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Er hat ‚Hochofen’ gesagt!

Die Anatomie einer Empörung

Mag sein, dass bei der SPD gerade die Kulisse zusammenkracht und selbst die Bravheit der CDU an ihr Ende kommt – trotzdem bleiben politisch und medial noch Ressourcen für andere essentielle Angelegenheiten.

„Ich habe den AfD-Fraktionsvorsitzenden Jörg Nobis vor einer Stunde bei der Polizei wegen Volksverhetzung angezeigt“, meldete der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete der Grünen Rasmus Andresen. „Solche Äußerungen müssen rechtlich und politisch mit allen Mitteln bekämpft werden und Konsequenzen haben.“ Denn „solche rechts nationalen Aussagen“ könnten nicht „unwidersprochen im Raum bleiben“.

Was hatte Nobis geäußert? Die AfD twitterte am Montag  – also noch vor dem Schulz-Schritt zum Außenamt inklusive Abgang durch die Falltür –  folgende Zeilen:

„Genau, ich bin für Neuwahlen: AfD 16 % und SPD 16 % und Mutti weg …Dann fahren wir gemeinsam den #schulzzug in den Hochofen.“

Der unbefangene Leser rätselt womöglich, was der Grünen-Politiker als volksverhetzend und rechtsnational wertet. Die Wahlprognose? Den respektlosen Terminus „Mutti“? In Andresens Mitteilung selbst jedenfalls fehlt jeder Hinweis darauf. Erst aus dem einsetzenden und medial verbreiteten Empörungschor der anderen Landtagsfraktionen schält sich das Skandalon heraus: Nobis hat „Hochofen gesagt“!  Aber selbst an dieser Stelle fragt sich der nicht hinreichend Sensibilisierte, wo das rechtsnationale Problem liegt. Hochöfen dienen bekanntlich der Roheisengewinnung und zum Einschmelzen von Stahlschrott. Der Schulzzug, eine von der SPD 2017 kreierte Metapher für den  unaufhaltsamen Siegeslauf ihres Kandidaten, ein imaginärer Zug mithin, besteht aus imaginärem Stahl, und Nobis will ihn in einen imaginären Hochofen befördern. Echte Hochöfen schmelzen nämlich keinen metaphorischen Zugschrott. Der AfD-Abgeordnete hätte also genau so gut sagen können: Dann verschrotten wir den #schulzzug.

Der Empörungspunkt von Grünen bis CDU, das versteht selbst ein grundsätzlich Verständniswilliger erst nach und nach, besteht darin, dass die Empörten eine Assoziation zwischen „Hochofen“ und Konzentrationslager herstellen. Kann es sein, dass Abgeordnete – in der Regel Leute mit Abitur – Hochöfen und Krematorien für das gleiche halten? Glauben sie wirklich, in Auschwitz hätten Hochöfen gestanden?

Aber vielleicht ist das auch egal, wenn der Empörungszug einmal rollt.

“Die provozierenden Äußerungen des AfD-Abgeordneten Jörg Nobis stellen bewusst gedankliche Verknüpfungen dar, die politisch völlig inakzeptabel sind”, findet der schleswig-holsteinische Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU).

“Das ist ein ekelhafter, volksverhetzender und menschenverachtender Tweet”, kommentierte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. “Leider kennen wir das von Herrn Nobis und seiner Rechtspartei nicht anders.” Auf Twitter ergänzte er: “Die juristische Bearbeitung des Vorgangs folgt.”

Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch wurde deutlich: “Erneut zeigt die AfD ihr wahres Gesicht und äußert sich geschmacklos und menschenverachtend”, sagte er. “Das ist absolut inakzeptabel und sollte nicht ohne Folgen bleiben.”

Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben zeigte sich zutiefst schockiert über Nobis. “Solche Wortbilder sind nicht akzeptabel.”

Merkwürdigerweise spricht keiner der erregten Politiker aus, was genau sie ekelhaft, volksverhetzend und menschenverachtend finden. Es hat den Anschein, als würden sie sich einfach darauf verlassen, dass andere  Leute auch nicht wissen, was ein Hochofen ist. Beziehungsweise, dass die Angelegenheit in der Wahrnehmung zusammenschnurrt zu: „Ein AfD-Mann hat irgendwas Empörendes gesagt.“

Bento, immer mehr das stilprägende Medium für die politische Klasse, dichtete:

„AfD-Politiker will Martin Schulz in den ‚Hochofen’ schicken.“

Die Erregungsschleife erinnert an die Meldung des vergangenen Jahres, der AfD-Redner Rainer Podeswa habe im Landtag von Baden-Württemberg eine „Hexenverbrennung“ gefordert,  „um den Klimawandel zu stoppen“.  In Wirklichkeit hatte Podeswa nichts dergleichen gesagt – was aber reichlich egal war: die politische und mediale Empörungsstafette kam gut in Gang. Hier wird der Fall übrigens kompetent seziert: uebermedien.de

Könnte es sein, dass vielleicht der eine oder andere Journalist, der eine oder andere Politiker sehr wohl weiß, wie hysterisch und quatschig die affektierte Reaktion auf solche angeblichen AfD-Tabubrüche ist, sich aber einfach nicht traut zu sagen: so ein Quatsch?

