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Haltung für Deutschland

In der FAZ polemisiert der Selbstvermarkter Anders Indset gegen Joshua Kimmich und dessen Impf-Entscheidung. Er diagnostiziert einen allgemeinen „Verlust des Denkens“. Außerdem in der Mischtrommel: Trump, Glücksspermien und Testikel. Der groteske und zugleich toxische Text markiert einen intellektuellen Tiefpunkt des Blattes – passt aber gut zu dessen neuem Selbstverständnis

Vermutlich gehört Joshua Kimmich zu den Menschen in Deutschland, die einen hohen Bekanntheitsgrad mit einem geringen Maß an Sozialkontakten verbinden, und zwar völlig unabhängig von Corona und seinem Impfstatus. Hochbezahlte Profispieler begeben sich schon aus branchenüblichen Vorsichtsgründen selten ins Getümmel. Sie empfangen auch nicht ständig Besuch, um mit allen möglichen Gästen eine Talkshow nachzustellen.

Kimmich könnte das allerdings tun. Bisher kündigte schon die neue Bundestagspräsidentin Bärbel Bas an, gern einmal auf einen Kaffee bei ihm vorbeizuschauen und seinen Impfstatus im Speziellen und seine Verantwortung für die Impfkampagne und überhaupt für Deutschland zu erörtern. Angela Merkel meldete sich, auch eine Angehörige des Ethikrates, die ihm per Interview bescheinigte, er sei als Nichtgeimpfter „ganz schlecht beraten“, was vermutlich nicht heißt, dass sie ihn nicht auch noch einmal gern vis à vis ethisch beraten würde. Außerdem beschäftigten sich fünf Dutzend Journalisten – ganz früher sagte man: ein Schock – mit der Kimmichfrage, von deren endgültiger Lösung in Deutschland offenbar sehr viel abhängt. Und auch diese Medienschaffenden würden sich selbstredend gern mit dem Spieler treffen, um ihm ins Gewissen zu plaudern.

In diesen Pulk reiht sich nun auch ein Mann mit der ungeschützten Berufsbezeichnung Philosoph ein, und das nicht irgendwo, sondern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. Oktober, nicht unter der Rubrik Leserbriefe, sondern auf fast einer ganzen Seite. Die Redaktion in der Hellerhofstraße musste sich etwas dabei gedacht haben, als sie Anders Indset ein paar tausend Anschläge zuteilte, um aus Joshua Kimmichs Nichtgeimpftsein den allgemeinen „Verlust des Denkens“ herzuleiten. Mit Indsets Text, um das gleich zu sagen, erreicht die FAZ einen Punkt, den noch vor kurzem niemand für möglich gehalten hätte, auch der toxischste Kritiker der ‘Zeitung für Deutschland‘ nicht.

Indset, gebürtiger Norweger, der in Deutschland lebt, bezeichnet sich als Wirtschaftsphilosoph, er betreut eine Kolumne im Handelsblatt, tritt auf allerlei Kongressbühnen mit umgeschnalltem Headset und luziden Thesen vor das Publikum, etwa „die einzige Konstante, die wir haben, ist Wandel“ und „Frauen sind eine Wirkkraft des Wandels“, und schreibt Bücher, unter anderem über sein persönliches Verständnis von Quantenphysik. Dazu später mehr.

Sein, wie er vermutlich sagen würde, unique selling point als Autor besteht darin, dass er genau so schreibt, wie er als Kongressphilosoph in sein Mikrofon spricht. Dass jemand keine drei halbwegs konzisen Sätze zu Papier bringen und mit Begriffen nicht pfleglich umgehen kann, galt noch vor kurzem in der FAZ als ernsthafter Einwand, wenn es darum ging, einen Autor zu akquirieren. Jetzt offenbar nicht mehr.
Gleich zu Beginn macht Autor Indset dem Leser deutlich, was er von seinem Text nicht erwarten kann. „Bei der überhitzten Impfdebatte geht es nicht um Meinungen, Rechte und individuelle Freiheit“, schreibt er. Sondern? „Es geht um Haltung.“

Wenn jemand Rechte und individuelle Freiheit von vorn herein weglässt, also genau die Themenbereiche, wegen der überhaupt so heftig über Kimmichs Entscheidung gestritten wird, dann argumentiert es sich selbstredend gleich mit leichterem Gepäck. Deutschland, so lautet Indsets Diagnose, sei eigentlich das Land der klassischen Aufklärung, und die falsche Haltung des Fußballspielers kommt aus Übersee: „Aber irgendwann gab es einen Punkt, an dem die Trump’sche Populisten-Show der Desinformation auch das Land der Dichter und Denker erreichte. Fast ein Drittel der Bevölkerung weigert sich, sich impfen zu lassen […] Deutschland, wir müssen reden! Ein Land zwischen Solidarität und Vernunft einerseits und Spaltung und Populismus andererseits. Das Denken ist infiziert“

Womit das Denken im Land zwischen Solidarität und Spaltung infiziert ist, um wessen Denken es sich handelt, und welche Weiterungen er zwischen Trump und Kimmich sieht, erörtert der Philosoph der FAZ nicht weiter. Seine Methode besteht überhaupt darin, jeden Faden, den er kurz anhebt, sofort wieder fallenzulassen. Immerhin belegt sein Aufsatz, dass tatsächlich Ende 2021 jemand den Satz ‘Deutschland, wir müssen reden!‘ ernsthaft benutzt, der schon in Heiko Maas‘ Bekenntnisbuch „Aufstehen statt Wegducken“ von 2017 wie eine Parodie wirkte.

