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Tod eines seitlich Umgeknickten

Der Pianist und Musikerklärer Stefan Mickisch geriet durch die Corona-Restriktionen in eine tiefe Verzweiflung, äußerte sich angreifbar – und wurde von den Guten und Gerechten des Kulturbetriebs zur Unperson erklärt. Am 17. Februar starb der Künstler mit 58 Jahren

Wer Stefan Mickisch gehört und gesehen hat, vergisst ihn nicht. Mit seiner nachdrücklichen dialektgefärbten Stimme konnte er schöner und unterhaltsamer über Wagner, Beethoven, Liszt, Korngold sprechen als fast jeder andere in Deutschland. Und zwar ausdrücklich nicht nur für Fachleute, sondern auf eine Weise, dass auch Dilettanten ein Licht aufging.

Mehr als 60 CDs spielte Mickisch ein, es gibt auch einige DVDs von ihm. Aber er war eben nicht nur Pianist, sondern vor allem ein Erklärer, dem sein Publikum Satz für Satz folgte, ein Musikerzähler. Zu den Bayreuther Festspielen hielt er Einführungsvorträge, die ein Format für sich bildeten, ein Duett aus Klavier- und Sprachvortrag. Bei Youtube finden sich viele Beispiele für seine Kunst. Um zwei kurze herauszugreifen: In einem Film unterhält er sich mit dem britischen Schauspieler und Autor Stephen Fry am Klavier in Bayreuth über den Tristan-Akkord. In einem anderen schönen Stück erklärt er am Beispiel von Erich Wolfgang Korngold und anderen Komponisten den Zusammenhang zwischen B-Dur und Hoffnung.

Am 17. Februar 2021 starb Mickisch in seinem Heimatort Schwandorf mit 58 Jahren unter bisher ungeklärten Umständen.
Sein Name erschien in den Tagen danach nur selten in den Medien. Dafür umso häufiger im Dezember 2020. Als Erklärer und Vermittler brauchte er Publikum. Die Corona-Restriktionen erlebte er als tiefe Isolierung, die ihn offenbar mit zunehmender Dauer zermürbte. Damals, im Dezember 2020 postete er auf Facebook ein Zitat von Hans Scholl, das er gleich darunter wiederholte, um seinen eigenen Namen darunterzusetzen. In das Kostüm eines Mitglieds der Weißen Rose zu schlüpfen, das 1943 hingerichtet wurde – diese Wendung war sicherlich nicht klug, sie passte auch nicht zu der üblichen Eloquenz von Mickisch.
Allerdings äußern sich Menschen in einer psychischen Notlage nicht immer hochdifferenziert. Auch nicht reflektierte und hochgebildete. Diese Facebook-Veröffentlichung änderte das Leben des Stefan Mickisch grundlegend. Mehrere Journalisten und Kulturbetriebsfunktionäre machten aus der kurzen Szene ein Tribunal.

„Missbrauch von Zitat aus NS-Zeit: Pianist Mickisch in der Kritik“ titelte der Bayerische Rundfunk auf seiner Internetseite, um für sein Publikum herauszuarbeiten, was Mickisch gar nicht wortwörtlich getan hatte:
„Nun sorgte der Pianist für Aufsehen, weil er die Corona-Politik indirekt mit dem Terrorregime der Nazis gleichsetzt.“

In einem zweiten Beitrag meldete der Sender:
„Nach Jana aus Kassel jetzt Stefan aus Bayreuth: Der bekannte Pianist und Wagner-Experte Stefan Mickisch wettert auf seinem Facebook-Kanal schon seit Monaten gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern. Zuletzt verglich er sich in einem Post mit dem Nazi-Widerstandskämpfer Hans Scholl. Auf dem Grünen Hügel hat man nun reagiert und den Pianisten zur unerwünschten Person erklärt: Für Mickisch ist die Villa Wahnfried in Zukunft tabu.“

