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Halbmond und Genderstern

In dem „#unteilbar“-Bündnis gehen zwei politische Kräfte eine Fusion ein. Mindestens eine Seite weiß, was sie tut

Am vergangenen Samstag marschierte ein Bündnis unter dem Label “#unteilbar” durch Berlin, das schon einmal vorführte, wie die Zivilgesellschaft künftig aussehen soll. ZEIT Online zeigte die schönsten Bilder der Demo unter der Überschrift „Kein Platz für Hass“. Außenminister Heiko Maas unterstützte den Aufmarsch ebenso wie Prominente aus Film und Medien.

Zivilgesellschaft, das zur Erklärung, bedeutet in der Neusprache der Demonstranten und ihrer Unterstützer nicht Bürgergesellschaft. Im Gegenteil, #unteilbar lehnt sich sogar ziemlich deutlich an Staat und Regierung an. „Zivilgesellschaft“, das bedeutet eher: Definition und Bewirtschaftung eines Diskussionsfeldes, in dem die Mitspieler mit medialem Wohlwollen und öffentlichem Geld rechnen können.
Das Bündnis ist so breit, dass sogar die Jüdische Gemeinde und Aiman Mazyeks 40 Muslim-Verbände am 13.10. brüderlich zusammen marschierten. Unter den Muslim-Verbänden stechen zwei besonders hervor: Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD), die vom Verfassungsschutz dem Milieu der islamistischen und antisemitischen Muslimbruderschaft zugerechnet wird*. Zweitens  – insofern ist der Zentralrat der Muslime auch unteilbar – gehört auch das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) dazu, das dem geistlichen Oberhaupt des Iran unmittelbar unterstellt ist. Es vertritt die Politik eines Staates, auf dessen Agenda die Zerstörung Israels, die Niederschlagung der inneren Opposition und die Verfolgung von Homosexuellen steht.
Aufrechte Kämpferinnen für Frauenrechte sind ebenfalls dabei, etwa Vereine des Türkischen Bundes und Inssan e.V., die Anwälte bereitstellen, um Frauen zu ihrem Menschenrecht zu verhelfen, an Schulen mit Kopftuch zu unterrichten. Daher heißt es im Aufruf auch: „Die derzeitigen Angriffe auf Menschenrechte und Religionsfreiheit sehen wir mit großer Sorge.”

Auch eine unerschrockene Kritikerin aller Reformmuslime und sonstiger Religionsfeinde war von der Partie: Kübra Gümüsay, Unterstützerin von #unteilbar und Kundgebungsrednerin. Gümüsay bezeichnete die Frauenrechtlerin Necla Kelek vor einiger Zeit als „Haustürke”;  ihre Äußerungen schadeten der Community.
Hass und Hetze haben, wie man sieht, bei #unteilbar keine Chance. Alles, was innerhalb des abgesteckten eigenen Spielfelds an Formulierungen vorkommt, gilt selbstverständlich, wie es medial heißt, nicht als H & H, sondern als deutliches Wort („XY fand deutliche Worte“).
Zu den maßgeblichen Organisatoren gehört Anna Spangenberg, Geschäftsführerin des „Aktionsbündnis Brandenburg“, einem größeren Publikum bekannt als Moderatorin des Konzerts #wirsindmehr in Chemnitz, wo sie den von irakischen Asylbewerbern erstochenen Daniel Hillig kurzerhand zum Opfer „rechter Gewalt“ umdefinierte: („Lasst uns erinnern an alle Menschen, die Opfer von rechtem Hass und Gewalt geworden sind. Ich bitte nun um eine Schweigeminute für Daniel Hillig“).