Mit Deutschland redet Indset nun im Folgenden so:
„‘Mir sind alle anderen Menschen auf diesem Planeten egal. Ich lebe hier in Wohlstand und möchte mein Leben möglichst für mich genießen und die Vorzüge, wo es geht, mitnehmen – ich bin Egoist‘ – eine solche Haltung werde ich immer respektieren. Ich finde sie in dieser Form nicht in Ordnung, aber ich respektiere sie“.

Nun dürfte es kaum einen Menschen geben, der so redet, dem also tatsächlich alle anderen Menschen auf dem Planeten egal sind. Wir erfahren nicht, für wen die Strohpuppe stellvertretend spricht, die der Autor auf die Bühne zottelt, dafür aber, dass er diese Ansicht respektiert, auch wenn er sie in dieser Form – als würde es da auf die Form ankommen – nicht gut findet. Wenn ihn Meinungen und individuelle Freiheiten nach eigenem Bekunden nicht interessieren, ihm aber andererseits auch der vulgärste Egoismus akzeptabel erscheint, den so nicht einmal Donald Trump vertreten würde, dann steigt beim Leser an diesem Punkt die Spannung trotz der dahinstolpernden Darlegung doch ein bisschen: Was wohl wird unser Philosoph Kimmich unter diesen Umständen vorwerfen?
„Schwieriger wird es“, meint Indset, „wenn sich eine einflussreiche Persönlichkeit wie der deutsche Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich vor die laufende Kamera stellt und sich zu erklären versucht. Es gehe ihm um mangelnde Langzeitstudien. Er sei skeptisch. Was meinst du aber wirklich, Joshua Kimmich? Was bedeuten für dich Langzeitstudien?“

Vermutlich meint Kimmich wirklich, dass keine Studien zur langfristigen Wirkung der auf mRNA-Technik beruhenden Impfstoffe gegen Covid vorliegen und vorliegen können, weil diese Vakzine erst seit kurzem auf dem Markt sind. Darüber, was unter ‘Langzeitstudie‘ zu verstehen ist, existiert ein ziemlich einheitliches Meinungsbild: Mehrere Jahre sollte die Untersuchung schon umfassen. Es gibt gute Gründe dafür, warum die Einführung neuer Impfstoffe unter normalen Umständen drei bis fünf Jahre dauert.

Im Fall der innerhalb eines Jahres entwickelten Impfstoffe gegen Covid entschieden sich Regierungen und Behörden weltweit, den Vakzinen eine Eilzulassung zu erteilen, und sie fällten diese Entscheidung nicht, weil es nichts zu prüfen gegeben hätte, sondern weil sie die Risiken in Abwägung mit den Pandemiefolgen für vertretbar hielten. Die Unsicherheit über die längerfristige Wirkung von mRNA-Material in Körperzellen und auch über die kurzfristigen unerwünschten Wirkungen lässt sich im Vergleich zu jahrzehntelang erprobten Vakzinen etwa gegen Polio und Pocken nicht beseitigen. Genau das macht den Kern der Corona-Impfdebatte aus und den immer wieder bemühten Vergleich zur Pockenimpfung so schief. Und aus diesem Grund kommt niemand daran vorbei, die Risiken für sich abzuwägen.
In der so genannten ‘Kimmich-Debatte‘ erklärten bis jetzt etliche Mediziner zum Thema der Langzeitprobleme, die Impfschäden, die es durchaus gebe, würden sich bei den BioNTech-, Astrazeneca- und anderen Vakzinen immer sehr schnell zeigen. Das stimmt für die bekannten Impfschäden, beantwortet aber die Frage nach längerfristigen Schäden leider nicht. Es macht möglicherweise auch eine Reihe von Menschen unruhig, wenn Experten eine Antwort geben, die mit der Frage wenig zu tun hat.

