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Gründer und Gründe

Migranten zeigen überdurchschnittlichen Unternehmergeist, meldeten etliche Zeitungen unter Berufung auf eine KfW-Studie. Nur: stimmt die Aussage überhaupt?

„Nach einer neuen Untersuchung ist jeder fünfte Gründer in Deutschland ein Migrant“,

meldete am Dienstag die Katholische Nachrichtenagentur KNA, und so oder so ähnlich berichteten eine ganze Reihe von Medien über eine Untersuchung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Die Frankfurter Rundschau beispielsweise schreibt weiter: „Die erhöhte Gründungsaktivität hat demnach zwei Gründe, wie die KfW mitteilte: Unter Migranten sei der Wunsch nach beruflicher Selbständigkeit stärker ausgeprägt (38 Prozent) als in der gesamten Bevölkerung (29 Prozent). Zudem hätten sie schlechtere Arbeitsmarktchancen. Der Schwerpunkt liege auf persönlichen Dienstleistungen.“

Wer die Originalmitteilung der KfW ansieht, dem fallen dort schon zwei entscheidende systematische Fehler auf.

„Migrantinnen und Migranten leisten einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Gründungsgeschehen in Deutschland. Sie stellen 21 % der Gründer bei einem Bevölkerungsanteil von 18 % (im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2017)“, schreiben die KfW-Volkswirtschaftler. Allerdings beträgt der Migrantenanteil in Deutschland nicht 18 Prozent. In einer Fußnote definieren die Autoren den Personenkreis, von dem sie sprechen, als „Eingebürgerte, Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit und Spätaussiedler“. Nur: auch jedes in Deutschland geborene Kind von nichtdeutschen Eltern hat erst einmal eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Später besteht die Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen. Nichtdeutsche und Eingebürgerte müssen also nicht zwangsläufig in die Rubrik Migranten fallen, ihr Geburtsort kann auch Deutschland sein. Schon deshalb stimmt die Aussage „Jeder fünfte Gründer ist Migrant“ nicht. Angemessen wäre es, von Personen mit Migrationshintergrund zu sprechen, einer allerdings sehr künstlichen Kategorie: Zu ihr gehört der israelische Software-Designer in Berlin genau so wie der eingewanderte spanische Ingenieur, ein Kind polnischer Eltern mit Geburtsort Dortmund und ein somalischer Asylbewerber.

Zum zweiten unterscheiden sich die beiden verglichenen Gruppen – Migrationshintergründler und Gesamtbevölkerung – in ihrem Durchschnittsalter. Das durchschnittliche Alter der deutschen Gesamtbevölkerung lag laut statistischem Bundesamt Ende 2015 bei 44 Jahren und drei Monaten, das der Nichtdeutschen – die einen großen Teil der von der KfW untersuchten Gruppe ausmachen – bei 37,5 Jahren. Jüngere gründen nun einmal, wenig überraschend, eher als Ältere. Würde man die Verzerrung durch den Altersunterschied der beiden verglichenen Gruppen herausrechnen, dann dürfte von der ohnehin nur leichten Gründer-Differenz von 18 zu 21 Prozent wenig übrigbleiben.

Wirklich interessant wird es allerdings dort, wo die Zeitungsmeldungen enden, während die KfW-Untersuchung weitergeht. Was hat es mit den „schlechteren Arbeitsmarktchancen“ von Menschen mit Migrationshintergrund auf sich, die als wesentlicher Grund für die höhere Gründerquote angegeben werden? Leiden sie unter Diskriminierung?

Nach den KfW-Zahlen verbirgt sich hinter den schlechten Arbeitsmarktchancen etwas anderes: schlechte Qualifikation.

