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Zehn Menschen für 2019

Wo bleibt das Positive? Noch interessanter ist die Frage: was kommt? Publico nennt zehn Menschen, prominente und weniger bekannte, von denen wir auch 2019 Ideen, Taten und Anregungen erwarten können.

 

Michel Houellebecq, 62

Der französische Autor ist der wichtigste europäische Intellektuelle im ursprünglichen Wortsinn: eine Figur, die öffentliche Debatten prägt, ohne sich um die Konsequenzen zu scheren. Und vor allem jemand, der weder Bewunderer noch Verächter je gelangweilt hätte. Mit seinem Text „Donald Trump Is A Good President“ in Haper’s führte er vor, worauf es beim intellektuellen Boxen ankommt: Float like ab butterfly, sting like a bee.

Gesundheitlich scheint es ihm auch wieder besser zu gehen als vor einigen Jahren. Von ihm sind also auch 2019 Einfälle und rhetorische Ausfallschritte zu erwarten, die weit über Frankreich hinaus reichen.


Abiy Ahmed, 43

Den meisten Deutschen dürfte der Name des äthiopischen Ministerpräsidenten nichts sagen. Der junge Politiker, ehemals Funktionär des autoritären Machtapparats im Land, kam 2018 an die Macht: und setzte Afrika in Erstaunen. Er hob den seit vielen Jahren herrschenden Ausnahmezustand in Äthiopien auf, ließ politische Gefangene frei und schloss Frieden mit dem Nachbarn Eritrea. Als Christ mit einer muslimischen Mutter verkörpert er die Hoffnung auf einen Religionsfrieden auf einem Kontinent, der anderswo, etwa in Nigeria, unter dem rücksichtslosen Feldzug des politischen Islam leidet.

2019 wird das eigentliche Jahr Abiys: Folgt auf die Liberalisierung auch eine wirtschaftliche Blüte? Der neue Ministerpräsident könnte mit seinem Modell beweisen, dass weder Entwicklungshilfemilliarden noch Massenmigration nach Europa Afrikas Probleme mildern – sondern nur bessere Regenten.


Christophe Guilluy, 54

Seit seinen Büchern „La France Periphere“ und „No Society“ gehört der Geograph und Autor zu den interessantesten Stimmen in Frankreich. Sein Thema – die Spannungen zwischen dem besserverdienenden und bessermeinenden urbanen Milieu und den Leuten außerhalb, die für diese Oberklasse die soziale Rechnung zahlen – wird 2019 noch an Relevanz gewinnen. Guilluy gehört zu den intellektuellen Stimmen, die sich nicht mehr in den Rechts-Links-Setzkasten einsortieren lassen. Das ist schon einmal eine gute Voraussetzung, um in diesem Jahr und den nächsten die Debatte mitzubestimmen.


Seyran Ateş, 55

Kaum jemand provoziert den Mainstreamislam so sehr wie die Berliner Anwältin und Gründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee. Der Innenraum der Moschee ist nicht viel größer als eine Zweizimmerwohnung, die Gemeinde winzig. Aber eine predigende Frau, noch dazu eine, die den Koran auslegt, statt ihn wortwörtlich zu nehmen – das halten nicht nur radikale, sondern überhaupt die allermeisten Muslime für ungeheuerlich. Sowohl das türkische Religionsministerium als auch Theologen der islamischen Universität Kairo wettern gegen die Berlinerin.

Die Juristin führte 2018 Prozesse gegen eine angehende Lehrerin, die versuchte, für sich das Recht auf Kopftuchtragen in der Schule zu erklagen. Ateş verteidigte das Neutralitätsgebot im Auftrag des Landes Berlin mit Erfolg. Und zum ausdrücklichen Missfallen des grünen Justizsenators.

Für das, was sie tut, zahlt sie einen hohen Preis: Dauerbewachung durch drei Personenschützer des LKA. Seyran Ateş wird auch 2019 die Harmonie zwischen deutschen Politikern und Islamfunktionären nachdrücklich stören.


Uwe Tellkamp, 50

Er erinnerte durch sein Gespräch mit dem Autor Durs Grünbein in Dresden daran, dass öffentliche Debatten nur Sinn ergeben, wenn sie Streit bedeuten, nicht wechselseitige Bestätigung vor einem homogenen Publikum. Auch 2019 und in den kommenden Jahren ist von ihm Sauerstoffzufuhr für das Meinungsklima zu erwarten. Zurzeit schreibt der Dresdner Autor an einer Fortsetzung seines Romans „Der Turm“.