Das „Aktionsbündnis Brandenburg“finanziert mit jährlich 240 000 Euro aus dem Brandenburger Landeshaushalt – sah es kürzlich als Aufgabe an, die Grenzen des Spielfelds in aller Deutlichkeit nachzuziehen: es attackierte den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) dafür, bei einer Sendung über Cottbus die politisch falschen Diskussionspartner eingeladen, die falschen Begriffe geduldet  – etwa „Masseneinwanderung“ und überhaupt den falschen Diskurs geführt zu haben. Ebenfalls wieder am Start in Berlin bei #unteilbar: die Band „Feine Sahne Fischfilet“ mit ihren pointierten Texten („Wir stellen uns in einem Trupp zusammen / Und schicken den Mob dann auf euch rauf! / Die Bullenhelme, die sollen fliegen / Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein!“).
Abgerundet wird das #unteilbar-Bündnis durch die Marxisten-Leninisten von der MLPD, die wiederum ihre Solidarität mit den palästinensischen Aktivisten von der PFLP zeigen.
Dabei auch: Die „Interventionistische Linke“, deren Vertreter Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele zumindest nicht verurteilen und ihren Teil zu den Feuer-und-Flamme-Tagen gegen G20 in Hamburg beigetragen hatten, und Margarete Stokowski, eine Autorin, die Gewalt ebenfalls nicht schlecht findet, solange sie die Richtigen trifft („Antifaschismus bleibt Handarbeit“), und die vor einiger Zeit darüber sinnierte, dass es doch ganz famos wäre, politisch Missliebige mit erfundenen MeeToo-Vorwürfen zu erledigen. Dass einige der von ihr Mobilisierten durch den Verfassungsschutz beobachtet werden – von der MLPD bis zu der IGD – wusste Spangenberg übrigens mit klaren Worten einzuordnen: „Verfassungsschutz? Der muss ja selbst mal gut beobachtet werden.”


Die neue Zivilgesellschaft reicht also von dem verlängerten Arm Teherans und den Muslimbrüdern über Vorkämpfer des Kopftuchs in Deutschland, eliminatorische Israelhasser, Antifa-Troupiere und steuerfinanzierte Kritiker eines zu pluralistischen Rundfunks bis zur Evangelischen Kirche, einer Menge queerfeministischer Vereine und etlichen jüdischen Gemeinden. Über ihnen allen schwebt die Koexistenz von Halbmond und Genderstern. Was die erstgenannte Gruppe von der zweiten erwartet, ist ziemlich klar. Ein epochales Rätsel ergibt sich erst bei der umgekehrten Frage.
Bei dem #unteilbar-Marsch gab es übrigens noch einige hässliche Vorfälle.
Ein Redner forderte die „Befreiung von ganz Palästina 48“ – also die Beseitigung des 1948 gegründeten Staates Israel. Anschließend redete bei #unteilbar auch Charlotte Kates vom „Samidoun“, für die Verantwortliche für Terroranschläge grundsätzlich „politische Gefangene“ sind – sofern sie in israelischen Gefängnissen sitzen. Darauf und vor allem danach distanzierten sich die #unteilbar-Organisatoren. Wer hätte auch ahnen können, dass Antisemiten, die sich seit Jahren antisemitisch äußern, auch in Berlin das sagen, was sie immer sagen? Immerhin verhielten sich die diversen islamistischen Teilnehmer geschickter. Wenn sie noch auf Transparente geschrieben hätten, was sie von Juden, Schwulen, Frauen und zivilen Bürgern überhaupt halten – puh. Anna Spangenbergs Aktionsbündnis Brandenburg hätte wahrscheinlich um das jährliche Steuergeld bangen müssen.

Eine ganz spezielle Frage stellt sich an die jüdischen Organisationen, die am Samstag unter den Linden mitmarschierten. Zum einen ein ganz breites Bündnis bis zu den Moslembrüdern suchen, auf der anderen gegen die „Juden in der AfD“ agitieren – dafür gibt es die eigentlich auch deutlichen Worte gefinkelt und meschugge oder Stockholm-Syndrom.
Die nächste Veranstaltung der Zivilgesellschaft steigt übrigens – in kleinerem Rahmen – am 7. November an der Universität München; es geht darum, gemeinschaftlich und mit Hilfe eines ehemaligen taz-Schreibers für den Boykott Israels zu werben.
Ja, wie passt das alles zusammen? Eigentlich ziemlich einfach. Sowohl die Parole der Islamisten als auch der Linken lautet: Gesellschaftsveränderung.
Bekanntlich hat jedes Missverständnis einen Gewinner und einen Verlierer.