Um zu dem ohne ersichtlichen Grund von Indset mit ‘Du‘ angekumpelten Kimmich und dem FAZ-Autor selbst zurückzukommen: Trotz seiner behaupteten Intimität mit dem Subjekt scheint der Philosoph wenig vom Ursprung der Debatte mitbekommen zu haben. Anders als er mit seiner Wendung „vor laufender Kamera“ suggeriert – vor ausgeschalteter Kamera erklären sich ja sowieso nur die wenigsten – drängte Kimmich mit der Information über seinen Impfstatus nicht von sich aus in die Öffentlichkeit. Er wurde von einem Journalisten gefragt, und antwortete. Anderenfalls wüsste auch heute niemand darüber Bescheid, welche Entscheidung der Fußballer für sich und seinen Körper getroffen hat.
Joshua Kimmich erklärte, er wolle sich wegen der bisher bekannten Risiken (Gefahr der Herzmuskelentzündung vor allem bei jüngeren Männern) und wegen der fehlenden Erkenntnisse über Langzeitwirkungen nicht mit einem Vakzin auf mRNA-Basis impfen lassen, in dem die Boten-RNA die Immunantwort der Zelle auslöst, sondern lieber mit einem so genannten Totimpfstoff, bei dem die Immunisierung nicht mit aktivem, sondern abgetötetem Material erfolgt. Diese Impfstoffe nutzen eine bisher schon oft erprobte Immunisierungsmethode; sie bieten auch keine hundertprozentige Sicherheit (das trifft auf jeden Impfstoff und jedes Medikament zu), gelten aber auch nicht als schlechter als die aktuell angebotenen Immunisierungsmittel. Aller Voraussicht nach werden diese Totimpfstoffe ab Frühjahr 2022 zur Verfügung stehen.
Kimmich sagt also: In Abwägung aller Risiken entscheide ich mich gegen die eine Impfstoffsorte und für eine andere, die demnächst zum Einsatz kommt. Er entschied das ausschließlich für sich selbst, er agitiert nicht gegen die Impfung an sich und erklärt nicht, dass andere seinem Beispiel folgen sollten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass er als gesunder, regelmäßig getesteter Sportler mit wenig Außenkontakt gefährlich an Covid erkrankt, liegt nach der vorliegenden Statistik praktisch bei Null. Die Wahrscheinlichkeit, dass er als regelmäßig getesteter Spieler andere ansteckt – und zwar unabhängig davon, ob er geimpft ist oder nicht – bewegt sich in einem ähnlichen Bereich. Sein Risiko, an einer Herzmuskelentzündung oder einem anderen hartnäckigen Problem zu erkranken, dürfte zwar auch niedrig liegen, aber vielleicht etwas höher als Risiko eins und zwei. Eine chronische Erkrankung könnte seine Sportlerkarriere beenden.

Die Zahl der bisher aufgetretenen Impfschäden ist auch nicht gering: Das Paul-Ehrlich-Institut listet für Deutschland bisher etwa 1800 Todesfälle im Zusammenhang mit Impfungen gegen Corona auf. Auf die Gesamtzahl der verabreichten Dosen gerechnet ist das ein kleiner Prozentsatz. Aber eine Grundregel der Statistik lautet nun einmal: Für den Einzelfall sagt die Statistik nichts. Um eine Abwägung für genau diesen eigenen Einzelfall kommt niemand herum. (Der Autor dieses Textes ist geimpft, auch das war natürlich eine Abwägung). Kimmichs Entscheidung lässt sich also rational ziemlich gut begründen. Es handelt sich, wie gesagt, um das Hantieren mit Wahrscheinlichkeiten. Das kann nur jeder für sich tun. Er versucht auch gar nicht, siehe oben, seinen Fall für exemplarisch zu erklären.
Was macht unser Philosoph daraus?

„Dass auch Joshua Kimmich Angst vor einem Ausfall hat“, bemerkt Indset,„davor, nicht seiner Passion und Arbeit nachgehen […] zu können, ist total nachvollziehbar. So geht es den Menschen aber auch auf anderen, weniger gut bezahlten Ebenen.“

Und weil andere sich also genau die gleichen Gedanken über mögliche Impffolgen machen, soll Kimmich nicht darüber nachdenken und sich zumindest anders entscheiden, als er sich entschieden hat? Und was soll der Hinweis auf die Bezahlung? Soll ein Profisportler, bei dem der Verdienstausfall bei einem Impfschaden besonders hoch wäre, gerade deshalb seine Bedenken beseiteschieben? Die aufgehobenen und gleich wieder fallengelassenen Gedankenfäden ergeben schon nach etwa einem Drittel seines Textes ein beträchtliches Knäuel. Dazu gehört auch die Passage, in der Indset schon die Frage nach langfristigen Impffolgen empörend findet:

„Wir leben in einer dekadenten Gesellschaft. Sind wir normalen Bürger nicht überheblich und arrogant, wenn wir meinen, all die Arbeiten zur Virologie und Epidemologie ohne jegliches fundiertes Wissen zu hinterfragen?“

Indset übersieht entweder mutwillig oder aus intellektueller Unschärfe, dass sich die Normalbürger beim Thema der Langzeitfolgen gar nicht auf einer anderen Ebene bewegen als die besten Experten: Beide wissen nichts darüber, und zwar schlicht und einfach deshalb, weil die dafür nötige Zeit noch nicht vergangen ist. Gleichzeitig ignoriert er das, was er schon wissen könnte, weil Virologen und Impfstoffhersteller darauf hinweisen: Die Vakzine gegen Covid erzeugen keine so genannte sterile Immunität; Geimpfte können also auch immer Träger des Virus sein und andere anstecken. Eine Impfung dient also – vom Problem der Impfdurchbrüche einmal abgesehen – überwiegend dem Eigen- und nicht dem Fremdschutz.

