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Ministers Wunder-Liste

An sächsischen Schulen werden „extrem rechte Vorfälle“ behördlich registriert. Wer sich die Datensammlung des Kultusministeriums genauer anschaut, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus

„Die Zahl rechtsmotivierter Straftaten an sächsischen Schulen ist 2018 deutlich gestiegen“, meldete am Mittwoch die sächsische Linkspartei-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz nach Auswertung einer Antwort, die sie auf eine Anfrage beim CDU-geführten sächsischen Kultusministerium bekommen hatte. Und unter diesen oder ähnlichen Überschriften übernahmen etliche Medien die entsprechende Mitteilung.

Die Zahlen zeigen vor allem: Als „rechts motiviert“ bei der Polizei geführte Straftaten an sächsischen Schulen sind ein sehr überschaubares Phänomen: Bei gut 367 000 Schülern waren es 91 Fälle (2017: 66 Fälle). Nach Straftaten mit Linksaußen- Hintergrund hatte die Abgeordnete von vorn herein nicht gefragt. Überwiegend handelt es sich bei den rechtsextremistischen Taten um so genannte Propagandadelikte, meist Hakenkreuzschmierereien. Die Zahl der Körperverletzung lag 2018 bei zwei. An sächsischen Schulen kam es 2018 nach Angaben des Kultusministeriums insgesamt zu 3 215 Straftaten; Delikte mit rechtsextremem Hintergrund machten also weniger als drei Prozent aus.

In der Antwort des Kultusministeriums findet sich noch ein zweiter Statistik-Teil. Und der wirkt, vorsichtig gesagt, wundersam. Denn die Behörde lieferte auch eine detaillierte Auflistung so genannter „extrem rechter Vorfälle“ an Schulen, von denen eine ganze Reihe keinerlei strafrechtliche Relevanz besitzen, und die oft noch nicht einmal etwas mit der Institution Schule zu tun haben. Trotzdem werden die Daten darüber ganz offensichtlich gesammelt und zentral zusammengeführt. In elf aufgelisteten Fällen wurden Schreiben so genannter Reichsbürger an Schulen gefaxt oder geschickt; dort erfolgte, wie etwa für die Oberschule Bischofswerda vermerkt ist, die „Vernichtung des Faxes im Aktenvernichter des Sekretariats sofort nach Eingang“.

Unerbetene Post von allen möglichen Spinnern: Das kommt in vielen Institutionen vor, übrigens auch in praktisch allen Redaktionen. Üblicherweise fliegen solche Schreiben unregistriert in den Papierkorb. Darauf, was bei ihm in der Post landet und aus dem Fax kommt, hat niemand Einfluss. Trotzdem gelangt jede einzelne Sendung in die Statistik „extrem rechte Vorfälle an Schulen“.

Auf die Liste kam auch ein „Vorfall“ am 8. März 2018 an der Lindenschule Crimmitschau, einer Förderschule: „Verfassungsfeindlicher Ausspruch“. Nun ist es grundsätzlich ein nobler Zug, auch Förderschüler ernst zu nehmen. Aber strafbar ist eine Äußerung nicht schon deshalb, weil sie sich gegen einen Grundgesetzartikel richten könnte. Übrigens ist das so genannte Paritégesetz, das die Besetzung von Wahllisten mit Männern und Frauen nach 50/50-Quote vorschreibt, nach Ansicht eines Gutachters und einer Gutachterin des Landtags verfassungswidrig. Am Ende wird darüber ein Verfassungsgericht entscheiden müssen. Buchführung über Meinungsäußerung von Schülern und selbst Förderschülern – das gab es zuletzt in DDR. In dem aufgeführten Fall heißt es übrigens kryptisch: „Meldung an Polizei blieb erfolglos“.

Regelrecht bizarr wirkt der Listeneintrag Nummer 49 zum Gotthold-Ephraim-Lessing-Gymnasium Kamenz. Der „extrem rechte Vorfall“ am 7. September 2018 wird dort so beschrieben: „Reaktion von Pegida auf die Beteiligung unserer Schüler an #Wir sind mehr“. Zur Erinnerung: Die Aktion #Wirsindmehr entstand nach der Tötung eines jungen Mannes durch zwei Asylbewerber in Chemnitz und den nachfolgenden Protesten, den Höhepunkt bildete ein Gratiskonzert in Chemnitz, auf dem die Gruppe „Feine Sahne Fischfilet“ schrammelte und unter anderem die Gruppe K.I.Z. sang: „Ich ramme meine Messerklinge in deine Journalistenfresse“. Dass jemand von Pegida diese Teilnahme von Schülern an einem Konzert mit linksradikalen Bands kritisierte, wird also als „extrem rechter Vorfall an der Schule“ gewertet.

