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Wochenrückblick am Montag: Achtung, dieser Text setzt CO2 frei!

Mit dem Sommerloch wird es heuer nichts – Pech für die SPD, die dort gern eine größere Rolle gespielt hätte – aber ein Thema jagt das nächste, auch bei Publico, der Chronist kommt nicht mehr nach, deshalb muss es raspelkurz und schnell gehen.

Dieser Text steht ganz resp. überwiegend im Zeichen der CO2-Vermeidung. Auch und gerade deshalb muss es schnell gehen. Näheres weiter unten.

Der Geschäftsführer der Berliner Flughafen AG Engelbert Lütke Daldrup kündigte in der verzischten Woche an, den BER bis 2050 CO2-neutral zu machen, und legte damit den Finger in die Wunde: Der Hauptstadtflughafen ist es nicht schon längst, wie unsereiner dachte. Es laufen ja noch Bau- und Kabelsucharbeiten. Hierzulande will man nicht so sein wie der Kines’, der gerade den neuen und soundsovielten Pekinger Flughafen – Baubeginn: 2014, Eröffnung 30. September 2019 – fertiggestellt hat.

Wenn die Berliner Flughafen AG das Gelände entsiegeln und Lupinensamen ausbringen würde, würde sie den BER sogar zur sogenannten Kohlendioxidsenke machen. Tegel reicht. Bisher ist noch jeder aus Berlin weggekommen.

Der multiple Experte Karl Lauterbach, so viel Abschweifung muss sein, möchte seit letzter Woche nächster SPD-Chef werden. Falls ihm das gelingt, so das undeutliche Gefühl des Rückblickschreibers, könnte er nicht nur an herausgehobener Stelle gegen die Gier von Michelle Obama kämpfen, sondern auch den ökologischen Fußabdruck der Partei weiter verkleinern.

Hier noch einmal in aller gebotenen Kürze das Wichtigste zu CO2: Sein Anteil an der Atmosphäre beträgt 0,038 Prozent, der menschengemachte Anteil an dem jährlich ausgestoßenen Kohlendioxid liegt bei gut vier Prozent, wozu Deutschland wiederum mit 2,3 Prozent beiträgt. Das klingt wenig, aber ein Land, dessen wichtigsten Lehnworte im Englischen, Kindergarten und Blitzkrieg, so etwas wie eine mentale Bandbreite markieren, muss vorangehen.
Und keiner darf, wie es in einer ebenfalls eingebetteten Wendung heißt, aus der Reihe tanzen. Wie das Mitmachen richtig geht, erklärte gerade die WELT in einem Ratgeberstück unter dem Titel:
Sechs Schritte, 6 Wege, wie du in deinem Alltag ganz leicht CO2 sparst
Die wichtigsten Punkte:
Kalt duschen, richtig Wäschewaschen, beim Kochen Deckel auf den Topf:
90 Kilogramm weniger CO2 mutest du Stiftung Warentest zufolge der Atmosphäre zu, wenn du sparsam duschst. Dabei hilft es, das Wasser nicht ganz so heiß zu drehen und einen Spar-Duschkopf zu verwenden. Übrigens: Duschen verbraucht etwa viermal weniger Energie als Baden.
330 Kilogramm sparst du durch richtiges Waschen. Greenpeace rät, die Vorwäsche wegzulassen und grundsätzlich mit höchstens 60 Grad zu waschen. Moderne Waschmaschinen reinigen auch bei 30 bis 40 Grad zufriedenstellend. Was eigentlich klar sein sollte: Danach die Wäsche nicht in den Trockner schmeißen, sondern lufttrocknen. Einsparpotenzial: bis zu 330 Kilogramm CO2 pro Person und Jahr.
100 Kilogramm weniger Kohlendioxid im Jahr sind es, wenn du bei fünf Kochvorgängen pro Woche einen Topfdeckel benutzt.
90 Kilo kommen noch mal runter, wenn du jeden Tag einen Liter Wasser mit dem Wasserkocher statt im Topf aufkochst.“
Und, sehr wichtig, nicht so viel googlen, auch nicht nach weiteren Sparvorschlägen, denn:
„Jede einzelne Google-Suchanfrage verursacht 0,2 Gramm CO2.“

Deshalb fällt dieser Wochenrückblick auch so kurz aus, außerdem belastet er das Budget der letzten Kalenderwoche nicht mehr. Er muss außerdem zügig weggelesen werden, auch jede Rechnerminute bei Ihnen, geschätzte Leser, belastet die Atmosphäre mit Kohlendioxid, wenn auch bedeutend weniger als Herstellung und Kauf einer gedruckten Süddeutschen Zeitung.