Durch Indsets gesamten Text zieht sich die Unterstellung, eine Impfung gegen Corona sei ein nicht näher begründeter Dienst an der „Gemeinschaft“. Über sich schreibt Indset, er habe eine symptomlose Coronainfektion durchgemacht, er sei also als Genesener immunisiert, habe sich aber trotzdem impfen lassen. Auch das ist selbstredend seine freie Entscheidung, auch wenn nicht ganz klar wird, welche Verbesserung er sich für seine Immunisierung davon erhofft. Aber darum geht es ihm offenbar auch gar nicht:

„Stünde die Menschheit auf der Kante einer Klippe und es müsste schnell eine Brücke von den besten Brückenbauingenieuren gebaut werden, damit das menschliche Zusammenleben weitergeht, wäre ich der erste, der über die Brücke laufen würde – für ein funktionierendes Miteinander, für uns.“

Im Nebeltrüben bleibt, warum Indset unbedingt als erster über seine selbstgebastelte metaphorische Brücke rennen möchte. Weil er schnellstmöglich auf die gegenüberliegende Klippe will? Oder nimmt er an, dass die Brücke nur dann trägt und das Miteinander weitegeht, wenn er, Indset, sie als erster betritt und erst dann der ganze Menschheitsrest? Und das Bild von der Menschheit auf der Kippe beziehungsweise Klippe – soll das ernsthaft für Corona stehen, eine zweifellos ernstzunehmende Erkrankung, aber eine von sehr vielen, mit denen sich die Menschheit seit eh und je herumschlagen muss, und vor allem eine mit einer gottseidank selbst ohne Impfung so geringen Sterberate, dass es in den meisten betroffenen Ländern keine Übersterblichkeit gibt?

Neben dem Wirrwar, das Indset anrichtet, wirkt selbst der berühmte Hempelsche Sofauntergrund wie ein frischgeharkter Zengarten. Es ist Zeit, die Loriot-Frage zu stellen:
„Was haben wir bisher im Protokoll?“ Folgendes:
1. Philosoph Anders Indset muss mit Deutschland reden.
2. Er findet selbst den krudesten Egoismus eines hypothetischen Menschen, dem alle anderen egal sind, akzeptabel.
3. Wenn aber ein Fußballspieler für sich in einer ganz privaten Abwägung entscheidet, nicht mit der aktuellen Impfstoffsorte, sondern lieber mit einer demnächst verfügbaren anderen Sorte gegen Covid immunisiert zu werden, dann platzt Anders Indset endgültig der Kragen seiner Philosophentoga, wenn er auch nicht recht begründen kann, wieso.

Über eine Menschheitsbrücke musste der Leser bisher mit Indset gehen, sieben und mehr dunkle Absätze überstehen, aber langsam dämmert auch dem Autor selbst, dass er, wenn er schon nicht über schärfere Gedanken verfügt, wenigstens einen krawalligeren Stoff bieten muss. Schließlich verspricht er schon in der Überschrift, irgendwie von Kimmich auf den ganz grundsätzlichen Verlust des Denkens nebst Denkinfektion zu kommen. Und jetzt, zur Hälfte seines Aufsatzes, ist diese Mähre für den Ritt noch nicht einmal richtig gesattelt.

Also schreibt er ohne Überleitung – denn auf Überleitungen verzichtet er generell, darin besteht sein individueller Stil:
„Pockenvirus, Tetanus, Polio. Neben Antibiotika sind Impfungen die wohl erfolgreichsten Entwicklungen der modernen Medizin. Aber das möchte der Aufklärer Kimmich infrage stellen.“

Weiter oben ist Kimmichs Position schon kurz skizziert, trotzdem hier noch einmal zur Verdeutlichung: Weder spricht er sich gegen das Impfen aus, noch verallgemeinert er irgendetwas aus seinen Überlegungen. Zur Pocken, Tetanus- und Polioimpfung äußert er sich mit keiner Silbe. Das tut höchstens ein imaginärer Kimmich, der allerdings nur in Indsets Kopf haust und nirgendwo sonst. Die Frage drängt sich geradezu auf, was Indset, der mit einer derart aus der Luft gegriffenen Verleumdung über jemanden herfällt, eigentlich gegen Donald Trump hat, den er für den größten Zampano der Desinformation hält.

Aber es geht noch weiter im gleichen Sermon.
„Wir sind Mit-Menschen und keine Individuen, die sich entkoppeln. Beim FC Bayern nicht “ – Achtung, jetzt kommt das große Andere neben dem FCB – „und auch nicht als Teil des organisierten menschlichen Lebens. Denn, lieber Joshua, ich bin, weil du bist.“

An dieser Stelle fehlt eigentlich nur noch: „Josh, du bist mein Vater“. Warum Anders Indset nur ist, weil Kimmich auch ist, bleibt leider unerörtert. Aber immerhin bietet der Satz einen Hinweis darauf, warum sich der FAZ-Autor so viele Gedankensurrogate um das Wohlergehen des Fußballers macht.