Nicht nur völlig grotesk, sondern auch als handfester Datenschutzverstoß kommt ein angeblicher Vorfall am Gymnasium „am Sandberg“ in Wilkau-Haßlau am 16. Mai 2018 daher: „Ermittlungen der Kriminalpolizei gegen Schüler Kl. 9“. In der nebenstehenden Erläuterung heißt es: “zeitgleiche Durchsuchung der elterlichen Wohnung durch Polizei und Ordnungsamt, Durchsuchung der Schultasche vor Ort, Mitnahme des Smartphones und eines gefundenen Knallkörpers, nach Befragung Schüler im Unterricht zurück, zunächst keine Einleitung weiterer Maßnahmen durch Schule (da Ermittlungsverfahren und Aussage des Schülers dahingehend, dass keiner der ihm vorgeworfenen Punkte der Wahrheit entsprechen).“

Was auch immer dem Neuntklässler vorgeworfen und offenbar mit riesigem Aufwand aufgeklärt wurde – es bestätigte sich also gerade nicht. Die einschlägigen Datenschutzregeln schreiben vor, personenbezogene Informationen über Ermittlungen zu löschen, wenn sich der Tatverdacht nicht erhärtet. Weshalb sich Schulbehörde und Kultusministerium darüber hinwegsetzen, ist die eine Frage. Und die andere: warum ein offensichtlich falscher Vorwurf als extrem rechter Vorfall an einer Schule gelistet wird.

Zum Gymnasium St. Augustin in Grimma heißt es unter dem Datum 22. Oktober: „Banneraktion der ‚Identitären Bewegung’, Verteilung von Flyern im Umfeld der Schule.“ Auch hier fragt sich: was hat eine übrigens legale politische Aktion „im Umfeld der Schule“ auf einer Liste zu „Vorfällen an Schulen” zu suchen? Auf welcher Rechtsgrundlage wird sie registriert?

Zwei andere Einträge auf der Liste fallen etwas aus dem Rahmen – hier sind die Erklärungen nämlich ausgesprochen knapp bis nichtssagend. Für das Berufsschulzentrum „Dr. Friedrich Dittes“ wird unter dem Datum 28. März 2018 festgehalten: „Radikalisierung eines Schülers mit Migrationshintergrund“.

Der Listenleser erfährt noch, dass jemand aus dem Lehrerkollegium deshalb mit dem BAMF und einer „Beratungsstelle Radikalisierung“ telefonierte. Nun können sich durchaus auch Migranten rechtsradikal äußern.

 


 

 

Und manchmal bleibt es nicht bei einer Äußerung. Aber worum es an den beiden Schulen konkret ging, ist nicht vermerkt. Auch nicht im Fall an der Erich-Zeigner-Grundschule Leipzig vom 1. Oktober 2018. Dort heißt es nur: „Extremistische Äußerung eines Schülers syrischer Herkunft Klasse 2“ Auch hier gibt es ein Telefonat mit einer Beratungsstelle Radikalisierung und mit dem BAMF.

Aber worum auch immer es sich handelte: Die von der Linkspartei-Fraktion abgefragte Liste wird sicherlich die Forderung nach weiteren Mitteln gegen Rechts eindrucksvoll flankieren.

 

 

Alexander Wendt: Weitere Profile:

Kommentare anzeigen (26)

  • Tja Leute, der Kampf gegen Rechts ist das Einzige, was die kaputten Linken noch zusammenhält bzw. motiviert. Mit eigenen Ideen kommen die schon lange nicht mehr. Da kommt noch mehr auf uns zu. Darf ich bald an der Kreuzung nicht mehr rechts abbiegen, werde ich dann auch registriert ?

    • >>Darf ich bald an der Kreuzung nicht mehr rechts abbiegen, werde ich dann auch registriert ?<<
      Tja, Fantomas. Wenn Du dreimal links abbiegst, kommst du auch rechts raus.

    • Ja, verehrter Herr Wendt,
      Statistiken konnte man noch nie trauen, und dies gilt heute um so mehr als zu Churchills Zeiten.
      Hier wird gelogen, was das Zeug hält, Hauptsache, der Kampf gegen Rechts ist mit Zahlen belegbar und die Staatsknete kann weiter an dubiose Vereine wie AAS oder ANTIFA ausgereicht werden...

      Aber: Wie wäre es mit "Links vor Rechts" im Straßenverkehr?
      Dann hätten wir - wie in der Gesellschaft - auch auf unseren Straßen endlich das perfekte Chaos.