Möglicherweise gibt es bis zur Veröffentlichung sogar einen Debattenklimawandel – und das Buch wird verfilmt – wie schon Teil eins.


Monika Maron, 77

Wer studieren will, wie ein Zeitstil seinen Stempel in literarische Texte drückt, der dürfte mit Julie Zehs Werken gut bedient sein. Jemand, der Literatur mit einem distanzierten und deshalb scharfen Blick auf die Gegenwart sucht, greift am besten zu den Romanen von Monika Maron. In „Munin oder Chaos im Kopf“ erzählt sie von einem hoch nervösen und verunsicherten Land. Ein neuer Roman ist in Arbeit.

Neben ihrer Literatur äußert sie sich immer wieder politisch, weniger in deutschen, aber in Schweizer Medien. Also zum Glück gleich nebenan.


Max Otte, 54

Der amerikanisch-deutsche Fondsmanager gehört zwar der CDU an, übt aber anhaltende Kritik an der Migrationspolitik Merkels. Lange schrieb Otte nur Fachbücher über Geld; 2019 belebte er die deutsche und europäische Kulturlandschaft durch die Stiftung des Oswald-Spengler-Preises, der bei seiner ersten Verleihung an Michel Houellebecq ging. Als von keinem abhängiger Mäzen mit eigenen Ressourcen wird Otte auch in den nächsten Jahren Debatten mitbestimmen.


Andrew Yan-Tak Ng, 43

Als Cheftechnologe des chinesischen Software-Unternehmens Baidu gehörte Andrew Yan-Tak Ng zu den weltweit wichtigsten Entwicklern der künstlichen Intelligenz. Heute arbeitetet er auf dem gleichen Gebiet in der Wissenschaft –als Professor in Stanford. Zwar kann auch er nicht wissen, wie KI in den kommenden Jahrzehnten Wirtschaft, Wissenschaft und Alltagsleben umpflügen wird. Aber er sieht Trends früher als die meisten anderen. Die Bundesregierung – egal welche – könnte ihn um Beratung bitten, bevor sie ihre nächsten so genannten strategischen Eckpunkte zu KI veröffentlicht, die sich genau so bürokratisch lesen, wie die Überschrift klingt.


Joachim Steinhöfel, 56

Die Manager von Facebook Deutschland hätten wahrscheinlich nie geglaubt, dass eine einzelne Person ihnen dermaßen viel Ärger einbrocken könnte. Joachim Nikolaus Steinhöfel zerrt das Unternehmen immer wieder vor Gericht – und gewinnt. Er klagt Sperren gegen Facebook-Nutzer weg, die zwar nicht gegen Gesetze verstoßen, aber wegen ihrer politischen Tendenz aus dem Netzwerk gesäubert werden. Erst vor kurzem gewann er ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen den Konzern, dessen Löschtrupp einen Nutzer sperrte, weil er zur Unterzeichnung der Erklärung 2018 aufgerufen hatte. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.

Mit seinen Prozessen zermürbt der Hamburger Jurist Stück für Stück Heiko Maas’ Netzwerkdurchsetzungsgesetz.

Erste Steinhöfel-Facebook-Prozesse stehen für das neue Jahr schon fest.


Katrin Huß, 49

Die populäre Journalistin verließ 2016 plötzlich den Mitteldeutschen Rundfunk. Warum, das erzählt sie in ihrem Ende 2018 erschienen Buch „Die traut sich was“: sie hatte es bei der ARD-Anstalt an politischer Geschmeidigkeit fehlen lassen.

Ihr Buch und ihr erster Medien(wieder)auftritt (ab Minute 38) kommen gerade richtig zur Relotius-Affäre. Beide Fälle stehen exemplarisch dafür, welche Journalisten im Medienmilieu reüssieren – und wer sich irgendwann draußen wiederfindet.

Für Huß wäre 2019 das ideale Jahr, um – wo auch immer – wieder in die Öffentlichkeit zurückzukehren.

