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Zeller der Woche

Bernd Zeller Spezial

Bernd Zeller: Der Zeichner und Autor Bernd Zeller, 51, lebt und arbeitet in Jena. Er ist Herausgeber der Zeller Zeitung (www.zellerzeitung.de), des führenden Fachorgans für den deutschen Alltag.

Kommentare anzeigen (5)

  • Heribert Prantl sollte Claas Relotius nicht zu einem "Hauptmann von Köpenick" erniedrigen. Der Fall Relotius spielt auf einer weitaus anderen und höheren Ebene. Während der angebliche Hauptmann sich etwas anmaßte, was er nicht war, verheimlichte Relotius ganz im Gegenteil das Große, das er in Wirklichkeit war, und versteckte es unter einer bescheidenen Maske!
    Hier meine Begründung:
    Lesen und verinnerlichen wir zuerst das folgende Zitat aus der Poetik des Aristoteles. Wir müssen nur den Begriff „Geschichtsschreiber“ ersetzen durch „Journalist“ und den Namen "Herodot" durch den Namen eines berühmten investigativen Journalisten (z.B. Egon Erwin Kisch).

    "Es [ist] nicht Aufgabe des Dichters [...] mitzuteilen, was wirklich geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen könnte, d.h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche. Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt – man könnte ja auch das Werk Herodots in Verse kleiden, und es wäre in Versen um nichts weniger ein Geschichtswerk als ohne Verse –; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere was geschehen könnte. Daher ist die Dichtung etwas Philosophischeres und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung; denn die Dichtung teilt mehr das Allgemeine, die Geschichtsschreibung hingegen —das Besondere mit" (Übersetzung von Manfred Fuhrmann).

    Was ergibt sich aus dem Aristoteleszitat? Claas Relotius ist in Wahrheit ein Dichter. Er gestaltet eine höhere, philosophischere, ernsthaftere Wirklichkeit als ein Journalist, der nur irgendwelche Einzelfakten eruiert und mitteilt.
    Was war denn nun sein Vergehen? Darf man etwa jemanden „Fälscher“ oder „Betrüger“ nennen, der sich als Journalisten ausgibt, obwohl er etwas weit Größeres und Bedeutenderes ist? Sollte man im Fall Relotius nicht besser von bescheidener Zurückhaltung und Selbsterniedrigung sprechen? Ich vergleiche Relotius mit einem begnadeten Komponisten großartiger Musik, der damit zufrieden ist, wenn er als Sologeiger oder Pianist bezeichnet wird.
    Ich rege deshalb an, daß Relotius vom Bundespräsidenten mit einem neu zu schaffenden Preis geehrt wird: einem Preis für Bescheidenheit und Selbstverleugnung!

    • Na, Klasse! Orden und Ehren für Lügner und Betrüger. Es ist schon erstaunlich,
      wie auch offensichtlich kluge Leute zu lenken sind.

      • Sehr geehrter Herr Schaumburg,

        Sie haben mich mißverstanden! Es war der pure dreifache Spott! Verspotten will ich den "Dichter" Relotius, verspotten will ich den Bundespräsidenten, der vielleicht solche Leute mit einem Preis auszeichnen könnte, und schlichtweg widersprechen will ich dem guten Heribert Prantl, dessen unsinnigen Vergleich ich mit einem noch verrückteren übertreffen möchte.

  • Wenn ich den Namen Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung nur lese, geht mir schon der Hut hoch. Dieser Mann ist für mich völlig unglaubwürdig. Dass er sich dieses Mal einem eigentlich kaum aktuellen Themas annimmt, ist erstaunlich. Prantl fiel mir bisher ausschließlich für seine linksgrüne alt68er Ideologie auf. Er ist einer jener Journalisten, die es nie schaffen, das zu schreiben was wirklich ist. Er sieht Fakten ausschließlich durch seine linksgrüne ideologische Brille und glaubt an seine Mission, die Leser zu seiner politischen Sicht erziehen zu müssen. Von auch nur halbwegs objektivem Journalismus, sehe ich bei diesem Mann nicht einmal den geringsten Ansatz.

  • Leider mit Verspätung entdeckte ich in meinen persönlichen Aufzeichnungen folgenden Abschnitt:

    "Vor einigen Tagen gingen Bilder und Videos von einer CDU-Regionalkonferenz durch die Presse. Ein afghanischer Flüchtlingsjunge dankte Angela Merkel unter Tränen. Er erzählte, dass er vor vielen Jahren, als er noch in einem Flüchtlingslager lebte, ein Bild von Angela Merkel gesehen und von danach keinen anderen Wunsch gehabt habe, als zu ihr, in ihr Land zu kommen, was inzwischen gelungen war. Vor fünf Jahren, also noch vor der Selfiehype, hat der damals schätzungsweise höchstens siebenjährige Junge anhand eines Fotos von ihr die Eingebung gehabt, dass diese Frau die Rettung für ihn bedeuten würde. Er hatte seinen Vater – selbstverständlich nur den Vater, in dessen Begleitung er nun auch da war, nicht etwa die Mutter -, daraufhin so lange bearbeitet, bis er es geschafft hat, nach Deutschland zu kommen."
    (geschrieben am 30.1.2016)
    Das ist keine Fiktion, das lief wirklich im Regionalfernsehen N3. Ich hatte es mir aufgeschrieben, weil ich es so blödsinnig fand. Relotius musste seine phantastischen Geschichten nur der Realität in den öffentlichen Medien entnehmen.

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