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Auslese: Einstürzende Narrativbauten, ahnungslose Wähler und die deutsche Corona-Gegenwartsbewältigung aus Schweizer Sicht

Von Publico gelesen und empfohlen: Zwei Essays über Medien und Kulturkampf in den USA – und ein Text aus der NZZ über die merkwürdige deutsche Praxis, Tagesthemenkommentare zu verfilmen

 


Der Prozess gegen den Jugendlichen Kyle Rittenhouse, der 2020 in Kenosha, Wisconsin, zwei Demonstranten einer Black Life Matters-Demonstration erschoss und einen dritten verletzt hatte, beschäftigt die Öffentlichkeit der USA wie kaum ein anderes Verfahren. Denn hier steht zum einen das Recht auf Selbstverteidigung vor Gericht, auf das sich Rittenhouse beruft, mittelbar aber auch ein großer Teil der Medienberichterstattung über den Fall. Die New York Times etwa betonte unmittelbar nach den Schüssen die Hautfarbe von Rittenhouse (weiß), unterschlug aber, dass es sich bei denjenigen, auf die er feuerte, ebenfalls um Weiße handelte. Das Blatt gab sich wie eine Reihe anderer Medien auch alle Mühe, den Jugendlichen als rechten, schießwütigen rassistischen white supremacist zu zeichnen. Von diesem Bild blieb in dem Prozess kaum etwas übrig.

Der britisch-amerikanische Journalist Andrew Sullivan nimmt das Rittenhouse-Verfahren zum Anlass für einen längeren Text auf der von ihm gegründeten Plattform The Daily Dish: „When All The Media Narratives Collapse“, der weit über die Schüsse von Kenosha hinausgeht. Er zeichnet das Bild einer Medienlandschaft, in der viele Blätter und Sender Ereignisse obsessiv als Narrativ servieren, als geschlossene Erzählung, die sich in das Weltbild der Journalisten einfügt, und deren Folgeberichterstattung dann immer darin besteht, ihr einmal gesetztes Narrativ hektisch gegen alle Wirklichkeitseinbrüche abzudichten.

Es sei normal, schreibt Sullivan, dass die Medienberichterstattung bei aktuellen Ereignissen unvollständig sei und Fehler enthalte: „Aber wenn die Quellen der Berichterstattung falsche Darstellungen beibehalten, alle Irrtümer exakt in der gleichen Richtung liegen, und wenn sie diese Irrtümer nur widerwillig anerkennen, dann haben wir ein Problem. Wenn wir einen Blick auf die zurückliegenden Jahre werfen, ist die Menge der Irrtümer – sowohl kleine als auch große – in wichtigen Geschichten kaum zu leugnen. Es scheint so, dass, je mehr Donald Trump die Mainstream-Medien beschuldigte, ‚fake news‘ zu sein, sie darum wetteiferten, ihn darin zu bestätigen.“

In seinem Text listet Sullivan auch den zweiten großen aktuellen Narrativkollaps in den USA auf, nämlich den finalen Zusammenbruch des „Steele Dossier“, ein teilweise von Hillary Clintons Kampagne 2016 finanziertes pseudogeheimdienstliches Material, das die illegale Zusammenarbeit Donald Trumps mit Russland („Russian Collusion“) beweisen sollte. Obwohl es sich von Anfang an nur um eine Sammlung von Gerüchten und Unterstellungen handelte, diente das „Steele Dossier“ mehr als vier Jahre als Grundlage der immer neu variierten politisch-medialen Kampagne gegen den angeblich russisch gesteuerten Trump. Journalisten der Washington Post und der New York Times gewannen, darauf weist Sullivan noch einmal hin, Pulitzer-Preise mit ihren Geschichten über das Dossier, Russland und Trump. Jetzt steht einer der Hauptbeteiligten an dem Steele-Material, Igor Danchenko, unter dem dringenden Verdacht, in der späteren Untersuchung das FIB belogen zu haben.

Am 12. November 2021 erklärte die Washington Post in einem relativ kurzen Text zu ihrer  Steele-Trump-Geschichte, sie könnte „nicht mehr die Richtigkeit dieser Elemente der Geschichte aufrechterhalten“.

