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Hey, hey. Die Klimawandler hüpfen

Wie sieht ein 16-jähriger seine greta-begeisterten Mitschüler zwischen Klima-Freitag und Ferienflug? Der Berliner Gymnasiast Air Tuerkis* über den komischsten Jugendprotest der jüngeren Geschichte

Letzte Woche Freitag, erste Stunde Biologie – allein das klingt schon schlimm genug. Ich betrete das Klassenzimmer wie üblich auf den letzten Drücker, drei Minuten vor acht. Zu meiner Überraschung sind ungewöhnlich viele Plätze leer. Mich überkommt die leise Hoffnung, dass Bio ausgefallen sein könnte.

Die wenigen, die in der Klasse sitzen, haben es vielleicht nur nicht mitbekommen. Ein Kumpel klärt mich dann auf, dass die Fehlenden heute die Schule bestreiken. Dann sehe ich auf meinem Mobiltelefon die Postings meiner Mitschüler: Fridays for Future. Die Klimawandler sind los.

Das kam für mich überraschend. Kaum einer dieser neuerdings Umweltengagierten hatte jemals auch nur irgendwas zum Thema Klimaschutz gesagt. In Diskussionen in der Schule war mein einziger Widersacher meist der Lehrer. Und plötzlich steckte ich in einem Jahrgang voller Greta-Jünger. Der Prototyp lässt sich etwa so beschreiben:
Weiblich, 16, hält sich aber für 25 und redet auch so mit anderen Jugendlichen, außerunterrichtlich in der Schule engagiert, setzt sich bei Klassenfahrten an einen Tisch mit den Lehrern.

Oft reisen diese Umweltengagierten um die halbe Welt, und schicken die schönsten Fotos von dort per Twitter und Instagram. Ihr Vater fährt meist ein ziemlich gutes Auto.
Wütend schrieb ich ein solches Exemplar aus meiner Klasse an. Was sie sich eigentlich denkt, sie jettet um die halbe Welt und will jetzt, dass Braunkohlearbeiter in der Lausitz ihren Job verlieren, und noch dazu astronomische Stromkosten aufgebürdet bekommen: „Ist das denn etwa links?“
Als Antwort bekam ich nur einen Satz: „Du willst also, dass die Erde in zwölf Jahren untergeht?“
Bäm. Ich hatte die Diskussion verloren. Was soll man dazu sagen?

Würde man einen Menschen auf der Straße mit einem Schild sehen „In zwölf Jahren geht die Welt unter“, würde man einen Zeugen Jehovas oder einen UFO-Jäger vermuten. Aber diese Sprüche sind längst gängige Meinung unter Schülern. Zumindest unter den Revolutionären, die eigenartigerweise für das Demonstrieren von Regierung, fast allen Parteien und von den Medien ununterbrochen beglückwünscht werden. Nie gab es – zumindest in neuerer Zeit –  eine Jugendbewegung, die derart bruchlos Seite an Seite mit dem Establishment marschierte.

Schulfrei gibt es dafür obendrein. Zwar existiert – zumindest hier in Berlin – die Anordnung von oben, dass alle Schüler, die zu „Fridays for Future“ gehen, einen unentschuldigten Fehltag erhalten. In der Praxis wird das allerdings nur selten umgesetzt.
Die Schüler lassen sich oft sogar von ihren Eltern entschuldigen. Viva la Revolution! Meist ist aber selbst das gar nicht mehr nötig. Die Schulpflicht ist am Freitag  zugunsten von „Fridays for Future“ faktisch aufgehoben.

Da aber keiner nachweisen muss, dass er tatsächlich bei der Demo war, gibt es natürlich einen nicht zu unterschätzenden Schwund von Leuten, die sich freitags einfach einen Lenz machen und alles vorhaben, nur nicht, sich an dieser blöden Greta-Klimademo zu beteiligen. Hätten sie daran Interesse, würden sie ja massenhaft zu den Wochenend-Demos gehen, die es ja schon immer gab. Wenn ich schätzen müsste, wie viele der am Freitag Weggebliebenen nicht zur Demo eilen, sondern einfach zu Hause bleiben, würde ich sagen: mindestens 50 Prozent.

Ich weiß von etlichen Leuten, die freitags nicht da waren, sehr genau, dass sie niemals losziehen würden, um für den Kohleausstieg zu hüpfen („hey, hey, wer nicht hüpft, der ist für Kohle“) , niemals – allein aus Peinlichkeitsgründen nicht.
Erst langsam wird einem klar, in was für einem Wahnsinn wir uns befinden: Die Bundeskanzlerin hebt öffentlich die Schulpflicht auf, damit die Schüler für die Regierungslinie protestieren können.

