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Wochenrückblick: Handzeichen für unsere Menschen

Zu den Terminen, die uns das Jahr gliedern, gehört das Weltwirtschaftsforum von Davos. Das ist sehr exklusiv, eine Schau solide gepanzerter Wagen. Die amerikanische Präsidentenentourage fliegt sogar, einem Schweizer Kollegen mit privilegiertem Beobachterstatus zufolge, eigenes Benzin für den Limousinenfuhrpark ein. Von diesem Brimborium einmal abgesehen handelt es sich beim Treffen in den Schweizer Bergen um eine Art Touristikmesse für globale Investoren. Jeder Staatschef versucht, sein Land so gut wie möglich anzupreisen.

Donald Trump fällt das naturgemäß leicht, er lobte seine Steuerreform und lud alle zu sich ein, die mühselig und fiskalisch beladen sind. Seine britische Kollegin Theresa May kündigte an, ihr Land wolle zur Führungsnation auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz werden.

Angela Merkel trug vor, der Netzausbau und die Digitalisierung des Staates lägen in Deutschland etwas zurück, verglichen mit den baltischen Staaten. Gewissermaßen im Gegenzug lud sie alle Staaten des Kontinents in eine von ihr definierte Gemeinschaft ein: „Europa hat tiefe Schuld gegenüber dem afrikanischen Kontinent“.

Ein wenig zusammengefasst, erweitert und präzisiert lautet ihre Werberede („wir müssen schauen, dass wir ein interessanter Investitionsstandort sind”)  an die Tüchtigen und Potenten der Welt so:

„Liebe Leute, die ihr in Betracht zieht, in  mein Land zu kommen, das noch mein Land ist: bei uns sind die digitalen Standards miserabel, die Steuerbelastung ist europaweit die zweithöchste nach Belgien, die Strompreise die zweithöchsten nach Dänemark, aber anders als in Belgien und Dänemark haben wir im Verhältnis zur schon längerhierlebenden Bevölkerung den global höchsten Zuzug unqualifizierter Migranten und zweistellige Steigerungsraten bei Sexual- und Roheitsdelikten.

Unser Hauptstadtflughafen sieht im Übrigen so aus:

Dafür haben Sie allerdings die Chance, Teil von etwas wirklich Großem zu werden, wenn Sie sich hier niederlassen: sie können schuldig werden. Wenn die koloniale Erbschuld nicht nur über Generationen weitergegeben wird, sondern auch raumübergreifend in die Schweiz, nach Österreich, Polen, Tschechien, Ungarn, auf den Balkan und ins Baltikum, dann gehört natürlich auch jeder junge vietnamesische IT-Techniker dazu, der sich hier niederlassen möchte.“

In ihrer Rede gebrauchte sie auch eine Vintage-Wendung, die ehemaligen Insassen der besten DDR aller Zeiten umgehend das Herz wärmt: „Unsere Menschen.“

Wer möchte nicht zu diesem Kollektiv stoßen?

Zum Kabinett Merkel IV, das, um mit der Kanzlerin zu sprechen, seit 12 Jahren die Weichen Richtung Zukunft stellt, gehört auch bald Martin Schulz. Gut, er zeigte sich anfangs spröde: „Unser Platz ist klar der der Opposition / ich werde in kein Kabinett von Angela Merkel eintreten“.

Aber was soll’s, das ist jetzt auch egal. Das heißt: er wird in die Bundesregierung eintreten, wenn eine Große Koalition zustande kommt, die wiederum nur gelingt, wenn es der SPD gelingen sollte, in den nächsten Wochen die so genannte sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen wegzuverhandeln. Darüber freut sich auch der nächste Jungredakteur/die Jungredakteurin von „Vorwärts“. Denn so lange nichts geregelt ist, kann selbst die älteste Partei nichts gegen Teilzeitverträge tun.

Erdogan der Prächtige marschiert derweil in Nordsyrien ein, in Deutschland kommt es zu kurdischen Demonstrationen dagegen, manche der Demonstranten attackierten auch DITIB-Moscheen. Worauf Erdogan die Bundesregierung aufforderte, „unsere“, das heißt, seine Bürger zu schützen: „Worauf wartet die deutsche Polizei?“

Woraus zwei Dinge deutlich werden: auch Erdogan kennt die Wendung mit Menschen resp. Bürger und einem besitzanzeigenden Fürwort. Und seine Rede verfügt ebenfalls über einen Subtext, ganz wie die seiner deutschen Kollegin: Schützt gefälligst die vom türkischen Staat in Deutschland betriebenen Moscheen, bevor wir das tun.