Und die New York Times fragte, als ginge es nur um ein ganz allgemeines Missverständnis und nicht um eine jahrelange Kampagne: „How Did So Much Of The Media Got The Steele Dossier So Wrong?“
Die Antwort darauf findet sich aber eher nicht in der NYT, sondern in Sullivans Text, der noch etliche andere Großnarrative nach immer dem gleichen Muster auffädelt (etwa die faktenfreie Verleumdung der Covington Boys als Rassisten quer durch die großen Medien, für die die Washington Post am Ende mehrere Millionen Dollar Entschädigung zahlen musste).
Darum ist Sullivans Text zu empfehlen: Dem Autor, früher Journalist für die Times, Atlantic und Daily Beast, geht es nicht um die Verteidigung von Rittenhouse und Trump, sondern um eine betont ruhige Darstellung der Schäden, die der Narrativjournalismus in den USA hinterlassen hat.

„Uns allen unterlaufen Wahrnehmungsfehler“, so Sullivan: „Was es aber besorgniserregend macht, ist der Umstand, dass all diese falschen Narrative den Interessen der Linken und der Demokratischen Partei dienen. Und Berichtigungen, falls es dazu kommt, nehmen nur einen Bruchteil der ursprünglichen Falschbehauptungen ein. Es handelt sich nicht um irgendwelche randständigen Leute, die falsche Gerüchte twittern. Sondern um die etablierte Presse.”

Andrew Sullivans Essay gibt durch seine detaillierte Darstellung allen eine gute Orientierung, die die genannten Fälle aus Deutschland heraus verfolgen. Denn über den Rittenhouse-Prozess wird in den deutschen Medien bis heute ähnlich verzerrt berichtet wie auf vielen US-Plattformen. Und über den endgültigen Zusammenbruch des Steele Dossiers und das Eingeständnis der Washington Post, jahrelang fabrizierte Anschuldigungen verbreitet zu haben, findet sich in den meisten Medien zwischen Nordsee und Alpen praktisch gar nichts.


 

Aus einem ganz ähnlichen Grund lohnt sich auch die Lektüre eines größeren analytischen Stücks über den republikanischen Wahlsieg im eigentlich demokratenfreundlichen Virginia. Batya Ungar-Sargon bietet in ihrem bei „Common Sense With Bari Weiss“ veröffentlichten Text „What Happened Last Night in Virginia“ sehr viel mehr als Nachwahlberichterstattung, nämlich einen Zustandsbericht über die  amerikanische Linke, die sich immer stärker in ihre Orthodoxie einkapselt. In Virginia, einem Staat, den Joseph Biden 2020 noch mit deutlichem Vorsprung geholt hatte, gewann ein republikanischer Newcomer die Gouverneurswahl, obwohl er am Anfang deutlich hinter dem Amtsinhaber der Demokraten gelegen hatte. Ganz offensichtlich spielten nicht nur wirtschaftliche Themen für viele Wähler eine Rolle, sondern auch gesellschaftliche – vor allem die aggressiv von links betriebene Identitätspolitik und die Critical Race Theory – die Lehre von der systemisch rassistischen Gesellschaft – die von den Universitäten mittlerweile in Schulen und Behörden vordringt. Überhaupt ging es in Virginia sehr viel um Schule, Bildungspolitik und Wähler, die auf die Gesellschaftsvorstellungen der Demokraten offenbar mit Abwehr reagieren.

„In einer idealen Welt”, schreibt  Ungar-Sargon, “würden die Demokraten einen schonungslosen Blick in den Spiegel werfen und sich fragen, ob sie ihre Position zur Critical Race Theory nicht überdenken sollten. Oder die ständige Verächtlichmachung von Eltern, die wünschen, dass ihre Kinder die Masken abnehmen und in die Schule zurückkehren können. Oder ihre Umarmung der radikalen Agenda, nach der sich ganz Amerika im Griff der weißen Überlegenheitsideologie befindet. Aber warum diese Überlegungen anstellen, wenn sie – auf der selben Spur wie Thomas Franks ‘Was ist los mit Kansas?‘ Millionen Wähler einfach als Trottel abschreiben können?”