„So haben 46 % der Migranten keinen bzw. keinen in Deutschland anerkannten Berufsabschluss, in der gesamten Erwerbsbevölkerung sind es 22 %“, schreiben die KfW-Forscher. „Die Arbeitsmarktnachteile bewirken, dass sich Migranten überdurchschnittlich oft selbstständig machen, weil sie keine besseren Erwerbsalternativen sehen. Dieser sogenannte Notgründeranteil liegt mit 38 % deutlich über dem Durchschnitt von 31%.“
Als Gruppe mit besonders schwachen Job-Chancen machen die KfW-Autoren jene 35 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund aus, die in Haushalten leben, in denen kein Deutsch gesprochen wird: „Sie sind häufiger arbeitslos als Migranten insgesamt (12 % gegenüber 8 %). Deshalb ist auch der Anteil von Notgründern besonders hoch (48 %).“

Die Arbeitslosenquote im deutschen Gesamtdurchschnitt liegt übrigens bei 4,9 Prozent (Dezember 2018), Erwachsene mit Migrationshintergrund und Deutsch-Problemen sind also mehr als fünfmal so häufig arbeitslos wie die Vergleichsgruppe.

Nun ist es volkswirtschaftlich ohne Zweifel besser, wenn sich jemand seine Arbeit selbst organisiert, statt von Transferleistungen zu leben. Nur: abgesehen davon, dass sich schon die Grundaussage „Menschen mit Migrationshintergrund gründen öfter“ beim zweiten Blick verflüchtigt – es ist auch ein Unterschied in der Motivation, ob jemand die Wahl zwischen einer Anstellung und Selbstständigkeit bleibt, oder ob er sich als Taxifahrer, Putzhilfe oder Falafel-Verkäufer durchschlägt, weil ihm für eine Bewerbung sowohl Qualifikation als auch Sprachkenntnisse fehlen. Ein Falafel-Verkäufer kann auch durchaus besser verdienen als etwa Selbständige im Medienbereich, die sich nach dem Studium von einem schlechtbezahlten Projekt zum nächsten hangeln. Das volkswirtschaftliche Problem liegt nicht im Einzelfall, sondern in der erschreckend großen Gruppe von 46 Prozent in dem Bevölkerungsteil mit Migrationshintergrund, die über keine in Deutschland abgeschlossene Ausbildung verfügen. Und bei den 35 Prozent, die Deutsch nur mangelhaft beherrschen. Wenn die Konjunktur sich deutlich abkühlt, dann trifft das erfahrungsgemäß nicht nur Jobinhaber, sondern auch viele Selbständige, die einfache Dienstleistungen anbieten. Und für den Wettbewerb vor allem mit Asien ist es kein ermutigendes Zeichen, wenn der Anteil von schlecht Qualifizierten im Industrieland Deutschland durch die aktuelle Migrationspolitik tendenziell noch steigt.
Sortiert nach ihrer Brisanz, hätte die KfW-Mitteilung eher so lauten müssen:

„Fast jeder zweite Erwerbsfähige mit Migrationshintergrund in Deutschland besitzt keinen gültigen Berufsabschluss – doppelt so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Besonders Menschen mit mangelnden Deutschkenntnissen haben trotz Hochkonjunktur drastisch schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Für 48 Prozent der Gründer aus dieser Gruppe ist deshalb der Weg in die Selbständigkeit die einzige Alternative.“

Die Frage ist nur, ob diese Pressemitteilung in die Medien reißenden Absatz gefunden hätte.

 

 

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Kommentare anzeigen (30)

  • Jetzt gründen unsere Migranten also auch noch Unternehmen am laufenden Band! Vor drei Wochen waren sie sagenhafte Erfinder und fleißige Patentanmelder, vor zwei-drei Jahren haben sie pausenlos volle Portemonnaies gefunden und grundehrlich bei der Polizei abgeliefert.

    Die „Erfinder heißen öfter Abhijeet oder Agnieszka“, frohlockte SPON, „Erfinder mit ausländischen Wurzeln werden für die Innovationskraft der Bundesrepublik immer wichtiger“, assistierte „Focus“, denn fast jedes zehnte angemeldete Patent soll von einer Person mit „Hintergrund“ stammen, behauptet das Institut der deutschen Wirtschaft. Was genau Agnieszka erfunden hat, wird auf achtzehn Seiten nicht mitgeteilt, Frauen sind in den letzten hundert Jahren bekanntlich nicht gerade extrem oft durch Erfindungen aufgefallen. Und darum genau geht es, SPON:

    „Die Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig das beschlossene Fachkräftezuwanderungsgesetz für Deutschland ist“, sagt Studienautor Oliver Koppel. „Das wird die Zuwanderung technisch-naturwissenschaftlicher Fachkräfte, also vieler potenzieller Erfinder, vereinfachen und so das deutsche Innovationssystem stärken.“

