den anstößigen Chefredakteur. Sein Nachfolger führte das Männermagazin wieder stramm nach links. Im Jahr 2016 wurde das Blatt wegen seiner unter die Schmerzgrenze gesunkenen Auflage eingestellt.

Dafür findet Bergers politischer Blog „Philosophia Perennis“ mehr und mehr Leser, zurzeit gut 50 000 pro Monat.

David Bergers Fall passt in ein Muster. Gegen Auftritte des offen schwulen britischen Bloggers und Autors Milo Yiannopoulos organisierten linke Studenten an US-Universitäten Empörungskampagnen, in Berkeley 2016 auch gewalttätige Ausschreitungen. Und das aus einem einzigen Grund: der Paradiesvogel mit wechselnden Haarfarben gehört zu den jungen Konservativen bis Rechten, er fiel immer wieder mit zugespitzten Attacken gegen den politischen Islam auf. Linke erschienen zu Yiannopoulos’ Auftritten auch mit Bannern, auf denen „Fake Gay“ stand: wenn sich jemand also als unheilbar rechts erweist, dann wird ihm eben das Schwulsein abgesprochen. Seine Vortragsreihe durch amerikanische Universitäten nannte Yiannopoulos mit seinem scharfen Gespür für neuralgische Punkte „Dangerous Faggot Tour“, gefährliche Schwuchtel-Tour. Berger ist genau so wie Yiannopoulos gefährlich für das gutdenkende Milieu, seit er darauf hinweist, dass politischer Islam und Schwulenhass nicht voneinander zu trennen sind.

Für die meisten Linken ist die Botschaft unerträglich. Ihre Wut richtet sich zwangsläufig gegen den Boten.

Etliche Schwule in David Bergers Umgebung wählten 2017 zum ersten Mal AfD. Nicht unbedingt wegen Weidel. Sondern, weil schwule Paare in Schöneberg deutlich öfter als früher von türkisch- und arabischstämmigen Jugendlichen angepöbelt und attackiert werden. Eine Differenzerfahrung – aber eine andere, als die Grünen-Politikerin Trüpel meinte.

Was er seit einiger Zeit von linker Seite erlebe, meint Berger, sei eine Art Déjà-vu-Erlebnis. Damals in Rom hätten Aktivisten der mittlerweile abgeschalteten Internet-Plattform kreuz.net Hasstiraden gegen ihn geschrieben, seine Privatadresse veröffentlicht und zu „Hausbesuchen“ bei ihm aufgefordert. Es gebe aber ein paar entscheidende Unterschiede: „Schon vor Jahren stand kein einziger Kardinal oder Bischof hinter kreuz.net. Die waren innerhalb der Kirche immer völlig isoliert.“ Und zweitens habe er in Rom auch nach seinem Coming Out nie derartigen Hass erlebt wie heute aus der politischen Gegenrichtung. „Mir hatte damals ein sehr konservativer Geistlicher gesagt: “Herr Berger, zwischen uns ändert sich dadurch gar nichts.“

Das, meint er, „ist ein Stil, der Linken leider völlig abgeht.“

Alexander Wendt: Weitere Profile:

Kommentare anzeigen (10)

  • Die Logik der Anfeindungen verstehe wer will. Logisch oder gar berechtigt sind diese verbalen Angriffe nicht: Herr Berger hat je Recht, er beschreibt die Realität, benennt die schlichten, bekannten Fakten. Und das auch noch ohne jedes Gekeife oder Geifern (wie es bei seinen plötzlichenGegnern leider sehr üblich ist).
    .
    Schon Mozart hat in seiner "Entführung aus dem Serail"-Oper den Umgang "der Türken" mit Frauen beschrieben:
    "Denkst du alter Murrkopf etwa, eine türkische Sklavin vor dir zu haben, die bei deinen Befehlen zittert? O da irrst du dich sehr! Mit europäischen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders."
    Womöglich wird Mozart nun auch posthum p.c.-mäßig verdammt. Von den gleichen Wirrköpfen.