Franks Buch von 2004 über den damaligen Sieg der Konservativen in Kansas widmet Ungar-Sargon einen längeren Abschnitt – denn hier findet sich der grundsätzliche Blick, den linke Amerikaner bis heute auf die Nichtlinken werfen, vor allem, wenn es sich bei den Anderen auch noch um kulturell Fremde handelt, Bewohner ländlicher Gegenden und Arbeiter ohne College-Abschluss und Zugang zu der neuen Herrschaftssprache, dem progressistischen medial-akademischen Jargon. Entweder lassen sich diese Milieus nach Franks Ansicht von den richtigen Themen der Linken überzeugen, oder sie lassen sich durch die Rechten mit falschen Themen zur falschen Wahlentscheidung verführen. Aber für politische Subjekte mit eigenständiger Urteilskraft, so Frank damals und offenbar auch sehr viele wohlmeinende Linke heute, dürfte sie niemand halten.

Daran, dass die Demokraten den großen Teil ihrer alten Wähler – the basket of deplorables (Clinton) verloren haben, spottet Ungar-Sargon, seien nach der festen Überzeugung der Demokraten nie die Demokraten schuld, „sondern diese Wähler aus der Arbeiterklasse waren zu dumm, zu leicht abzulenken von hinterhältigen konservativen Medien, die ihnen einen bombastischen Kulturkrieg um bedeutungslose Themen wie Waffen, Abtreibungen und die Sorge um die Ernährung ihrer Familien aufschwatzen.“

Genau darin bestand nämlich auch die zentrale Deutung der Virginia-Wahl aus Sicht der Linken: Viele schlechtgebildete Wähler seien auf die rechten Pseudothemen hereingefallen, die doch in Wirklichkeit nichts mit ihren wahren Interessen zu tun hätten. Vor allem die Critical Race Theory, die viele kulturkampfmüden Wähler ablehnen, so die linke Selbsthypnose-Erzählung, sei in Wirklichkeit nichts anderes als eine Fama, eine Behauptung, ein von Rechten erfundener Buhmann. Auch mit dieser Volte, die eigenen eben noch befeuerten Parolen zur Erfindungen des Gegners umzuschreiben, sobald sie auf harten Widerstand stoßen, macht sich die Autorin lustig:

“Es ist ein Manöver, das Linke im wachsenden Maß in unserem Kulturkrieg benutzen, der heißer als jemals zuvor geführt wird: Progressive verteidigten erst die Critical Race Theory, gingen dann dazu über, die Kritik an ihr rassistisch zu nennen, und einigten sich schließlich auf einen neuen Winkelzug, indem sie darauf beharren, so etwas wie Critical Race Theory hätte es nie gegeben.“

Deutsche Leser erinnert das möglicherweise an den kürzlich von den „Neuen Deutschen Medienmachern“ unternommenen Versuch, nicht nur jede Kritik an der Identitätspolitik als rassistisch zu brandmarken, sondern – mit der Verleihung des Negativpreises „Goldene Kartoffel“ an die „bürgerliche Presse“ auch zu behaupten, „Identitätspolitik“ sei ein „rechter Kampfbegriff“.

Auch deshalb ist ein Blick auf die Debatten in den USA nützlich und zugleich beruhigend: Argumentationsmuster und Frontenstellungen dort ähneln denen in Deutschland bis ins Detail. Nur mit dem Unterschied, dass sich hier noch deutlich weniger Plattformen mit Texten von der Luzidität von Sullivan und Ungar-Sargon finden.

Für die dritte und letzte Auslese-Empfehlung geht es zurück in den deutschen Sprachraum. In der Neue Zürcher Zeitung bespricht Pauline Voss den ersten ZDF-Spielfilm zum Thema Corona, „Die Welt steht still“. Statt der sonst üblichen Vergangenheitsbewältigung im historischen Dokudrama, so Voss, übe sich der Sender hier an „Gegenwartsüberwältigung“, also an der fiktionalen Deutung einer noch laufenden Krise. Eine Krankenhausärztin – selbstverständlich starke Frau und vorbildlich vom Stethoskop bis zu den Gesundheitsschuhen – führt hier den Zuschauer durch eine Art animierten Tagesthemenkommentar.