Schon Indsets frühere Schriften kreisen um die Annahme, dass alles mit allem zusammenhängt, wenn auch nicht gerade innerhalb eines Indset-Textes. Ist die Hoffnung auf irgendeine Folgerichtigkeit ruiniert, monologisiert es sich ganz ungeniert, nämlich so:

„Ich bin Egoist, holt mich hier raus! Es ist eine kosmologische Lotterie, dass wir überhaupt geboren sind, aber dass wir auch noch das zweite Los zogen, dass wir ein Teil der Glücksspermien-Gesellschaft sind und hier in Europa geboren sind, das ist ein Geschenk. Wir sollten dankbar sein.“

Herschel von Ostropol, der jüdische Eulenspiegel, bemerkte einmal, das beste sei es natürlich, gar nicht erst geboren zu werden, aber so viel Massel hätte höchstens einer unter zehntausend. Von Herschel unterscheidet sich Indset dadurch, dass seine Komik unfreiwillig den Text durchwirkt, was ihn aber trotzdem nur mäßig unterhaltsam macht.
In einer weiteren Passage erklärt unser Glückskeks- und Spermiengesellschaftsphilosoph, in „social media“ würde ganz zu unrecht behauptet, Kimmich sei „einer mit Eiern“, und kommt von dort auf die geschwollenen Testikel irgendeines Mannes, die als angebliche oder tatsächliche Impffolgen im Netz zitiert worden seien – über die Details dieser zusammengequirlten Assoziation breitet der Autor dieses Textes den Mantel der Nächstenliebe.

In seiner Rezension des Indset-Buchs „Quantenwirtschaft“ schrieb der Schweizer Philosoph und Physiker Lars Jaeger, er habe das Werk im ersten Moment für eine Parodie gehalten. Allein, dafür fehlt eben die gerade für Parodien unerlässliche Konsistenz. Indset meint es ernst, ob in der FAZ oder in seinen sonstigen Betrachtungen. Jaegers Zusammenfassung zu „Quantenwirtschaft“ lautet:

„Dem unbedarften Leser wird umfassend falsches Wissen vermittelt, es werden Zusammenhänge suggeriert, die nicht existieren, und Fakten verkauft, die keine sind.“

Der Rezensent steuert auch die Beobachtung bei, dass Indset offenbar aus dem Umstand, dass die Quantenphysik oft für den menschlichen Erfahrungsbereich bizarr wirkende Botschaften bereithält, für sich die Schlussfolgerung zieht, alles, was ausreichend bizarr klingt, müsste deshalb mit Quantenphysik zu tun haben.

Oben hieß es, Indset schreibe offenbar, wie er redet. Das ist nicht ganz präzise. Genaugenommen schreibt er so, wie ein grundsätzlich intellektuell nicht ganz aufgeräumter Tresensteher jemanden nach dem fünften Bier von der Seite ankommuniziert, in diesem Fall Joshua Kimmich. Die Praxis, ihn erst völlig grund- und sinnlos als Menschenfeind zu beschuldigen und dann ein paar Absätze weiter wieder ans Ich-bin-weil-du-bist-Bruderherz zu drücken, das Ganze gemischt mit schweifendem Herumräsonieren zu Trump, Egoismus, Eiern und Menschheit, unterlegt mit ungebetenem Duzen – Suaden dieser Sorte kennt jeder, der als Party- oder Kneipengast nachts um zwei auf das Taxi wartet und den Philosophen neben sich nicht mehr in seinem Lauf stören möchte.
Die Frage lautet also nicht, wie eine Betrachtung wie die von Indset entsteht. Sondern, wie sie in die FAZ kommt. Irgendein Kopf steckt ja immer dahinter. Die Frankfurter Allgemeine war einmal das Blatt von Karl Heinz Bohrer, Joachim Fest, Frank Schirrmacher. Unter jedem der Genannten wäre ein Beitrag von Indsets Sorte wahrscheinlich noch nicht einmal in der Leserbriefspalte erschienen. Schämt sich das Herausgebergremium eigentlich ein bisschen? Ein Berthold Kohler, ein Jürgen Kaube verfügt ja über das Besteck, um die Brauchbarkeit von Texten zu überprüfen. Sie wissen also, was von Indsets Melange aus Faktenwirrheit, Stilblüten, falscher Anklage und Kumbaya-Mitmenschheitskisch zu halten ist.

Ganz zu Ende ist das philosophische Solo noch nicht. Schließlich soll es ja irgendwie darum gehen, den Verlust des Denkens bei anderen festzustellen. Und dazu muss das Krokodil, also Trump noch einmal auf Indsets Bühne.