Mir lassen die WELT-Anweisungen allerdings keinerlei Chance, auch nur einen kleinen Beitrag zu leisten. In Berlin dusche ich nur, weil die Wohnung, die ich übrigens gern stoßlüfte, technisch nichts anderes zulässt, einen elektrischen Wäschetrockner besitze ich nicht, in der Hauptstadt nehme ich das Fahrrad, um damit an den Teslas und allen anderen vorbeizuziehen, die auf der Leipziger Straße im Stau stehen, und bei mir bekommt jeder Topf bei jedem, wirklich jedem Kochvorgang einen Deckel. Auch meine Großmutter deckelte schon ihre Töpfe, meine Eltern auch. Ich kenne überhaupt niemanden, der sein Essen in unbedeckelten Töpfen gart. Außerdem kenne ich auch niemanden, der fünfmal in der Woche kocht. Das tat meine Großmutter noch. Heute kommt es recht selten vor, erst recht in den zentralen Stadtbezirken Berlins.

Was die Wasservermeidung angeht: Fast jeden Sommer appelliert irgendein Stadtwerksdirektor, diesen Unfug zu lassen, denn der verringerte Wasserverbrauch führt dazu, dass die Trinkwasserrohre nicht mehr richtig durchspült werden. Deshalb muss zusätzliches Wasser in die Rohre gedrückt werden, und zwar, aus hygienischen Gründen, Trinkwasser.

Die Angaben zur CO2-Vermeidung beim Googlen stammen von den Betreibern der Suchmaschine Ecosia. Ich habe sie einmal gegoogelt; man stößt relativ schnell auf die Verknüpfung Ecosia und Kritik. Geld für ein Aufforstungsprojekt, dass das Unternehmen nach eigenen Angaben an ein WWF-Projekt in Brasilien weiterleitet, wird nur verdient, wenn jemand bei Ecosia die gesponserten Links anklickt. Bei dem Anbieter handelt es sich außerdem um eine Art erweiterte Benutzeroberfläche. Die eigentliche Suche findet auf Servern von Yahoo und Bing statt, die wiederum mit dem normalen Strommix arbeiten.

Bei der Gelegenheit, was kostet eigentlich ein Tweet in CO2? Ich frage für Karl Lauterbach, Ralf Stegner und Sawsan Chebli, die übrigens noch vor kurzem, ehe die Flugscham ihr den Mund in dieser Hinsicht für immer verschloss, ab und zu aus New York twitterte, dass sie zusammen mit ihrem Mann dort gern die Wochenenden und Feiertage verbringt.

Auch sie kommt offenbar ohne BER raus aus Berlin. Zurück allerdings auch.

Aber abgesehen von den Details schaffen die Spartipps etwas Unschätzbares, nämlich gesellschaftlichen Zusammenhalt, den es energiespezifisch nur zu den dunklen Zeiten der Kohleklau-Plakate gab.

Ein Punkt fehlt in der Reihe der Klimanotmaßnahmen für Jedermann und Jedefrau „und alles dazwischen“ (C. Roth), nur eben nicht für mich: Die Vermeidung von Papp- und Plastikbechern beispielsweise der Sorte, wie sie die lustige bayerische Grüne Katharina Schulze in ihrem Kalifornienurlaub in der Hand hielt.

Jüngeren engagierten Menschen die To-Go-Kultur ausreden zu wollen, das würde, anders als die Ermahnung, ihren Rotkohl, Weißkohl und die hartgekochten Eier für die Bahnfahrt stets bedeckelt zuzubereiten, nur Unmut hervorrufen.

An der sehr zu empfehlenden Saftbar auf dem Münchner Viktualienmarkt trinke ich, wenn ich vorbeikomme, immer Karottensaft, und zwar aus dem Glas und auf Ex, weil auch das schnell gehen muss. Die meisten Kunden dort bevorzugen nach meiner Beobachtung für ihren Saft einen Plastikbecher to go für die zehn Schritte zum nächsten Mülleimer, vor allem junge Leute, auch solche, die trotz Klimanotstand im Sommer Greta-Thunberg-Gedächtnistrickmützen tragen. Das – nicht das Strickmützentragen, sondern das Benutzen von Wegwerfbechern – ist kulturell verankert.