„Deutlich ist das Bemühen zu erkennen“, notiert Voss, „die Latenz der ersten Wochen authentisch darzustellen. Da dürfen weder Wuhan-Witze noch Corona-Bier-Witze fehlen, die mit einem ‚Haha‘ quittiert werden. Hartnäckig hält sich unter deutschen Drehbuchautoren die Annahme, Humor bestehe darin, die Figuren zum Lachen zu bringen und nicht die Zuschauer.“ Zu Lachen gibt es natürlich nichts, dazu ist beim ZDF jedes Thema zu ernst, und gespielt wird auch nicht, denn die Figuren, vor allem die Ärztin, muss unentwegt Themen und Mahnungen vortragen, die der Zuschauer sowieso schon aus den haltungsgestärkten Medien kennt:

„In den Fluren der Klinik lässt sie sich über die arbeitsrechtlichen Tücken des Teilzeitmodells und mangelnde Digitalisierung aus. Wie nebenbei entkräftet sie alle verschwörungstheoretischen Argumente ihres Nachbarn und hält noch schnell ein flammendes Plädoyer gegen populistische Staatschefs. Ihrem Sohn erklärt sie beim Haareschneiden das Präventionsparadox und ermahnt gleich darauf ihre Tochter, die lieber knutschen will als Kontakte reduzieren: «Liebe bedeutet auch Verantwortung.» Nicht einmal abends im Bett lässt sie von ihrem Mann ab, im Dunkeln fragt sie ihn: ‘Was wird von Corona bleiben? Solidarität und Hilfsbereitschaft oder Angst und Wut?‘“

Selbstverständlich kommt in dem ZDF-Drama auch der Gegenentwurf zu der vorbildlichen Ärztin Carolin Mellau (Natalia Wörner) vor: Ein Querdenker und Leugner namens Schwarz, der unvermeidlicherweise an Covid stirbt, vorher aber noch seine Irrtümer bereuen kann.
Pauline Voss sieht in dieser Art Prescripted Reality ein generelles Problem des öffentlich-rechtlichen Funks:

„Fiktion entsteht im deutschen öffentlichrechtlichen Fernsehen selten aus der Freude am Fabulieren. Sie wird eingesetzt, um die Realität, entsprechend den eigenen politischen Ansichten, möglichst originalgetreu abzubilden. Im Wochenrhythmus werden gesellschaftliche Problemfelder abgearbeitet: Multikulturalität, Obdachlosigkeit, psychische Krankheit und natürlich immer wieder die deutsche Geschichte. Bestenfalls kann das Thema direkt im Anschluss in einer Dokumentation oder Talkshow recycelt werden.“

Und möglicherweise findet auch die Corona-Ära irgendwann ihren Guido Knopp. Nicht auflösen kann die NZZ-Autorin die Rätselfrage, warum solche Filmproduktionen überhaupt ein Publikum finden. Können die Leute stattdessen nicht einfach ein gutes Hirschhausen-Buch lesen?
Die FAZ bespricht „Die Welt steht still“ übrigens so:

„Statt bestimmte Positionen eindeutig-vordergründig zu werten, findet der Film selbst für den größten Leugner der Tatsachen, Herrn Schwarz, noch eine bestimmte Motivation, sozusagen mit Würdeanschluss. Für Mellau freilich könnte ihr Engagement tragisch enden. Sie würde Menschen hinterlassen, die sie lieben und auf sie angewiesen sind. Das Ende bleibt offen – oder nicht? Darüber lässt sich reden. Wie über diesen Film insgesamt, über den sich aus vielen Perspektiven gut reden lässt.“

„Würdeanschluss“ – diese Wortschöpfung der FAZ-Rezensentin immerhin eignet sich fürs Archiv.

 


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19 Kommentare
  • Klaus Mueller
    17. November, 2021

    Ich las nur die Ankündigung für diesen Film mit der Wörner …und wusste: Propaganda.

    • M. Klöner
      19. November, 2021

      Fast alle TV-Filme, die sich mit aktuellen Ereignissen befassen, sind oder enthalten Propaganda. Sogar die “Tatorte” werden immer öfter zu Propagandazwecken missbraucht. Winziges Beispiel (sozusagen Product-Placement): In einer Tatort-Sendung prangte auf dem Arbeits-PC der Kommissarin ein Aufkleber: “Fck AfD” und/oder “Fck Nazis”. Da weiß man doch gleich Bescheid, wohin die Propaganda-Reise geht.
      Und wenn dann bei einem solch hochpolitischen Thema wie Corona auch noch eine Natalia Wörner (aktuelle Lebensgefährtin von Minister mult. Heiko Maas) die Hauptrolle spielen darf, kann man wohl nichts anderes erwarten als Framing und Propaganda von der ersten bis zur letzten Minute.
      Ich schaue mir allenfalls noch alte Filme an, die aus der Vor-Merkel-Zeit stammen.