Die meisten dieser Demonstranten sind vollkommen ahnungslos – und mit vollkommen ahnungslos meine ich so etwas in die Richtung: „Hä? Warum verbieten wir denn nicht einfach Plastik?“ Ihnen ist auch nicht ganz klar, dass Deutschland etwa 2,3 Prozent zum weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß beiträgt und China 27 Prozent. Und dass der Anteil von China so hoch ist, weil dort beispielsweise die Turnschuhe, T-Shirts und iPhones produziert werden, die sie spazieren tragen. Sie sind auf diesen Demonstrationen nur, weil es (fast) alle machen, weil es im Trend liegt, und weil sie selbst gerne von sich sagen können würden, dass sie politisch engagiert sind, obwohl sie keine fünf Minuten am Tag darauf verwenden, auch nur „Spiegel Online“ zu lesen.


Es ist eine riesige Party, es spielt laute Musik, alle hüpfen und tanzen. Natürlich nehmen sie nicht wirklich ernst, was sie da fordern. Kein Wunder, dass niemand von denen den nächsten Familienurlaub absagen will oder auf sein Smartphone verzichten möchte. Ebenfalls kein Wunder, dass nach den Demos die ganzen Plätze und Grünflächen vermüllt sind.
Allerdings werde ich nicht sauer, wenn ich so etwas höre. Ich freue mich sogar. Genauso so, wie ich mich freue, dass Sahra Wagenknecht Kaviar isst und in einer Villa wohnt. Das zeigt nämlich, dass die Leute das totale grüne Selbstdiktat nicht auch noch selbst leben wollen.  Sie fordern heute dies und morgen das, aber alles doch sowieso nur, weil es von der Tagesschau so angesagt wurde. Erst wenn die Jugend wirklich vegan leben und ernsthaft Konsumstreik praktizieren würde, dann hätten wir ein Problem. Dann hätten wir es es nämlich nicht mehr mit einem peinlichen Jugenddemo-Imitat mit zum Himmel schreiender Doppelmoral zu tun, sondern mit einem echten Massenwahn.

Insofern bin ich auch zwiegespalten, wenn ich von Gretas positiven Gedanken zur Kernenergie höre. Die 16-jährige Schwedin – die von Katrin Göring-Eckardt bereits mit einer Prophetin verglichen wurde – schrieb auf Facebook, dass Atomenergie „ein kleiner Teil einer sehr großen neuen kohlenstofffreien Energielösung“ sei kann. Nach großer Entrüstung in ihrem eigenen Lager revidierte sie ihre Aussage teilweise. Ihr Pressesprecher versuchte verzweifelt, alles wieder gerade zu rücken. Die Kleine hatte jetzt auch mal einen eigenen Gedanken, aber gleich wurde sie wieder viereckig gemacht.
Zwar könnte es einen freuen, dass Greta nun – kurzfristig – eine vernünftige Idee hatte, und manche denken sich vielleicht: „Wenigstens konsequent“. Aber für mich zeigt das vor allem, dass sie – oder wer auch immer hinter ihr steckt – ernsthaft die totale Dekarbonisierung der Welt vorantreiben will.  Mit oder ohne Kernkraft, es bleibt Wahnsinn.

Von den lustigen Mitläufern, die nach dem Klimastreik im väterlichen BMW zu McDonalds gefahren werden, um dort die Reisepläne für den nächsten Trip auf die Malediven zu schmieden, müssen wir dagegen wenig befürchten.
Doppelmoral ist allemal besser als blinder Fanatismus.

 


* Air Tuerkis ist das Pseudonym eines Berliner Schülers und Autors, der das liberale Schülermagazin „Apollo News“ herausgibt.

 

 

 

Redaktion:

Kommentare anzeigen (43)

  • Erfreulich, dass es noch Leute wie diesen 16jährigen Gymnasiasten gibt, man müsste sonst jegliche Hoffnung fahren lassen. Wunderschön sein Ausdruck: "diese(r) neuerdings Umweltengagierten" für die Zeitgeistnachbeter und vollkommen richtig der Satz : "Erst langsam wird einem klar, in was für einem Wahnsinn wir uns befinden: Die Bundeskanzlerin hebt öffentlich die Schulpflicht auf, damit die Schüler für die Regierungslinie protestieren können."

    • Es gibt auch noch Vernunft. Aber da hört niemand zu. Hätte eins von meinen 4 Kindern jemals solche Sprüche gehabt, hätte ich ihn/sie eine Liste schreiben lassen, was sie zur Verbesserung der Umwelt beitragen wollen. Nicht mir dem Bösen Dieselbus zur Schule fahren. Für 5 Km sind auch Laufen oder Rad fahren möglich. Keine Schulfahrten, sondern Schulwanderungen. Auch keine Feriefahrten, sondern wie wir, die Berge und Umgebung erwandern. Möglichst viel über die Natur, Bäume und Herben lernen. Den Eltern auch im Garten helfen, möglichst auch mit eigenem Beet. Für weniger hätte ich es nicht getan.