      Stellt die Welt endlich auf den Kopf!
      Reinhard Mey bemerkte dazu:
      "Annabelle, ach Annabelle
      Du bist so herrlich unkonventionell
      Du bist so wunderbar negativ
      Und so erfrischend destruktiv
      Annabelle, ach Annabelle
      Du bist so herrlich intellektuell
      Ich bitte dich, komm sei so gut
      Mach meine heile Welt kaputt!"

  • Mit der Veröffentlichung des "Hexenhammer", einer Anleitung zur Aufdeckung rechter Hexenumtriebe wurde in der Folgezeit ein wachsendes Vorkommen von Hexen in Deutschland festgestellt. Die Behörden sahen sich veranlasst, mehr staatliche und kirchliche Mittel zur Bekämpfung des Hexentums in Deutschland bereitzustellen. In der Folge wurden die wahren Ausmaße der Hexentätigkeit in Deutschland offenbar und wurden nachdrücklich bekämpft.

  • „Die Zahl rechtsmotivierter Straftaten an sächsischen Schulen ist 2018 deutlich gestiegen“, meldete am Mittwoch die sächsische Linkspartei-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (...) Und unter diesen oder ähnlichen Überschriften übernahmen etliche Medien die entsprechende Mitteilung."

    Ja, diese Meldung konnte man heute auch in der Sächsischen Zeitung bestaunen.

    Zur Ehrenrettung des Blattes kann ich - zu meinem Erstaunen ;) - vermelden, dass die absolute Anzahl der "rechtsextremen" Straftaten Eingang in die Meldung erhielt (91), nebst der Nennung des Standes vom Vorjahr (66). Allerdings ging der "Mut" dann nicht soweit, auch noch die absoluten Zahlen der Straftaten an Schulen (3 215) zu nennen, es blieb also bei den hochgezogenen Brauen ob der so gar nicht "eindrucksvollen" Zahl "rechtsextremer" Straftaten. Dank gebührt Publico für die beispielhafte Darstellung mit welcher Art von "Straftaten" wir es hier im Einzelnen zu tun haben!

    Im Übrigen ist gerade Frau Köditz eine stramme Vorreiterin im staatlichen "Kampf gegen rööööchts" und dieser zivilisatorischen Aufgabe höchst persönlich verpflichtet.

  • Dass Vorfälle von "links", erst gar nicht abgefragt wurden, spricht Bände. Es soll also gezielt durch die Hintertür Propaganda gegen Konservative gemacht werden: Es dürfte wohl auch kein Zufall sein, dass von allen Parteien ausgerechnet die SED, äh, die Linken, eine entsprechende Anfrage gestellt hat. Das ist die Partei, die als SED die Diktatur in der Deutschen "Demokratischen" Republik zu vertreten hat.

    Aber als Ausgleich dafür, dass die Untaten der Vergangenheit der Sozialisten möglichst verschwiegen werden, genießen wir fast täglich in Film, Funk und Fernsehen die unsäglichen Untaten der Nazis. 12 Jahre können ja auch eine kleine Ewigkeit sein.

    Die 40 Jahre sozialistischer unsäglicher Untaten der Diktatur per Stasi und Schießbefehl hingegen waren zumindest "gut gemeint" und daher vergingen sie wohl wie im Fluge. Wann lief eigentlich der letzte Aufklärungsfilm im TV über das Regime in der DDR?

    • Gestern auf zdfinfo wurde die DDR thematisiert. Und da gab es unter Anderem auch eine mehrteilige Doku über die Arbeit der Stasi. Interessant anzuschauen.

    • Vera Lengsfeld sagt, daß die DDR-Diktatur eine der am besten aufgeklärten und analysierten Epochen ist. Auch TV-Sendungen dazu gibt es (meist zu Tageszeiten, an denen normale Menschen arbeiten oder schlafen). Doch für Schüler gibt es das DDR-Thema so gut wie gar nicht. Natürlich nicht, denn sonst bestünde die Gefahr, daß die linksgrüne Gehirnwäsche nicht richtig funktioniert! Und wer soll dann freitags gegen das Klima demonstrieren?