    Siehe oben: „Fast jeder zweite Erwerbsfähige mit Migrationshintergrund in Deutschland besitzt keinen gültigen Berufsabschluss – doppelt so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt.“ Der DIW-„Trend“:

    https://www.iwkoeln.de/studien/iw-trends/beitrag/oliver-koppel-enno-roeben-migration-und-die-innovationskraft-deutschlands.html

    • Doch - das stimmt! Selbstständigkeit durch Drogen Verkauf. Darin sind sie unschlagbar - ehrlich!

      • Rückblick 2018:

        Die am schnellsten wachsenden Branchen im Wirtschaftswunder-Merkelland:
        - Kindergeldbetrüger
        - Schlepper
        - Terroristenrückholanwalt
        - Abmahnanwalt gegen die noch existierende Industrie
        - Professor für Dieselautoverursachte Vulkanausbrüche

        Quelle: ........ gefunden bei Facebook

    • Doch das stimmt, Migranten (meist aus Vorderasien) gründen häufiger Unternehmen.

      Nach einiger Zeit legen sie dann eine saubere Insolvenz hin.
      Das Unternehmen geht an einen Onkel, Schwager, Neffe oder sonst wie mit dem Unternehmensgründer Verwandten über.
      Der Unternehmensgründer macht eine Weile auf Hartz IV. Damit und der Unterstützung durch den Familien-Clan lässt es sich gut leben.

      Nach einigen Jahren darf der Unternehmensgründer wieder geschäftlich tätig werden. Praktischerweise übernimmt er nun das Geschäft, welches zwischenzeitlich mehrfach wegen Insolvenz innerhalb des Clans den Besitzer gewechselt hat wieder von einem mehr oder weniger nahem Verwandten.
      Und so geht das Ganze weiter.

      Das klappt ganz gut.

      Hat sich eigentlich noch niemand darüber gewundert, dass Migranten auf Hartz IV deutlich häufiger Mercedes AMG oder ein vergleichbares Fahrzeug fahren als hier schon länger Lebende auf Hartz IV?

    • Karriere mit Migrationsvordergrund:
      wird gaaaanz linkerseits als Nützlichkeitsrassismus entlarvt

  • Nein, das hätte so keinen reißenden Absatz gefunden.

    Das sind im übrigen doch nur Einzelfälle, man darf das nicht pauschalisieren, sondern muss es differenziert betrachten. Das würde doch nur den falschen Auftrieb geben, die würden das nur wieder instrumentalisieren, blablabla.

    Gut herausgearbeitet, Herr Wendt.

    • Sehr geehrter Herr Willaredt, in Ihrer nahezu vollständigen Aufzählung fehlt noch diese Argumentationszusammenschraubung: "Es gibt keine einfachen Lösungen ... außer der grenzenlosen, toleranzdemokratischen Pauschalbewillkommnung ... und die ist gar nicht einfach, vielmehr kompliziert und mühsam, weshalb sie der haltungszeigenden und zeichensetzenden Gegenkämpfer bedarf, die das Garnichteinfache einfach machen (bzw. latzen)!"

  • Es gilt nach wie vor das Narrativ vom "guten Wilden", daher auch hier wieder die Verdrehung und Schönung der Fakten. Nebenbei kann man dem ungeliebten Einheimischen mit der Meldung noch Minderwertigkeitsgefühle verursachen: "Die vorbildlichen Migranten gründen mehr, als Ihr und das, wo Ihr so überlegen scheint!". Ich fand die Meldung, schon fragwürdig, als sie durch die Medien geisterte.

  • Hinzu kommt noch, dass diese Selbständigen in der Regel weniger Erfolgsdruck haben. Stellt es der Falafelhandlanger oder der Herrenbarbier zum Beispiel geschickt an, muss sein Geschäft gar nicht laufen. Aufstockung durch Leistungen nach dem SGB II und kreative Buchführung machen es möglich. Und so kann ich mir denken, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Gründungen nur existieren, weil sie am Tropf des deutschen Sozialsystems hängen.