      • Den Eltern im Garten helfen, das ist eindeutig zuviel verlangt. Die Erde umbuddeln und Unkraut rausziehen? Gehts noch?

  • Wer am lautesten schreit, hat recht - in der Politik; aber nicht in Mathe.

  • "Willst du, dass in 12 Jahren die Welt untergeht?" - "Wird sie an Dummheit ersticken? Das würde ich gern verhindern."

    Sollte das Gegenüber aufnahmefähig sein, könnte man fragen: "Wer hat's gesagt - 'Das Klina ist ein gekoppeltes nicht-lineares, chaotisches System, das sich einer Vorhersage entzieht'?"
    Seit das IPCC seine Dokumente von HTML auf PDF umgestellt hat, muss man sich zwar ein wenig durch die Dokumente klicken, aber dafür kann man dann zur Antwort mit dem offiziellen Weltklimabericht 2001/2002 aufwarten. ...und mit der freundlichen Empfehlung, mal den Physiklehrer zu fragen, weshalb es für die Vorhersage gekoppelter chaotischer Systeme nur einen halben Friedensnobelpreis gab - und keinen für Physik... (Vorsicht: Manchmal wird versucht, kognitive Dissonanz durch lautes, kleinhirnbasiertes Kreischen aufzulösen...)

  • Beim Lesen dieser dialektischen Volte musste ich auflachen:
    "Genauso so, wie ich mich freue, dass Sahra Wagenknecht Kaviar isst und in einer Villa wohnt. Das zeigt nämlich, dass die Leute das totale grüne Selbstdiktat nicht auch noch selbst leben wollen."

    Zum Bonmot verkürzt: wenn alle fordern, dass alle anderen verzichten, verzichtet keiner.

  • Ich bin empört - da folgt doch tatsächlich ein Berliner Schüler nicht dem „Folgt der Sandale“-Gebot der Stunde. Was haben die Eltern da nur falsch gemacht?
    Aber im Ernst: Was für ein kluger, erfrischender Text - vielen Dank dafür!
    Und ganz genau: „Sünder“ sind mir auch definitiv lieber als Fanatiker, denen alles zuzutrauen ist.
    Ich wünsche dem jungen Autor, dass er trotz des grassierenden Wahnsinns noch seine Schäfchen (Abi) ins Trockene bringen - und ab und zu weitere solch schöne Artikel schreiben - kann!

  • Die Sprüche, dass bald die Welt untergeht, wenn wir nicht sofort alles abschalten, sind nicht nur bei Schülern gängig. Einziger Unterschied: Die Erwachsenen reden vielleicht von 30 oder 50 Jahren statt von 12. Da ich sog. Klimaskeptiker bin, gelte ich auf FB oder Twitter als jemand, dem die Zukunft seiner Kinder wurst ist.

  • Eine intellektuelle und rhetorische Glanzleistung, - humorvoll gespickt mit detaillierten Menschenbeobachtungen, die auf scharfzüngige Weise zum Ausdruck gebracht werden! - Beruhigend: Es gibt sie noch, die wahre geistige Elite, die sich bereits im jugendlichen Alter von 16 Jahren Bahn bricht und die selbst-ernannte politische "Elite" arm und alt aussehen lässt!
    Ich kann nur raten, lieber "Air Tuerkis": Pflege Dein Talent sorgfältig wie einen (Achtung, Bio:) Cypredium calceolus - und lasse Dich nicht von einflussreichen aber dummen Menschen für ihre unreifen und gefährlichen Ziele vereinnahmen. Immerhun: Bio-Unterricht ist allemal besser und wertvoller als draußen die billigen Kopien der "Echternacher Sprinprozession"!

    LG RS

  • Sahra W. oder Annalena B. essen beide gerne Kaviar. Links und/oder gruen = gleich verbietend.....
    Schulunterricht ist meist bloed. non scholae sed vitam discimus.

  • "... dass Deutschland etwa 2,3 Prozent zum weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß beiträgt und China 27 Prozent." Auch das ist nicht die ganze Wahrheit, diese Prozentsätze beziehen sich auf den "menschgemachten" Anteil an der CO2 Entstehung, der beträgt aber nur rund drei Prozent des gesamten entstehenden CO2.
    Das wird nie erwähnt, aus guten Gründen, aber wird von Wikipedia bis zu grünen Klimarettern in der Sache bestätigt.

    Was bleibt ist ein Irrenhau für kinderlose Alte. Man darf den Untergang der Titanic live miterleben, die Kapelle spielt fröhliche Musik, und man darf hoffen, vom himmlischen Hubschrauber abgeholt zu werden bevor man nasse Füße bekommt. Wunderbar, weiter so.