 


*Der bayerische Verfassungsschutz schrieb 2017 über die IGD:

„Die MB tritt zwar in Deutschland nicht offen in Erscheinung, wird jedoch durch die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) und die FIOE als Teil einer weltweiten „Islamischen Bewegung“ vertreten und ist somit auch in Deutschland aktiv. Nach außen gibt sich die MB offen, tolerant und dialogbereit und strebt eine Zusammenarbeit mit politischen Institutionen und Entscheidungsträgern an, um so Einfluss im öffentlichen Leben zu gewinnen. Ihr Ziel bleibt aber die Errichtung einer auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung, wobei die MB für sich die Führungsrolle für alle Muslime beansprucht.“ […] „Die Bestrebungen der IGD richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.“

 


Text von Alexander Wendt, Mitarbeit: Paul Möllers

 

 

Alexander Wendt: Weitere Profile:

Kommentare anzeigen (30)

  • Gut gesehen, gut geschrieben.
    Einig sind sich die Akteure oder Veranstalter vermutlich zumindest teilweise in der Ablehnung des westlichen Wertekanons oder was davon noch übrig ist.
    Über das Verbot von Werbung mit nackter Haut in München freut sich vermutlich die hartgesottene Feministin ebenso wie der konservative Moslem. Desgleichen bei der "Israelkritik".
    Wer am Ende der vielbeschworenen "bunten, offenen, vielfältigen Gesellschaft" ohne Grenzen zu den Profiteuren gehört, werden wir sehen.
    Eine Seite hat ganz sicher eine Agenda und vor allem auch die Kraft und den Willen, diese durchzusetzen.
    Interessant auch der Hinweis auf Steuergelder, welche den verschiedenen "Aktionsbündnissen" zugute kommen.
    Nicht zu verachten auch der Umstand, dass die Verschiebung der Themensetzung ganz prima funktioniert, zumindest vorübergehend.
    Während "Presse und Funk" sowie Teile der Regierung begeistert über die Demonstrationen der Gutwilligen sprechen, gerät der ursprüngliche Vorfall etwas in Vergessenheit: gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen abgelehnten, straffälligen, gleichwohl "geduldeten" Migranten und Einheimischen.
    Am Ende bleiben letztere liegen, was aber unter "Einzelfall" fällt.
    Klarer Fall "rechter Gewalt". Ist das "Neu- oder Gutdenk"?
    Der Kampf gegen die "rechte Gefahr" scheint auch deshalb so bedeutsam, weil dadurch der Fokus von den sozialen und monetären Folgen der "Willkommenskultur" und die Debatte darüber abgelenkt werden können.
    Cui bono?

  • Schon bei der AFD-Demo in Berlin gab es diese "Bündnisse" mit dem Slogan "Ganz Berlin hasst die AFD"-
    Unterstützt wurden diese von der Kahane-Stiftung "gegen Hass-Botschaften".
    Es scheint den Grünen und Linken und der Rest SPD egal zu sein mit wem sie gegen die AFD demonstrieren.
    Es wird immer mehr deutlich, dass es nur um die Verhinderung politischer Aktivitäten der AFD geht.
    Die Argumente gehen diesen Parteien bei einer dauerhaften Bedrohungslage ihrer schutzbedürftigen "Gäste" immer mehr aus. Daher werden Plakate zerstört, Info-Stände angegriffen oder sogar Personen angegriffen, die einfach nur anderer Meinung sind als sie. Doch diese Probleme hatten sie wohl schon in ihrer 68er Jugendzeit.
    Scheinbare Demokraten, die keine sind. Vereint mit Islamisten. Die Absurdität dieser Bewegung wird immer sichtbarer. #unheilbar wäre wohl die bessere Beschreibung.