      • Jochen Schmidt
        22. November, 2021

        “Natalia Wörner (aktuelle Lebensgefährtin von Minister mult. Heiko Maas)”

        Sie müssen aber bitte bedenken: Ohne Natalia kann Heiko nicht sein großes politisches Ziel durchsetzen und ein zweites Ausschwitz verhindern. Diese Aufgabe ist für einen Mann allein – einen alten weißen Mann noch dazu – einfach zu groß und schwierig. Aber mit Natalia wird Heiko es schaffen – ganz sicher! Denn hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau.

  • A. Iehsenhain
    17. November, 2021

    Eine gute Zusammenstellung, Herr Wendt! Auch der Hinweis auf den NZZ-Artikel. Beim Anblick des Fotos mit Frau Wörners gesenktem Haupt kam mir spontan in den Sinn, dass man sie besser als Darstellerin der Delta-Variante besetzt hätte. Okay – zu Weihnachten taucht dann eh wieder die Pailettenkugel-Virus-Version auf, von dem her war es von den Filmemachern wahrscheinlich vorausschauend, davon abzusehen. Frau Wörner hat auch betont, dass sie nicht mit Ungeimpften drehen würde. Vielleicht haben aber auch Geimpfte keinen Bock auf Frau Wörner. Einen nahtlosen Übergang von weniger Fiktion zu mehr realer Dokumentation zu schaffen, wurde von den Filmemachern meiner Ansicht nach auch dadurch verpasst, dass sie die Rolle des Oboisten und Ehemanns nicht mit dem naheliegendsten Darsteller besetzten: Heiko Maas!

    • Jochen Schmidt
      22. November, 2021

      “… dass man sie [Natalia Wörner] besser als Darstellerin der Delta-Variante besetzt hätte.”

      Einfach nur genial!

      • A. Iehsenhain
        22. November, 2021

        Dito! -“Aber mit Natalia wird Heiko es schaffen – ganz sicher! Denn hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau.” Zudem eine, die die Nachnamensvetterin von Raketen-Manne ist! Oder ist sie sogar mit ihm verwandt? Dann müsste sie aber Natolia Wörner heißen!

  • Clemens B. Jansson
    18. November, 2021

    “Können die Leute stattdessen nicht einfach ein gutes Hirschhausen-Buch lesen?”

    Dazu müsste der wohl erstmal eins schreiben. Also ein Gutes, meine ich.

    • alacran
      19. November, 2021

      “Können die Leute stattdessen nicht einfach ein gutes Hirschhausen-Buch lesen?”
      Der ist gut, damit könnte Hirschhausen einige Zuschauer tatsächlich erheitern!

  • Hans
    18. November, 2021

    Frau Wörner ist die Ehefrau von “außenminister” Maas. Noch Fragen?

  • Julius
    18. November, 2021

    “ein gutes Hirschhausen-Buch” – gibt’s das? Dr. med. Hirschausen, der ‘Andre Rieu der Medizin’ (frei nach Sloterdijk), erklärt mir das Klima und Gott und die Welt, ja?

  • Amdreas Thomsen
    18. November, 2021

    Zur Darstellung des Falles Rittenhouse
    in den US-Medien: im Fall des Münchener Attentäters David Ali Somboly wird gerne sein Hintergrund als christlicher, ursprünglich muslimischer iranischer Konvertit
    (werden solche Leute nicht gerne,
    wenn’s zum Narrativ passt, “als POC gelesen”?) verschwiegen, damit man seine Motivation besser als Rechten Terror verorten und seine persönliche psychische Situation ignorieren kann.

    Und in Chemnitz wurde ungern erwähnt,
    dass eine “Person of Colour” im Streit
    mit zwei “Schutzsuchenden” aus Nahost
    erstochen wurde. Man schrieb selbst dann
    noch “mutmaßlich”, als das Opfer schon tot war, und die Tatverdächtigen identifiziert waren.
    Das wichtige war, das “Narrativ” nicht beschädigen: daher die abgrundtiefe Wut auf Maaßen, der einfach seine divergierende Einschätzung der Ereignisse danach gab. Dass man das als Illoyalität gegenüber Merkel sehen konnte, und als Entlassungsgrund, erklärt noch nicht den medialen Verfolgungseifer.
    Vielmehr erinnert das schon an “two Minutes Hate” gegen “Goldstein”.
    Siehe “1984”.