Da kann man nichts machen. Ich mit meinem Glas tanze aus der Reihe, was übrigens zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört.
Der to-go-Becher gehört zum jüngeren Milieu, und zwar so sehr, dass die Jusos Hannover sie sogar als Werbeträger verwenden:

Ihnen geht es genau so wie Karl Lauterbach darum, den Karbonfußabdruck ihrer Partei endlich kleinzubekommen, möglichst flott natürlich.

Das Wettrennen zwischen ihnen und dem BER wird jedenfalls eng.

 

 

Alexander Wendt: Weitere Profile:

Kommentare anzeigen (18)

  • Herr Wendt, Sie gehören für mich zum Besten, was dieses Land an "schreibender Zunft" je hervorgebracht hat. Ihre dialektischen Betrachtungen unseres Alltagsirrsinns, selbstredend verfasst in geschliffenstem Deutsch, das jedem Sprache(en)liebhaber ein Lächeln auf die Großhirnrinde treibt, ja, diese Betrachtungen sind so messerscharf, dass man Angst bekommen muss, sich beim Lesen zu verletzen ... Morgen endlich werde ich Ihnen (m)einen Obulus auf das angegebene Konto überweisen. Das haben Sie sich mehr als verdient. Machen Sie ja so weiter - und vergrößern Sie Ihre Kreise. Vielleicht hilft es ja doch noch, manch einem die Augen zu öffnen, um zu erkennen, dass der Kaiser gar keine Kleider anhat. Glückauf aus dem Ruhrpott!

  • Meine Frau und ich haben uns entschlossen nicht mehr
    selbst zu kochen.
    So sparen wir CO 2 ein.
    Dafür gehen wir dann ins Restaurant.
    Und ein Vollbad gibt es nur noch an Ostern.
    Ich freue mich schon auf ein Leben ohne CO 2.
    Ende des Klamauks.

    • (WELT-Artikel:) „... viermal weniger ...“. Schreiben da mittlerweile intellektuell herausgeforderte Friday For Future-Geistesgrössen?

  • "...etwa viermal weniger Energie ..." Wieviel ist das denn? Hm,...Baden braucht wenig Energie (folge ich daraus) und Duschen vier Mal wenig. Das ist doch dann mehr, oder?
    Also wir in Dunkeldeutschland hatten in Grundschule Bruchrechnen statt Mengen-, Klima- und Genderlehre, freitags nicht schulfrei und sonnabends auch nicht.
    Ich glaube, die meinen ein Viertel?
    Wenn man zwischendurch den Hahn abdreht, braucht man sogar noch weniger, etwa ein Achtel. Aber das ist ja nun auch wieder mehr als ein Viertel, oder?

  • Ein wohlfeiles Wochenkonzentrat aus der gesellschaftlich-politischen Welt des Irrsinns und der Profiheuchler. Steinbrück kassierte bereits 1.2 Millionen vor Jahren für seine Vorträge, Laudabechle, mußte dafür allerdings mehrmals anrücken; hat aber auch nicht so schöne Oberarme wie Michelle, und ist eher eine blasse, schlecht gekleidete Type (kurzum, eine weiße, alte Kartoffel) neben Miss Obama. Man denke an das viele vergeblich verbrauchte CO2, welches die links-grünen Politheuchler nicht nur während ihrer umweltbelastenden Freizeitgestaltung verbrauchen, sondern auch im Verlauf ihrer nichtsnutzigen Arbeitszeit!! Das ist ein Skandal, schleppt sie alle über die Grenzen! (7. Schritt zur CO2-Reduktion) Dort könnt ihr das Gift ausatmen! Am besten geht ihr alle nach Amerika, aber die lassen auch nicht jede Laberbacke rein, irgendeine nützliche Fähigkeit, die man professionell beherrscht, sollte man nachweisen können. Selbst intelligentes Twittern geht bei euch in die Hose, da wird's eng...... Das könntet ihr von Trump lernen, twittern außerhalb der 'political correctness ', nur mit gesundem Menschenverstand. Ist nicht so schwer ( wenn man welchen hat) und ihr müßtet euch nicht ständig künstlich über Good-Old- Donald aufregen, ihr pseudodemokratischen Steuerschmarotzer!