Vielleicht. Es fand sich schließlich seinerzeit auch kaum ein Journalist, der im Jahr 2016 die Meldung: „Expertin findet Nazisymbole im Edeka-Weihnachtsspot“ einfach als das bezeichnet hätte, was sie war: der Wahn der Hamburger Landesbeauftragten für politische Bildung, die sich, um es vorsichtig zu sagen, offenbar mental nicht ganz auf dem Damm befand.

Übrigens: Ralf Stegner, der den AfD-Mann Nobis wegen „Hochofen“ pflichtschuldig ekelhaft, volksverhetzend und menschenverachtend nannte, twitterte während der Jamaika-Sondierungen Ende 2017 über den Grünen Robert Habeck, der Merkel ‚Chefin’ nannte: „Jedem das Seine“.

Nun ist der Satz ziemlich alt (suum cuique), aber er stand eben auch am Lagertor des Konzentrationslagers Buchenwald. Eine allgemeine Empörungsstafette gab es in diesem Fall nicht. Was von Stegner stammt, kann schließlich in Medien und Politik keine schlimmen Assoziationen auslösen.

 

Alexander Wendt: Weitere Profile:

Kommentare anzeigen (28)

  • Endlich erkenne ich, warum die Behauptung, die AfD sei rechtsradikal und verbreite menschenverachtende Hetze, mich immer wieder ratlos macht: Ganz offenbar leben die Leute, die das behaupten, in einer ganz anderen Welt und sprechen eine ganz andere Sprache.

  • Es war im September vergangenen Jahres, als ich meine beiden Kreuzchen bei der AFD gemacht habe...jeden Tag werde ich bestätigt, dass dies richtig war!

  • Ich bin froh, dass dieser Ausspruch ("den Schulzzug in den Hochofen") vor den Richter kommt. Unserem Gerichtswesen sollte nicht die Möglichkeit genommen werden, sich mit der Bestrafung von "Hochofen" nicht zu entblöden (Krematorien in den KZs und der Hochofen haben schließlich beide was mit Feuer zu tun), wo sie doch "Nazi-Schlampe" ungestraft ließen (von wegen Comedy).

    PS: Apropos Anzeige wegen "Hochofen" als Volksverhetzung: Gibt es nicht einen Paragraphen, der unter Strafe stellt, jemanden ungerechtfertigt einer Straftat zu beschuldigen?

  • D ist hysterisch und wird immer hysterischer, ist mein Eindruck. Und: 1. Wie kann man Hochöfen mit Krematorien verwechseln? Das tue nicht einmal ich mit meinen 87 Jahren und als Person, der alles was mit Technologie zu tun hat, mindestens so fern steht, wie der
    Andromeda-Nebel von der Erde. -- 2. "Jedem das seine" nur so, also ohne jeden entsprechenden Anlaß, finde ich sehr schlimm. Ralf Stegner hätte mindestens eine deutlich spürbare Ohrfeige verdient. -- 3. Im Lauf der Jahre merkte ich, es wird stetig wichtiger, wer etwas gesagt hat und der Inhalt, der Charakter des Gesagten - richtig, stimmig, wahrscheinlich, vermutlich usw., oder unwahr, unwahrscheinlich, falsch usw.- stetig weniger wichtig. M.A. nach ein ganz falscher, u.U. gefährlicher Weg.
    lg
    Alma Ruth

  • Diesen intellektuell und mental bedürftigen Exponenten der Blockparteienlandschaft dieses
    Staates braucht man nur einen Satz ins Poesiealbum zu schreiben: Was ich selber denk und tu, das trau ich auch dem anderen zu.
    Es ist müßig und vor allem sehr ermüdend, sich fortwährend über die Äußerungen dieser geistigen Tiefflieger zu echauffieren. Mein Vater pflegte zu solchen Figuren stets zu sagen - was kann man von einem Rindvieh anderes erwarten, als sein anständiges Stück Suppenfleisch. Recht hatte der Mann.

  • Die immerwährende, hysterische "Empörungskultur" der grünen Sekte und der ganzen linken Klientel lösen inzwischen bei mir nur noch Heiterkeit aus.
    Vom EM-Fahnenverzicht über "Nafri" bis hin zu Boris Palmer (den ich wegen seiner Ehrlichkeit sehr schätze) und der es wagte seine eigene Sekte zu kritisieren.

    Aus der Neujahrstagung der FreundInnen der Grünen Akademie 2017: "Authentizität und Betroffenheit – die Grünen als Avantgardepartei des politischen Gefühls". - Hä?

    Es kann und darf doch nicht so weit kommen daß bei einem Fußballmatch ein Spieler ein Tor "schießt" und der gegnerische Trainer meint daß "von nun an zurückgeschossen würde".
    Nein, so weit darf es nicht kommen!

  • Man sollte das ewige Gefasel dieser Gender Nazis viel gelassener sehen, denn: was kümmert es eine deutsche Eiche, wenn sich ´ne Sau dran kratzt? Noch nicht mal ignorieren wäre hier die richtige Herangehensweise.

  • Danke, lieber Herr Wendt, dass Sie mir das mit dem Hochofen erklärt haben. Von allein hätte ich es nicht kapiert.
    Wir bewegen uns in rasender Eile auf einen totalitären Staat zu.

  • “Das ist ein ekelhafter, volksverhetzender und menschenverachtender Tweet”, kommentierte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner.
    Ein einziger Blick auf den Kommentator zeigt : Das ist ein ekelhafter, volksverhetzender und menschenverachtender Mensch. Das ist aber wohl schon bekannt.