  • Ich lese den Blog von Berger schon lange. Er schreibt durchaus "klare Worte". Das, denke ich, ist das eigentliche Problem für die Linke. Dass Berger schwul ist, habe ich erst dadurch mitbekommen, dass die Linke gegen ihn als Schulen hetzt. So was finde ich dermaßen unwichtig. Aber mir ist es aus der inneren Logik heraus selbst als Hetero schleierhaft, wie sich konservative Muslime und Schwule ergänzen könnten. Aber das wird wohl das Geheimnis der linken Tagträumer bleiben.

    Im englischsprachigen Raum geht es übrigens mehreren Schwulen oder Transsexuellen an den Kragen. Ich möchte dazu Blaire White erwähnen. Die wurde eben erst mächtig verprügelt und hatte ein völlig blau geschlagenes Gesicht, weil sie ein Cap mit der Trump-Aufschrift "Make America great again" trug. Der Vorfall sagt eigentlich alles über die Linke: bist Du nicht derselben Meinung, wirst Du sozial-gesellschaftlich zerstört.

    Klappt das nicht, ist Gewalt durchaus ein in angeblich gewaltfreien linken Kreisen akzeptables Mittel für das Gute. Ich fühle mich eigentlich eher links als rechts. Aber für mich ist links sozial und nicht sozialistisch und mit dieser Pseudolinken, die eigentlich Neoliberalismus fördert, will ich nichts zu tun haben. Im Gegenteil. Eigentlich sollte man diesen linken Mainstream als rechtsaußen bezeichnen, denn hier sehe ich mehr Parallelen als zwischen Drittem Reich und Konservativen.

  • Diese gesamte Geschichte ist hoch interessant wegen ihrer Komplexität. Interessant ist auch die Tatsache, dass sowohl „kreuz-net“, als auch „Männer Aktuell“, die Herrn Berger auf ihre Art ausschalten wollten, schon nicht mehr existieren.
    Ebenso interessant ist die Person Berger und ebenso interessant und viel versprechend ist dieser Blog, dem ich weite Verbreitung wünsche.

  • Was ich als gut gelernter ddr bürger immer sage und wovor ich warne! Unterschätzt mir nicht den grundsätzlich gewaltbereiten charakter der linken und grünen. Diese sind gerdezu pathologisch unfähig zu argumentation und aufnahmebereitschaft anderer positionen ohne den zwang diese übernehmen zu müssen.ideologie und religiöser wahn (oft untrennbar) sind in ihrem fanatismus die tatsächlichen feinde jeden humanismus. Von diesen ist deutschland faktisch besetzt.

  • Die Erfahrungen von Herrn Berger teile ich als transsexuelle Frau auch. Die Ächtung kommt aber meist nicht von Kolleginnen sondern von Homosexuellen. Dort gibt es schon deshalb mehr linke Meinungen und Verständnis für die unkontrollierte Einwanderung, da Homosexuelle im Alltag als Minderheit meist nicht identifizierbar sind. So lebt es sich leichter und natürlich läuft ein Mann nachts ungefährdeter durch die Straße als ich. Aber wehe, ich komme mit meiner politischen Meinung, die man dem rechten Flügel der CSU zuzuordnen kann ( Hans Peter Friedrich etc. ).

    • Wenn's von Schiller sein soll, muss es heißen:
      "Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens."
      - und da ist nicht "gegen" gemeint.

  • Hätte eine Frage zum "politischen Islam", weil der Term sehr oft gebraucht wird....was ist der Unterschied zum "unpolitischen Islam", den es dann ja auch geben muss?

    Ich werde da nämlich das Gefühl nicht los, dass sich der Islam nicht so ohne weiteres "aufspalten" lässt d.h. dass praktizierter Islam immer auch die politische Komponente beinhaltet, sofern man diese Komponente als "Einfluss auf das weltliche Leben bzw. besser auf die Gesellschaft" definiert. Grund dafür ist, dass im Koran und in den Hadithe explizit und beim ersteren Buch jeder Änderung/Auslegung unzugänglich Verhaltensregeln, Verbote und Strafen aufgestellt und gefordert werden, die nicht nur Anhänger dieser Religion betreffen, sondern sich auch an Ungläubige und die Gesellschaft richten.

    Schönes Beispiel wäre dafür die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam, wo betont wird, dass über den Menschenrechten immer die Scharia steht......und damit ist "Der Islam" meiner Ansicht nach immer ein "politischer Islam".

    bombjack

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