„Irgendwo hat Europa, vor allem Österreich, die Schweiz, auch Deutschland die Basis der Aufklärung verloren: Vernunft, Wissenschaft und Humanismus“. Hier macht wirklich einer Tabula rasa. „Möglicherweise waren die Jahre mit Trump ein verstärkender Faktor einer bereits infizierten, fragilen Gesellschaft, die das Denken an sich verloren hat.“
Warum Trumps Geist sich nach Indsets Meinung vor allem in den deutschsprachigen Ländern per transatlantischer Fernwirkung so zerstörerisch austobte, bleibt wie das allermeiste in der Abhandlung unerklärt. Dafür kristallisiert sich hier die Ansicht Indsets heraus, das Denken an sich sei sowieso schon verloren. Was ist dann eigentlich infiziert?
Und vor allem, da es rings um ihn sowieso kein Denken, sogar kein Denken an sich mehr gibt: An wen und was appelliert er dann mit seinem Kimmich-Aufsatz?

Die Wendung, die gesamte Gesellschaft sei krank, infiziert, dekadent, und müsste durch mehr Wir, mehr Gemeinschaft und die moralische Stigmatisierung falscher Meinungen wieder auf den richtigen Kurs gebracht werden, diese Formel taucht in wechselnden Verkleidungen seit mehr als hundert Jahren entweder sehr weit recht oder links im autoritären Denken auf. Egal in welcher Variante – illiberal war sie immer. Indsets Beitrag in der FAZ zählt, was das Genre angeht, zur Banalität des Blöden. Er wird aber durch seinen Erscheinungsort auch zu einem prominent platzierten Aufruf, mehr Illiberalität zu wagen.
Und er passt zwar nicht zur langen Blatttradition, aber mit seiner Eingangsfeststellung, es ginge hier um Haltung und sonst gar nichts, erstaunlich gut zu der neuen Kampagne der FAZ, in der eine Modell-Leserin genau das verlangt: Haltung – die ihr offenbar mehr wert ist als ein Wissensstand.

‘Haltung für Deutschland’ wäre ein passender neuer Slogan für die Erschließung dieser vermuteten Leserschichten. Dass diese Art Haltung immer mehr Leuten offenbar als eine Art Exoskelett dient, mit dem sie sich durch die offensichtlichen Widersprüche der staatlichen Corona- , Klima- und Migrationspolitik bewegen, wäre noch einmal ein eigenes Thema.

Ganz banal ist Anders Indsets Text insofern nicht, als er ganz am Ende noch eine Passage enthält, in der – anders als in Kimmichs Impfentscheidung – eine ganz handfeste Bösartigkeit, ja Giftigkeit für andere steckt.
„Bist du ein Mit-Mensch?“, fragt der Philosoph dort, und gibt die Anweisung: „Dann gehst du auch zum Impfen. Und zwar so schnell wie möglich. Vergessen wir Tests und Genesenen-Status. Damit erhöhen wir nur Kosten und Risiken.“

Möglicherweise kommen ja viele Leser gar nicht so weit, vielleicht selbst in der FAZ-Redaktion nicht. Aber die Aufforderung, Tests zu „vergessen“ weil sie angeblich nur Risiken erhöhen – das ist, um einmal das Gremliza-Wort zu bemühen, von geradezu krimineller Dummheit. Denn dieser Rat kostet wirklich Leben, wo er befolgt wird.

Vor wenigen Tagen twitterte Anne Will ihr Entsetzen über eine große Zahl von Erkrankten in einem Pflegeheim in die Runde, verbunden mit der Feststellung, ein Teil des Personals sei dort nicht geimpft gewesen. Dabei liegt der Skandal nicht darin – sondern in der Tatsache, dass in dem Heim offensichtlich wie schon im vergangenen Jahr die Mitarbeiter nicht getestet wurden. Auch Geimpfte können andere infizieren – diese Botschaft geht unter in dem Getrommel, an der Impfquote entscheide sich angeblich alles.

Die gut 30 Leute aus der Reisegruppe der Chaîne des Rôtisseurs, die sich gerade auf Sylt infiziert hatten – der Fall ging durch die Medien – waren alle entweder geimpft oder genesen. Auch eine hundertprozentig doppelgeimpfte und sogar geboosterte Belegschaft eines Altersheims kann das Virus weitergeben, und auch geimpfte Senioren anstecken. Das einzige, was hier die Sicherheit wirklich erhöhen kann, ist das Testen.
Die frühere Vorsitzende des Ethikrates, die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen, bezeichnet die Beschränkung der Tests als eine der größten Dummheiten in der mäandernden deutschen Coronabekämpfung. Ganz allmählich setzt sich diese Erkenntnis sogar bei ersten Politikern durch.

Sage niemand, ein grotesker Text wie der von Indset könnte gar keinen realen Schaden anrichten. Er trägt sein kleines Quentchen zum Klima der Irrationalität bei, zu dem es gehört, dass auch im Spätherbst 2021 trotz aller Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr nicht ausreichend getestet wird, um Alte und Pflegebedürftige zu schützen – während die einzige Bevölkerungsgruppe, in der es praktisch keine lebensgefährlichen Corona-Erkrankungen gibt, sich regelmäßig Virentests unterziehen muss, nämlich Schulkinder. Würde darüber in der Medienöffentlichkeit mit der gleichen Energie diskutiert, mit der sich Journalisten obsessiv an der Entscheidung eines Fußballers festbeißen, die sich nur auf ihn und niemanden sonst auswirkt, dann gäbe es vermutlich weniger Corona-Tote.