  • Theophil
    18. November, 2021

    “Fiktionalisierung mit Geschmacksverlust” – eine treffende Diagnose! Verlust des physiologischen Geschmacks gilt ja als Leitsymptom der Corona-Infektion. Dazu kommt schon länger der Verlust des ästhetischen Geschmacks. Dazu gehören für mich auch die täglichen Live-Bilder aus den Intensivstationen mit verpixelten Bäuchen und Gesichtern. Gibt es keine Leiter von Intensivstationen mehr, die den öffentlich-rechtlichen Voyeuren die Tür weisen?

  • Werner Bläser
    18. November, 2021

    Ich habe vor einigen Tagen mal die italienische Zeitschriften- und Zeitungsliteratur zum Thema “Gender” durchforstet und Erstaunliches gefunden. Obwohl Gendertheorie an allen amerikanischen und mitteleuropäischen Unis, die etwas auf sich halten, als “Wissenschaft” unterrichtet wird – gibt es diese Theorie gar nicht. So jedenfalls behaupten es 9 von 10 italienischen Autoren, die ich gefunden habe. Es trifft also nicht nur die ‘Critical Race Theory’ allein.

    – Haltungsbotschaften in TV-Fiktion: Der vielschreibende Drehbuchautor Felix Huby, vor seinen Drehbuchproduktionen Journalist beim ‘Speigel’, gab in verschiedenen Interviews ganz offen zu, dass er seine politische Haltung massiv in seine TV-Ergüsse einfliessen lässt (s. z.B. ‘Planet Interview’, 21.12.08, ganz am Ende). Das sei normal, und alle würden das tun, sagt er an anderer Stelle.
    Man findet doch heute mindestens in der Hälfte der TV-Krimis und -Filme in den ÖRs die überdeutliche, geradezu penetrante “Haltung”, die gerade politisch dominiert. Interessant ist der Vergleich mit den alten DDR-Filmen, die heute wieder merkwürdig entstaubt erscheinen.

    – Warum die ubiquitären Narrative? Aus mehreren Gründen. Wenn man zu dumm oder zu faul ist, komplizierte Sachverhalte zu recherchieren, dann bietet das Narrativ als Ideologiebruchstück einen bequemen Ersatz. Man bedient einfach die vorgeurteilte Meinung, und damit geht man Problemen aus dem Weg und man kann sich so ohne Anstrengung bequem durch unsere Öffentlichkeitsgegenwart schlängeln.

    Ausserdem brauchen Menschen, die sich selbst als Intellektuelle sehen wollen, denen der Umgang mit Komplexität aber schwerfällt, so etwas wie Ideologie oder eine religiöse oder quasi-religiöse Botschaft.
    Die Ideologie ist auf geistigem Gebiet so etwas wie die schnieke Klamotte oder der teure Klunker für die Neureichen-Gattin. Ohne die lässt man sich nicht sehen, ohne Gefahr zu laufen, “out” zu sein.
    Damit verbunden ist also der wichtige Aspekt des Status. Mit Haltung und Moral lässt sich viel bequemer sozialer Respekt erreichen als mit mühsamer Arbeit.

    Der typische Laienprediger, wie er überwiegend in der amerikanischen Literatur dargestellt wird – etwa Dimmesdale in Hawthornes ‘Scarlet Letter’ – ist ein psychisch gestörter Mensch, oft ein Heuchler und Soziopath, mindestens ein Gescheiterter, der durch seine Predigerei nach Genugtuung und Anerkennung strebt (interessant hier: K. Pimple, Subtle, but remorseful hypocrte – Dimmesdale’s Moral Character, in: ‘Studies in the Novel’ 3/1993 – auf JStore lesbar).
    Schon 1689 beklagte ein Anonymus in seinem Pamphlet “A Letter from a Clergyman in the Country to a Minister in the City” das Vermischen von religiösen und politischen Botschaften – auf Google Books teilweise lesbar. Mit dieser Vermischung einher ging typischerweise ein deutlicher Anti-Intellektualismus (Film-Beispiel “Wer den Wind sät”, mit Spencer Tracy und Fredric March. Siehe auch Helen Heusner Lojak, Ministers and Their Sermons in American Literature, 1977).

    Nur wurde der Anti-Intellektualismus früher von den Universitäten bekämpft – heute geht er von ihnen aus.
    Und das ist besonders traurig.