  • Wieso Missverstaendnis bzw. meschugge? Es liegt einfach ein Konflikt vor - "Gutmensch" sein wollen oder Jude bzw. Isreali (in der Diaspora oder nicht). Nur eines davon geht, und die hier Mitlaufenden haben sich eben fuer "Gutmensch" entschieden.
    Letzteres ist ein Misnomer denn es ist wesentlich ein Anti-Weisser Rassismus: Weisse "Kulte" wie Christentum, Judentum und Technologie sind schlecht, braune Kulte wie Islam sind gut. Die Weissen haben fuer alle Nicht-Weissen, die auf ihr Territorium umsiedeln wollen, lebenslang zu zahlen etc., es ist also - aus weissem Munde - selbstzerstoererisch, bzw. das, was Nietzsche dekadent nannte, daher schlage ich vor, statt "Gutmensch" diese praktische Philosophie in Nega-White umzubennen.

  • Herr Wendt, Sie sind eine wahre Leuchte in diesen dunklen Zeiten, die uns wohl unausweichlich dräunen.
    Sie haken immer da nach, wo es den Verursachern weh tut. Weiter so. Aufklärung, die den Namen verdient, funktioniert so - und nur so.

    Wenn ich mir das alles so vor Augen führe: "Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich k..... könnte".

    Altes Zitat, leider (schon) wieder wahr.

  • Der bunte Aufmarsch der Unheilbaren warf ein markantes Schlaglicht auf das gefährliche Irrenhaus Schland. Vereint unter der unsichtbaren Deutschlandfahne, vereint unter dem unscheinbaren Grundgesülz, gaben die Ungeteilten ihr Bestes - für Deutschland einig Muttiland-

    Wahrlich, Dummheit ist Unteilbar, besonders bei Massenaufmärschen.

    Ach, und wie rührselig, und auffällig einäugig, die wohl-wollenden Kommentare der Staatsmedien dazu? Was für ein redseliges Rührstück. Extraklatsche!

    Aber mich würde - im Detail- interessieren, wer hat das Alles, wann, wie wo, mitorganisiert und - im Detail - wann, wie, wo und von wem, in welcher Höhe, mitfinanziert?

    Wie packt man das Übel am Besten bei der Wurzel?

    Genau, man folge konsequent der Spur des Geldes!

    Fragen kostet nichts, siehe

    https://www.achgut.com/artikel/steinmeier_und_seine_geheimen_gaeste/P15#section_leserpost

    aber ist oft sehr unterhaltend. Oder nicht?

  • Ich bin Jahrgang 1926 und habe noch den Spruch im Ohr: "Reich mir die Flosse Genosse...und willst Du nicht mein Bruder sein, dann hau' ich Dir die Fresse ein!"

    Feine Zeiten kommen auf uns zu!

    Emilvongestern

    • Du hast Glück, denn das wird nicht mehr Dein Problem sein.
      Aber alle die 40Jahre und jünger sind, werden die volle Ladung davon mitbekommen, wenn es nicht doch noch zu verhindern ist.

  • Ich kann nur noch entsetzt den Kopf schütteln über solch dumme Veranstaltungen! Auch, wenn ich 240.000 Teilnehmer deutlich anzweifle, es ist sowieso verzerrt. Die Leute werden kostenlos aus allen Teilen unseres schönen Landes herangekarrt, bei dem Wetter war ein kleines Volksfest eh genau das Richtige, für Musik und Unterhaltung wurde gesorgt und ein Verpflegungsbeutel oder ein kostenloses Mittagessen war sicher auch dabei! Wer zahlt das alles? Ich komme mir vor, wie zu meinen Jugendzeiten, wo am ersten Mai und am siebten Oktober wir alle antreten mussten zum Marschieren, Winken und Jubeln. Hinterher gab es kostenlosen Erbseneintopf aus der Gulaschkanone von unseren Freunden aus der NVA und dann ging es ab zum Rummel! Bei Nichterscheinen gab es Ärger! Geht der ganze Spuk denn schon wieder los?