Indsets Aufsatz über Haltung, infiziertes Denken und Kimmich in der FAZ gehört zum Abwrackungsprogramm, das die Redaktionsführung aus irgendwelchen Gründen für ihr Blatt beschlossen hat. Das schadet allerdings nur der Zeitung selbst.
Aber sein Text macht auch die Welt um die Hellerhofstraße herum ein bisschen schlechter.

 

 

 

 


Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.


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Alexander Wendt: Weitere Profile:

Kommentare anzeigen (39)

  • Danke, Herr Wendt, für diesen gekonnten Beitrag.
    Ich hätte als früherer Abonnent nicht gedacht, dass das Blatt einmal auf so unterirdisches Niveau sinken könnte.

  • Anders Indset predigt hetzerisch. Sein Werkzeug ist der undiszipliniert autistische Denkstil. Er glaubt, von der höheren Warte der "Wissenschaft" aus belehren zu können. Sein Spiegelstrich-Stakkato steht für fehlende gedankliche Ordnung, inhaltlich hat er sich mit diesem Text in bester Absicht als Haltungsaktivist offenbart und eine blamable Bauchlandung vollführt. Der Essay von Alexander Wendt ist weit mehr als die zwangsläufig ätzende Rezension: Es ist der Versuch, den Überflieger zur Faktenbasis zurückzuholen und den Schaden, den Indset mit seiner plumpen Desinformation und seiner pseudomoralischen Herablassung verursacht, abzuwenden. Und wie immer: Wendt steht im Stoff und kann nachvollziehbar beweisen, dass der polternde Naturphilosoph mit dem Wikinger-Habitus seine politisch korrekte Haltung mit Wissen verwechselt. "Das infizierte Denken", so der Titel von Indsets aktuellem Bestseller(???), ist möglicherweise eine ganz große Projektion!

  • Ein sehr treffsicherer Artikel. Aber der Mann ist es nicht wert, dass Sie Ihren Hirnschmalz für ihn verbraten, verehrter Herr Wendt. Der „Verlust des Denkens“ ist tatsächlich zu beklagen, da stimme ich Herrn Indset zu, sein Text ist der beste Beweis. Zu meinem Erstaunen habe ich von einem Studenten gehört, dass man Wirtschaftsphilosophie tatsächlich studieren kann. Oh mein Gott, da ist mir jeder bodenständige, vernunftbegabte Handwerker tausendmal lieber. Ich bin gespannt, wann sich Herr Indset mit der Vorbildfunktion von hoch bezahlten Politikern beschäftigt, die mit dem Privatjet zum Klimagipfel düsen. Die Vernunft hat derzeit keine Konjunktur. Deshalb diskutiere ich nicht mehr. Erst gestern belehrte mich eine Bekannte darüber, dass Impfen das Einzige sei, mit dem man Corona besiegen kann. Eine steile These angesichts der dritten Impfwelle. Hoffnungslos.

    • Ich bin anderer Meinung: Wer so wie Wendt schreibt, darf sich jeden vornehmen. Die Leser haben immer einen Gewinn. Einfach köstlich. Und natürlich stehen Indset und die FAZ nur als Beispiel für die allgemeine haltungsjournalistische Totalverblödung, mit der die Auseinandersetzung für jeden vernunftbegabten Menschen in diesem Land notwendig und leider unvermeidlich ist. Mit Wendt macht diese aufgezwungene Mühe aber richtig Spaß. Danke dafür, Spende folgt.

  • Sehr geehrter Herr Wendt,

    die Lektüre Ihrer Rezension des FAZ-Artikels von Anders Indset war als Dessert meines Sonntagsfrühstücks ein wahrhaftiger Genuss, der leider nur dadurch geschmälert worden ist, dass einem am Beispiel der lange Jahre lang renommierten FAZ bewusst gemacht wird, in welchem Maße die Redaktionen und Autorenkreise der meisten Medien in Deutschland von "woken" Menschen infiltriert sind. Der Vernunft befreite missionierende, mitunter gezielt indoktrinierende Haltungsjournalismus erinnert fatal an rechts- und linksextreme staatliche Vergangenheit auf deutschem Boden. Es bleibt nur die Hoffnung, dass einige der Medienschaffenden irgendwann zur Ratio zurückkehren und erkennen, dass ein Gemeinwesen auf Dauer nur dann stabil bleiben kann, wenn es Meinungspluralität nicht nur respektiert, sondern sie sich auch ohne staatliche oder gesellschaftliche Stigmatisierung ausleben lässt.

  • Aus irgendwelchen Gründen entstand beim Lesen des Artikels in meinem mitunter etwas seltsam verdrahteten Gehirn die folgende Scherzfrage: Wie nennt man "spontanious combustion" im Fall Anders Indset? Schleimbeutelentzündung.