    • Jochen Schmidt
      22. November, 2021

      Wieder viele interessante Hinweise! Ihren Punkt “Mit Haltung und Moral lässt sich viel bequemer sozialer Respekt erreichen als mit mühsamer Arbeit” finde ich sehr bedenkenswert.

  • Thomas
    19. November, 2021

    Stile und Blüten

    • *Können die Leute stattdessen nicht einfach ein gutes Hirschhausen-Buch lesen?*

    Nein, denn es gibt kein gutes Hirschhausen-Buch. Wer seinen Anspruch auf eine „Oblate“ aus der Kirchensteuer seiner Frau herleitet, der schreibt keine guten Bücher. Wir-Witze über die bösblöden Anderen, die werden an jeder Ecke feilgeboten. Das Nachdenkliche dient bei Hirschhausen als Attitüde.
    Ein gutes Buch wäre beispielsweise das politische Porträt des (laut Helmut Schmidt „Querdenkers“) Kurt Biedenkopf. Gute Bücher schreibt beispielsweise der Herr Wendt.

    • *Hartnäckig hält sich unter deutschen Drehbuchautoren die Annahme, Humor bestehe darin, die Figuren zum Lachen zu bringen und nicht die Zuschauer.* (notiert Voss)

    Linke und grüne Charaktere lieben es, über die Schrullen der Leute rechts neben sich zu lachen. Werden aber Witze über die Schrullen linker oder grüner Schrullen gemacht oder gar darüber gelacht, dann ruft linke und grüne “Gerechtigkeit” den Staat zu Hilfe, um gegen „Hass“ zu kämpfen.

    • *(…) Es handelt sich nicht um irgendwelche randständigen Leute, die falsche Gerüchte twittern. Sondern um die etablierte Presse.*

    Für das Verhalten dieser Sorte Presse gibt es ein Wort. Und dieses Wort ist nicht nett.

    • *„Würdeanschluss“ – diese Wortschöpfung der FAZ-Rezensentin immerhin eignet sich fürs Archiv.*

    Immerhin. Allerdings als warnendes Beispiel. Das Wörtchen „Würdeausschluss“ wäre nämlich gescheiter gewesen; es würde nämlich angezeigt haben, daß sich da etwas vom GG, Artikel 1, wegbewegt – und würde nicht suggerieren, da müsse jemand einer „Wir-Würde“ hinterherlaufen. Aber gut, heute muss man da leider sagen: Typisch FAZ-Logik.

  • Dr. Wolfgang+Hintze
    21. November, 2021

    Vielen Dank für die brisanten Empfehlungen, Herr Wendt.
    Noch zur Darstellung des Falles Rittenhouse in den US-Medien.
    Dieser engagierte Kommentar (https://rumble.com/vphnor-the-rittenhouse-veredict.html) von Glenn Greenwald, der den Prozess verfolgt hat und die Entscheidung der Jury gerecht findet, ist eine gnadenlose Abrechnung mit den Medien in den USA, die man sich anhören sollte.

  • Jochen Schmidt
    22. November, 2021

    “Das Wörtchen „Würdeausschluss“ wäre nämlich gescheiter gewesen; es würde nämlich angezeigt haben, daß sich da etwas vom GG, Artikel 1, wegbewegt – und würde nicht suggerieren, da müsse jemand einer „Wir-Würde“ hinterherlaufen.”

    Ich finde das einen sehr guten Punkt.

    “Das Nachdenkliche dient bei Hirschhausen als Attitüde.” Stimmt, so ist es!

  • Renz
    23. November, 2021

    Klar Dick und Doof, Max der Bruchpilot, Die Feuerzangenbowle oder Die große Liebe mit “Davon geht die Welt nicht unter ” oder auch “Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n”. Ist doch fast genau das , was wir heute brauchen.

  • pantau
    27. November, 2021

    Der Teuflische heißt ausgerechnet “Schwarz”?? Wurden dafür temporär die hochgezüchteten Rassismusdetektoren deaktiviert? Mich juckts nicht, aber das Milieu ist da doch sonst so scharfgestellt unterwegs.

    Es ist mir eine Parallele zu 1984 aufgefallen. Musste nicht auch Winston vorher abschwören? Ich glaube das war der Unterschied zwischen dem linken und rechten Faschismus: die KZ-Häftlinge wurden nicht vor ihrem Tod noch umgeschult, während nach Solschenizyn und diversen Fotodokumenten alle Häftlinge ständig fröhlich sein mussten.

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