      • Analysiert wurde sie. Das stimmt! Nur weiß heute noch niemand genau, wie weit Verstrickungen von Stasi und Co. in die westdeutsche Politik und Wirtschaft gingen. Wir wissen zwar, dass es so war. Doch wie viele und wer genau da spionierte, das ist heute noch eher schwammig. Ich bin in der DDR groß geworden und meine Mutter bläute mir immer ein, dass in jeder Klasse, jeder Gruppe einer von "Horch und Kuck" war. So war es auch oft in der BRD. Wir wissen zwar heute einiges, da glücklicherweise verhindert wurde, dass die Stasi alle Akten zerschreddern konnte, doch wir wissen nicht, was schon alles vernichtet wurde. Wenn auch einige heute geläutert scheinen, gibt es viele, welche noch heute stolz auf ihre "Leistungen" sind und es immer wieder genauso machen würden. Und an dem Beispiel von Frau Kahane sehen wir, dass hier viele auf dem linken Auge blind sind. Das macht mir etwas Angst. Vielleicht bin ich ein wenig spinnert, doch da ich es erlebt habe und nie wieder erleben will, mache ich mir große Sorgen. Denn ich befürchte, es blieben nach der Wende viele auf Ihren Posten unerkannt hocken und arbeiten weiter an Ihrem Ideal von Gesellschaft. Als Margot Honecker 1990 in einem Interview im Brustton der Überzeugung sagte, dass es noch lange nicht vorbei ist, habe ich sie in meiner grenzenlosen Arroganz ausgelacht. Heute befürchte ich, die Dame wusste mehr, als ich.

  • Wieder ein schönes Beispiel wie Statistik gezielt gefälscht und von den üblichen "Verdächtigen" instrumentalisiert wird. Am Ende bleibt wieder nur eine ärgerliche Pressemeldung über den vermeintlich dunkeldeutschen Osten und natürlich mehr Geld für den Kampf gegen Rechts.
    Danke Herr Wendt, und bleiben Sie uns erhalten.

  • Muss man gar nicht kommentieren. Vielen Dank, Herr Wendt.
    Oder vielleicht doch? Man erkennt jedenfalls: Wo nichts ist, wird etwas draus gemacht.
    Leider kommt das bei Vielen, die es eigentlich nötig hätten, nicht an.

  • Danke für Ihre journalistische Arbeit Herr Wendt. Wie kann man diesen linken Schwachsinn (mir fiel kein anderes öffentlich gestattetes Wort ein) kommentieren? Von Links immer und immer wieder hochgepuschter Klassenkampf, nichts anderes ist solcherlei Blödsinn. Als gäbe es keine anderen und wichtigen Probleme in diesem Land als diese Spalterei der Gesellschaft. An so etwas arbeiten sich Linke ab? Die werden offensichtlich zu üppig vom Bürger zwangsalimentiert; genauso wie die "öffentlich rechtlichen Medienanstalten". Nun ja, Anstalten gibt es auch heute noch, leider werden dorthin die vielleicht geistig Gesunden eingewiesen...

  • Wie basteln wir uns einen Rechtsruck? - Im September 2016 hat SPD-Ministerpräsident Woidke im Inforadio des rbb gesagt, es habe hinsichtlich der Erhebung rechtsextremer Straftaten Änderungen gegeben. ZITAT: "Bei der Polizei wird jeder Übergriff, bei dem nicht erwiesen ist, dass er keine rechtsextreme Motivation hat, in die Statistik hineingezählt." Damit werden ständig rechtsextreme Straftaten produziert, die gar keine sind. Kann man nicht nachweisen, dass es keine rechtsextreme Motivation dahinter gab, bleiben sie für immer als rechte Straftat bestehen. – Quelle: rbb 24, 22.09.2016, 7.45 Uhr. Die früher hauptamtlich bei der FDJ angestellte Kerstin Köditz, die noch 1989 der SED beigetreten ist (wikipedia), wird es freuen. Die Aufklärung geht derweil unter.

  • Herrn Wendt wieder vielen Dank für die kommentierende Mitteilung der "Rechts-Statistik" aus sächsischen Schulen. Eigentlich sollte man über diesen Unfug nicht lachen, ich neige allerdings naturgemäß zum bizarren Humor und stelle fest, dass der Krampf gegen Rechts Woche für Woche immer abstrusere Formen annimmt. Vergleichbare Aufregungen sind auch schon in meiner näheren (westlichen) Umgebung vorgefallen. Für den Außenstehenden ist es verblüffend und ärgerlich, was Kulturbürokraten bewegt. Mich würde eher der fortgesetzte Bildungszerfall um den Schlaf bringen, als die mitgeteilten Marginalien aus dem Schulalltag. Ob wir bald mitgeteilt bekommen, dass an einigen Schulen im Musikunterricht - sofern noch erteilt - Richard Wagner behandelt wird ? Warten wir ab - noch hat die vollständige Säuberung der Kultur noch nicht begonnen. Immerhin: mit einem Hakenkreuz zur rechten Zeit am rechten Ort können die Schlitzohren unter den Pennälern den Unterricht nachhaltig zu einem vorzeitigen Ende bringen. Wir brauchten noch Stinkbomben.