  • Gewohnt großartig! Herr Wendt braucht sich jedenfalls keine Sorgen zu machen, dass ihm die Themen ausgehen könnten. Die Konjunkturaussichten für ihn sind glänzend. Und selbst wirklich jedes traditionsreiche, einst angesehene und vernünftige Presseerzeugnis dieses Landes ist mit vollen Kräften bemüht, ihm dafür Futter zu liefern. Dafür sollten wir Wendt-Leser auch der FAZ dankbar sein.
    Indsets Text zeigt doch zumindest überzeugend, dass das Denken in der FAZ-Zentrale infiziert oder ganz verlustig gegangen ist. Und ohne das Kimmich-Theater hätte Indset dort vielleicht nicht so einfach einen Text platzieren können - Indset ist, weil Kimmich ist. Insofern will ich nicht ausschließen, dass Indset hier den norwegischen Eulenspiegel gibt. Aber das wäre wohl zuviel der Coolness.

  • Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten, da ein Fußballspieler klüger ist als ein Philosoph.

    • Kimmich kann ein 1,7-Abitur vorweisen. Indset hat laut web-Enzyklopädie einen US-highschool-Abschluss und ist wohl primär als Ex-Handballer mit Showtalent und Geschäftssinn zu beschreiben. Insofern ist ein Vergleich der beiden Figuren ganz interessant. (Zu Prechts Abi-Note schweigt das Internet...) Mindestens so sehr wie um (Lebens-)Klugheit geht es hier wohl besonders um Mut und Anstand. Dabei sind die Kräfteverhältnisse zwischen Fußballern und Philosophen vermutlich ausgeglichen. Ganz abgesehen davon, dass es auch Fußball spielende Philosophen und philosophierende Fußballer gibt ...

    • Ja, wenn's nur das wäre, lieber Gottlieb, die Zeiten könnten wunderbar sportlich und philosophisch erhellend sein!

  • Danke für diese amüsante Analyse. Ein gewissermaßen programmatischer Laller konstatiert den „Verlust des Denkens“, das muss man vor seinem geistigen Auge vorbeidefilieren lassen. Was Lars Jaeger zu den Auslassungen von Herrn A.I. zur Quantenphysik schreibt, trifft nach meiner Beobachtung generell auf die Esoterik zu: „Wir verstehen A nicht, wir verstehen B nicht, also müssen A und B zusammenhängen“. Das ist weder der modus ponens noch der modus tollens, es ist der modus demens. Zur abgebildeten Rollkragistin und ihrem zusätzlichen Bedürfnis nach „Haltung“ ist noch zu bemerken, dass „Haltung“ zum Feind des Wissens zu mutieren pflegt, indem sie den Erwerb dessen, was dann als „Wissensstand“ gilt, präformiert. Offenbar möchte die Rollkragistin nicht einen möglichst breiten Wissenstand erwerben, auf dessen Grundlage sie dann selbständig eine „Haltung“ entwickelt, vielmehr soll diese mitgeliefert werden. Vor vielen Jahren las ich einmal einen Kommentar zur Charakteristik der linken sog. Intelligenz. Der Autor konstatierte den merkwürdigen Sachverhalt, dass man einerseits auf seine ganz eigene, hochwohlgeborene Intellektualität stolz sei, andererseits sich in den Bücherregalen die immer gleichen Bücher aus dem Suhrkamp-Verlag usw. fänden und in den Reden die immer gleichen „Haltungen“.

  • Famose Dekonstruktion der Bemühungen der FAZ um Absenkung des Niveaus Richtung Bodenlosigkeit... und wieder mal ein Philosoph, der besser geschwiegen hätte, auch wenn in diesem Fall nicht klar ist, ob der dann wirklich einer geblieben wäre. Zweifel sind erlaubt. Präzises Denken ist eben nicht jedermanns Sache...

  • Geschätzter Herr Wendt, Ihre fast schon verzweifelte Anstrengung irgend etwas Brauchbares in des Philosophen Schwall hineinzuanalysieren, zu interpretieren, mußte an der Unansprechbarkeit dieser Person scheitern. Sie wissen das, wir wissen das, einzig der Philosoph fühlt sich geehrt, von Ihnen seine Existenz bestätigt zu bekommen. Alleine die Frage, die Sie sich stellen mußten, und die sich jeder stellen muß, wie nähere ich mich einer Person die mit ihrer Berufung 2000 Jahre Philosophie im Gepäck hat, aber kaum die Fähigkeit besitzt Freiheit von Gefangenschaft zu unterscheiden, diese Frage hätten viele als zu große Hürde angesehen um auch nur einen kleinen Aufsatz darüber zu verfassen. Einmal mehr legen Sie hier Zeugnis ab über Ihre bewunderswerte Fähigkeit, eine intellektuelle Distanz aufzubauen, zu Ihrem beschrieben Objekt und zu jedem der sich an Ihnen messen möchte.