Immerhin besitzt das türkische Militär mehr einsatzfähige Leopard-Panzer als die Bundeswehr. Und außerdem mehr Unterstützer im Bundeskabinett. Auf den Feierlichkeiten des Deutschen Fernsehpreises brachte der Preisträger Kida Khodr Ramadan dem amtierenden Außenminister Sigmar Gabriel den so genannten Rabia-Gruß bei, ein Erkennungszeichen von Erdogan-Anhängern, oder etwas, das dem Rabia-Gruß jedenfalls sehr ähnelt. Der Vizekanzler kann es schon ganz gut.

Jetzt gehört auch der führende Sozialdemokrat zum Freundeskreis Ramadans, zu dem auch andere Brüder und Charaktere zählen:

Am Sonntag beging Deutschland den Shoa-Gedenktag, der traditionell Herrn und Frau Stolperstein gilt, den sympathischen Repräsentanten der beliebtesten Bevölkerungsgruppe, nämlich toten Juden.

Sigmar Gabriel könnte zu diesem Thema vermutlich aus der Lamäng reden. Er muss nur darauf achten, dabei generell auf Handzeichen zu verzichten.

 

Alexander Wendt: Weitere Profile:

Kommentare anzeigen (15)

  • Diese Merkelrede wurde in der WELT von Olaf Gersemann als "große Rede" gefeiert und veranlasste ihn dazu, von Merkels Comeback zu fabulieren.

  • Merkels Rede würde selbst dann, wenn der Ton unterdrückt würde, von der Journaille
    noch als 'große Rede' gefeiert werden. ..immerhin hat man mit den 'Buhrufe' der Zuhörer bei der ARD schon angefangen. Vice versa bei Trump, da wurden sie verstärkt.
    Danke wieder einmal für den amüsanten Wochenrückblick! Er tröstet mich über die Tatsache hinweg, daß dies unsere Lebenswirklichkeit ist.
    Herr Ramadan verfügt über zweierlei Vorteile, um noch für jede Menge weiterer Preise vorgeschlagen zu werden. Er spielt sich selbst und braucht deshalb keine 'Schau-' und er hat eine einflußreiche Fangemeinde, die gesamte politische Kaste, die sich für
    weitere Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland stark macht.

  • Die einzige Schuld, die Europa gegenüber Afrika auf sich geladen hat, liegt darin, dass man den Afrikanern die Europäische Medizin (wenigstens in Ansätzen) gebracht und dadurch das ungeheure Bevölkerungswachstum ermöglicht hat.

  • Und diese deutsche (+ türkische) "Pack" (Gabriel) lästert über Trump. Wie lächerlich!
    Ja, lächerlich, leider auch gefährlich. Leider hört der Teufel nicht auf mich, sonst hätte er sie alle schon geholt. (Obwohl nicht ganz ernst gemeint, gut wäre es doch).
    lg
    Alma Ruth

  • Ach, was wären wir ohne Ironie.

    Danke, Herr Wendt, eine gute Zusammenfassung der momentanen Misere.

    Wenn sich die Millionäre und Milliardäre einmal jährlich die Schwänze ups Klinke in die Hand geben, dann bleibt mir nur nur zu sagen:

    Davos ist Davos und Dahoam ist Dahom!

    Was Mr. Würselen oder Mr. 100% auf 11% in 10 Monaten angeht, bleibt mir nur noch zu sagen:

    Außer Spesen nix gelernt äh ups nix gewesen.

    Und die ehemalige FDJ-Sekretärin Merkel hat eine neue Staatsaufgabe,
    nach ihrer grandiosen Griechenland-Krise und
    vermurkselten Hü-Hot-Energiewende und
    nach der fatalen "Flüchtlings"-Einladung:

    Die Bekämpfung der Opposition.

    :http://www.achgut.com/artikel/die_bekaempfung_der_opposition_als_staatsaufgabe

    Donnerwetter, würde Goethe auch nach diesem Geniestreich sagen und aus seinem Zauberlehrling zitieren:

    Und die ich rief, die Geister,
    werd ich nun nicht los!

    Oder hieß es: Und die ich rief die Goldstücke machen Deutschland groß.

    Oder hieß es: Und diese alte Krähe werden wir nicht los.

    Ach, was weiß ich ...Fack U Göhte ... demnächst wieder im Kino.

  • Hallo Herr Wendt,

    die "Briefmarke" ist aber ganz schön böse. Diese erinnert mich ganz stark an die Briefmarkensammlung meiner Kindheit.
    Ja, Walter Ulbricht kommt mir da in den Sinn.

    Grüße aus OWL