Tabu nämlich, weil der Direktor des Museums Villa Wahnfried Sven Friedrich in Bayreuth umgehend reagierte und ein Verurteilungsschreiben an den Pianisten und Musikerklärer richtete, mit dem er nach eigenen Angaben befreundet war:
„Mein Zweifel wuchs indessen in dem Maße, in dem Sie sich zunehmend obskurantistischer Esoterik zuzuwenden begannen, der Sie umgebende Kreis zunehmend sektiererischen Charakter annahm“, so Friedrich, „und Sie sich schließlich dann auch im Zusammenhang mit Wagners Antisemitismus auch öffentlich zu höchst fragwürdigen, ja grenzwertigen politischen Äußerungen hinreißen ließen, die bereits geeignet waren, an Ihrem Geisteszustand zu zweifeln.
Eigentlich hatten Sie da schon den Rubikon überschritten.
Der unten zitierte Vergleich ist nun nicht einmal mehr geschmacklos, sondern widerwärtig! Indem Sie die Worte Hans Scholls im gegenwärtigen Zusammenhang der Corona-Pandemie zu Ihren eigenen machen, schänden Sie nicht nur das Andenken eines der wenigen Zeitgenossen im 20. Jahrhundert, auf die wir stolz sein können, sondern missbrauchen ihn auch noch als vermeintlichen Zeugen für den geistigen Abschaum der Gegenwart, mit dem Sie sich so gemein machen und in eine Reihe stellen. Und Sie stellen damit unsere Regierung auf eine Stufe mit dem NS-Regime […] In einer Mischung aus Traurigkeit und Zorn entziehe ich Ihnen hiermit […] das vertrauliche ‚Du’ und erkläre Sie zur persona non grata im Haus Wahnfried!“

Die Zuordnung des angeblichen Freundes zum „geistigen Abschaum“ – da spürt man gleich den Demokraten und Nationalsozialismusbekämpfer par excellence. Kündigung der Freundschaft und Hausverbot teilte Sven Friedrich nicht etwa privat mit, sondern zum allgemeinen Mitlesen ebenfalls auf Facebook. Er bekräftigte seine Distanzierung noch einmal gegenüber dem Nordbayerischen Kurier mit der Feststellung, er, Friedrich, müsse dem „organisierten Wahnsinn“ entgegentreten – so, hätte es sich bei Stefan Mickisch nicht um einen isolierten, psychisch angeschlagenen und vereinsamten Menschen gehandelt, sondern um den Kopf einer mächtigen Organisation.

Auch der Kulturredakteur des Nordbayerischen Kuriers verurteilte die angebliche Gleichsetzung der Bundesrepublik mit dem NS-Regime, die Mickisch gar nicht vorgenommen hatte, wobei der Journalist einen bemerkenswerten Begriff benutzte: „Eine solche Gleichschaltung sei unzulässig und in Friedrichs Augen auch strafbar.“
Der Bayerische Rundfunk regte in einem Beitrag einen weitergehenden Ausschluss des Pianisten an:
„Nach den erneuten Wortmeldungen des selbsterklärten ‘Widerstandskämpfers’ Stefan Mickisch ist auch unklar, wie die Bayreuther Festspiele darauf reagieren.“

Auch Peter Theiler, der Intendant der Dresdner Staatsoper, die mit Mickisch vor Jahren einmal zusammengearbeitet hatte, trug seine Verdammungserklärung bei:
„Die Semperoper distanziert sich ausdrücklich massiv von jeglicher Art solcher Äußerungen und der damit implizierten Haltung.“ Mit Haltung kennt Theiler sich aus.

Die Wiener Zeitung begrüßte die Aburteilung des Pianisten durch die Kulturfunktionäre, forderte aber weitere Distanzierungen im Bekanntenkreis:

„Die schnelle Reaktion von Sven Friedrichs ist begrüßenswert. Befremdlich mutet indessen das brüllende Schweigen ausgerechnet der Facebook-Künstlerfreunde Mickischs an, die sonst eilig mahnende Worten gegen politisches Abdriften spenden.“

Wie in solchen Fällen üblich, veröffentlichten mehrere Medien das Punktekonto Mickischs. Wurde er schon früher, wie es der Bayerische Rundfunk nannte, „auffällig“? Ja, wurde er, wie der BR mitteilte:
„Schon 2014 allerdings wurde Mickisch mit einem kruden Text auf Facebook auffällig. Sein Ziel damals: Richard Wagner vom Vorwurf des Antisemitismus reinzuwaschen. Unter anderem die Verharmlosung des Holocaust wurde dem Pianisten in der Folge vorgeworfen.“