  • Der neue alte deutsche Narzissmus merkt nicht, dass die Welt sich ohne unser Wesen weiterdreht. Weltweit sind alleine in 59 Ländern 1400 Kohlekraftwerke in Planung/Bau. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energiepolitik-deutschland-treibt-den-ausstieg-voran-doch-weltweit-boomt-die-kohle/23141178.html

    Während Deutschland aussteigt: Global sind über 200 Atommeiler in Bau oder Planung. 1,5 Billionen Dollar werden bis 2035 weltweit in Kernkraftwerke investiert. https://www.aktiv-online.de/news/waehrend-deutschland-aussteigt-global-sind-ueber-200-atommeiler-in-bau-oder-planung-1158

    Strom aus Atommüll: Schneller Reaktor BN-800 im kommerziellen Leistungsbetrieb
    https://nuklearia.de/2016/12/09/strom-aus-atommuell-schneller-reaktor-bn-800-im-kommerziellen-leistungsbetrieb/

    Australien will radioaktiven Abfall mit neuem Kraftwerk weiternutzen. Deutscher Atommüll für Australien. https://www.wiwo.de/technologie/green/atommuell-australien-will-radioaktiven-abfall-mit-neuem-kraftwerk-weiternutzen/13551992.html

    Keine Industrienation beschreitet den fundamentalistischen, teils fanatischen Suizidpfad Deutschlands und verfällt dem Irrtum, dass eine wetter- und tageszeitabhängige Energiegewinnung die zukünftige Primär- und Grundlastenergie sein kann. Aber Hauptsache, wir retten das deutsche Klima. Wenn wir wieder im neolithischen Biobauerntum angekommen sind, ist uns der Neid der Welt sicher – glauben die Narzissten!

    »Man kann die Realität ignorieren, aber man kann nicht die Konsequenzen einer ignorierten Realität ignorieren.« Ayn Rand

  • Zu Lauterbach fällt mir nur ein: ich nehme keinen ernst, der selbst bei so überschaubaren Statements "das" u. "dass" verwechselt. Und ansonsten wie gehabt; Realität toppt Satire. Man kommt da einfach nicht mehr ran..

    Das Werbeschild der Süddeutschen sehe ich als klares Eingeständnis. Statt Perspektivwechsel Verdrehtheit als Programm.

    • Ist zwar ein Professor - sein Artikel ist dennoch voller Rächtzschaibpfehlärn ... Kommata Fehlanzeige.
      Er wäre doch eine Top-Besetzung für die BW! Unser neuer Flinten-Kalle ....
      Kurze Sätze, überschaubarer Inhalt.
      :-)
      Dass; war nur ein, Schärtzz!

  • Stegner ist die Limbo-Dance-Drag-Queen der Spezialdemokraten.
    Die Dreiprozentlatte fest im Blick. So lob ich's mir.

  • In Abwandlung einer Anekdote des Mathematikers Ian Stewart:

    Ein Astronom, ein Physiker, ein Mathematiker und ein Klimatologe reisen von Berlin zur Ostsee. In Mecklenburg-Vorpommern schauen sie aus dem Fenster und sehen eine lila Kuh.
    Der Astronom sagt: “In Mecklenburg sind alle Kühe lila.“
    Der Physiker sagt: “Nein, in Mecklenburg sind einige Kühe lila.“
    Der Mathematiker sagt: “Nein, neien, in Mecklenburg gibt es mindestens eine Weide mit zumindest einer Kuh, die von einer Seite lila ist.“
    Der Klimatologe sagt: „ Das CO2 verändert nicht nur das Klima, sondern auch alle Kühe. Bald gibt es keine rot- oder schwarzbunten Kühe mehr.“ Er twittert: “ Klimawandel: Bald nur noch lila Kühe. 100% meiner Wissenschaftskollegen sah erste Klimakatastrophenkuh in Mecklenburg. Was wird aus der Milch?“ Am Abend ist er in der Tagesschau.

    Nach Ende der Foto-Session spritzen Mitarbeiter der Werbeagentur die eine Seite der Kuh, die sie angemalt hatten, mit Wasser ab, schrubben zur Freude der Kuh ein wenig und es kommt wieder ein komplettes Schweizer Braunvieh zum Vorschein.

  • Am interessantesten fand ich im Welt Artikel übrigens den Hinweis, es doch mal mit einer WG zu versuchen. Spart auch Energie. Bin ja gespannt, wann ich jemanden aus Klimagründen aufnehmen darf ;)