 

 


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11 Kommentare
  • Sabine Schönfelder
    3. Januar, 2019

    Nicht so bescheiden, Herr Wendt! Nicht gleich bei 10 aufhören, Sie sind natürlich die Nummer 11. Wir erwarten wieder Großes von Ihnen. Journalistische Preziosen, investigative Berichterstattung, literarische Trockenlegungen der sumpfigen Altparteienlandschaft und kritische Kommentare zum politischen Irrsinn. Es gibt viel zu tun, packen Sie es an, lässig und humorvoll, wie wir es von Ihnen gewohnt sind.

    • Thomas Bernhart
      4. Januar, 2019

      Kann man nur vielfach unterstreichen! Aber das reicht nicht, wir müssen Lehrer finden, die den Mut haben, solche Texte in ihren Unterricht einzubinden!

  • Klaus
    3. Januar, 2019

    M.Maron?
    Bitte nicht.
    Alle anderen: d’accord.

  • Klaus Herbert FRITZ
    3. Januar, 2019

    Alexander Wendt ist einer der ganz wenigen Journalisten (neben 2 – 3 weiteren) mit Nobless im Wortgebrauch
    und einer Satire, die Philosophie ins Genre einfügt. Dank seines Tuns (und eben ein paar anderer) wird die
    Grenze zwischen Journalismus und den Machern von Journaille wieder deutlich erkennbar.

  • Dreggsagg
    4. Januar, 2019

    Huellebecqs Unterwerfung gelesen.
    Wundere mich inzwischen nicht mehr, daß der Potest der Islam-Apparatschiks ausgefallen ist. Er, H. beschreibt die friedliche Übernehme Frankreichs durch den Islam so, wie es den Islamis gefällt; aus Dummheit und Unfähigkeit der französischen Machthaber, die ihre Selbstabschaffung mit Lust betreiben.
    Ebenso MMs. Munin gelesen. Spannende Lektüre und so voll neben dem Lügengespinst der politischen Korrektheit.
    Die Frau Katrin Huß. Eine bemerkenswerte Juornalistin, die nicht nachplappert, was die Prantls, Augsteins, Klebers, Restles usw. usf. vorgeben.
    Von Uwe Tellkamp mehr zu hören, wäre erfreulich.
    Die übrigen Personen sind mir nicht so bekannt, außer der mutigen Seyran Ates.

  • Hermann Willaredt
    4. Januar, 2019

    Dem schliesse ich mich an, Alexander Wendt gehört unbedingt dazu. Erfrischend, pointiert und humorvoll, seine Beiträge. Ein wichtiges und belebendes Element im Blogwald.

  • Stephan
    4. Januar, 2019

    In den frühen Jahren der „Titanic“ gab es eine Liste der „zehn peinlichsten Personen der Monats“. Heute würde man locker Woche für Woche eine solche zusammenstellen können. Deshalb Dank für eine Positivliste, die schon etwas schwieriger zu erstellen ist. Großes Einverständnis mit der Liste: kein politisches Personal, sondern Persönlichkeiten. In Zeiten wachsender Gewalt und Enthirnung zugleich Vorbilder in Tat und Denken-
    In meiner privaten Weiterführung der Liste taucht auch Herr Wendt auf.

  • Fantomas
    4. Januar, 2019

    Schön, dass Sie Max Otte mitnehmen. Von dem hört und sieht man ja nichts mehr. Klar, was hilft einem großer ökonomischer Sachverstand, wenn man Merkels Flüchtlingspolitik kritisiert, das geht ja nun gar nicht! Und dann soll er ja noch gesagt haben, er könne sich vorstellen, AfD zu wählen. Spätestens jetzt: Ab in den Kerker!

    • Andreas Hofer
      4. Januar, 2019

      ….in der Tat wird Otte nicht mehr eingeladen, seit dem er sich dazu bekannt hat, die AfD zu wählen. Gut, er verdient seine Brötchen außerhalb von Talkshows. Ein Schauspieler kann sich so etwas nicht leisten. Traurig.

  • M. Schneider
    6. Januar, 2019

    Einverstanden mit Ihrer Liste, lieber Herr Wendt, als Ergänzung würde ich in jedem Fall noch Hamed Abdel-Samad vorschlagen. In meine private gehören neben Ihnen noch einige Autoren von TE und Ach gut. Weiterhin Kraft und Durchhaltevermögen auch 2019, beides wird dringend nötig sein.

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