    Hinzu kommt, dass Kredite wenig Druck erzeugen. Wird die Luft zu dünn, geht man halt kurz oder dauerhaft wieder nach Hause. Ich kann mir schwerlich vorstellen, wie ein deutsches Gericht einen Mahnbescheid am Hindukusch oder in Timbuktu vollstreckt.

    Daher wird der deutsche Michel die Risiken des Weges in die Selbständigkeit zwei mal mehr abwägen.

    Mithin hat der Jubel über migrantische Betriebsgründungen wenig Substanz, wenn nicht gleichzeitig beleuchtet wird, wie lange sich so ein Geschäft hält und wie ertragreich es ist.

    Wiedereinmal liegt also eine Meldung vor, die nicht nur inhaltlich fehlerhaft ist, sondern ausschließlich ideologischen und keinen informativen Charakter hat.

    Schön, dass zumindest Publico unermüdlich auf diese Täuschungen hinweist. Danke dafür! Weiter so!

    • Eben, auch Ihre Ergänzung ist korrekt.
      Vorhersehbar, aber schon irgendwie immer kurios, wie sich jede migrantenbezogene Jubelmeldung der staatsnahen Medien bei näherer Betrachtung in nichts auflöst oder in ihr Gegenteil verkehrt.
      Kompliment einmal mehr an Herrn Wendt für diesen punktgenauen Beitrag.

  • "Zu ihr gehört der israelische Software-Designer in Berlin genau so wie der eingewanderte spanische Ingenieur, ein Kind polnischer Eltern mit Geburtsort Dortmund und ein somalischer Asylbewerber."

    Zu dieser Aufzählung gehört auch noch der selbständige Gebäudereiniger aus Bulgarien, der seine Firma in Duisburg betreibt, aber aus Auftragsmangel leider auf Hilfszahlungen der Behörden angewiesen ist.

  • Die Schlagzeile in den Zeitungen wäre bei der von Ihnen vorgeschlagenen Meldung gewesen:" Bürger mit Migrationshintergrund bei der Berufsausbildung drastisch diskriminiert"! Für Journalisten mit der "richtigen" Haltung ist sowas keine Schwierigkeit.

  • Ein interessanter Aspekt wäre auch der Vergleich, wie hoch der Anteil der Gründer (welcher Herkunft auch immer) ist, die durch ihre selbstständige Tätigkeit aus der Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II fallen. Nach meinem Kenntnisstand gibt es da sehr deutliche Diskrepanzen ...

  • Nicht zu vergessen sind die vielen Unternehmer aus Rumänien und Bulgarien, z.b. im Schrotthandel. In der Steuererklärung wird nur ein geringer Gewinn ausgewiesen, der Lebenunterhalt wird dann überwiegend durch Sozialleistungen finanziert, dadurch
    ist es dann möglich alle Verwandten nachzuholen, welche auf 450 Euro Basis eingestellt werden. Danach geht man mit dem Arbeitsvertrag zur Behörde, diese übernimmt dann den Rest der Lebenshaltungskosten, nach einem Jahr Arbeit sogar lebenslang, für die ganze
    Familie, selbst wenn diese 8 köpfig ist und so kommt eine Familie nach der anderen. In Deutschland befinden sich nun schon über eine Millionen Rumänen, von denen ein gewaltiger Teil Sinti und Roma sind, deren einziges Ziel, das deutsche Sozialsystem ist. Diese Familien, haben sich Strukturen aufgebaut, in denen dann Geld in verschiedenen Fachgebieten, durch Schwarzarbeit verdient wird, während der Lebensunterhalt durch Sozialleistungen subventioniert ist.
    Das gibt es inzwischen hundertausendfach. Was viele Deutsche nicht wissen, ist z.B., dass europäische Ausländer, mit einem 450 Euro Job, sofort mit der ganzen Familie im deutschen Sozialsystem sind und nach einem Jahr für immer, selbst dann ohne 450 Euro Job.

  • Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch hier den Anteil von Frauen herauszuarbeiten. Noch interessanter wäre es, die generelle Frage des Anteils von berufstätigen Frauen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zu thematisieren. Ob Sie sich hiermit einmal befassen könnten, werter Herr Wendt?