Als Wagner-Spezialist hatte sich Stefan Mickisch auch intensiv mit den Schriften des Komponisten auseinandergesetzt. Er vertrat die Ansicht, dass in Wagners Aufsätzen sehr wohl Antisemitismus eine Rolle spiele, der aber nicht rassistisch, sondern kulturell grundiert gewesen sei, in Wagners Musik dagegen kein Antisemitismus vorkomme, und dass überhaupt Person und Werk zu trennen seien. Dem kulturellen Antisemitismus Wagners würde er, Mickisch, widersprechen.

Seine differenzierte Ansicht lässt sich in dieser Aufzeichnung aus dem Archiv noch einmal nachhören – in einer BR-Sendung übrigens. Natürlich kann jemand den Wagnerschen Antisemitismus auch anders deuten, als Mickisch es tat. Nur traten diejenigen, die im Dezember und dann noch einmal in den Artikeln nach seinem Tod Mickischs Sündenregister damit anreichern, ihm nicht mit Argumenten entgegen. Auch nicht mit dem Hinweis, wer ihm eigentlich vorgeworfen hatte, den Holocaust zu „verharmlosen“ – und vor allem, mit welcher Begründung.

„Verharmlosung des Holocaust“ zählt zu den schwersten öffentlichen Anklagen überhaupt, die wie jede schwere Anklage eigentlich nur mit einer detaillierten Begründung vorgetragen werden dürfte oder gar nicht, auf keinen Fall aber als raunendes Gerücht.

Nach der medialen Anklage und der Abstempelung zur Unperson im Kulturbetrieb musste Mickisch klar gewesen sein, dass er auch nach Corona kaum in sein altes Leben mit und vor Publikum zurückfinden würde.
Am 17. Januar 2021 veröffentlichte er seinen letzten Text auf Facebook:

„Liebe Freunde und Fans,
vielen Dank für Ihre / eure Unterstützung während des schwierigen vergangenen Jahres !
Für das „Wahre, Gute und Schöne“ (Bayerische Verfassung Artikel 131/2 ) konnte ich auch 2020 sehr viel (be)wirken, auf Bühnen vor Hunderten von Zuhörern, in Wien, bei den „Festspielen Gmunden“, in Linz, Dresden, Schwandorf, und natürlich auch über das Internet.
Trotz oder gerade wegen der bekannten Restriktionen seit dem 12. März war es mir möglich, 6 neue Doppel- CDs herauszubringen, im Dreieck Wien – Bayreuth – Schwandorf (www.mickisch.de). Es sind live-Aufnahmen mit Publikum, die Beethoven und Richard Strauss behandeln, und jetzt, aus meiner Sicht, neben den bereits bekannten Wagner- und Korngold – Integralen, diese beiden Komponisten meinerseits nahezu abdecken.
Seit 1991 bis heute konnte ich im Eigenverlag „fafnerphon“ (ununterstützt, aber frei) 140 einzelne DVD- und CD- Scheiben veröffentlichen, die erfreulicherweise mittlerweile auf allen Kontinenten und in etwa 40 Ländern der Welt verbreitet sind.
Während der monatelangen Trennung von meiner Frau, die in Mexiko festsaß, hielt ich mich durch diese Arbeit aufrecht, und fand auch Zeit, endlich Schopenhauers ‚Die Welt als Wille und Vorstellung’ genauestens zu studieren. Mit kleinen Einwendungen bzw. Fragen auf den letzten 35 Seiten kann ich diesem Ausnahmephilosophen voll zustimmen…. Die Floskel ‚Allen kann man es nicht recht machen’ darf ich auch für mich, und meine mehr als 40-jährige Arbeit im Musik- und auf dem Kultursektor in Anspruch nehmen, inklusive des gesprochenen Wortes.
Für Künstler ist es besonders wichtig, Individualismus, Nonkonformität, Unangepasstheit, Ehrlichkeit und Authentizität in einer meiner Ansicht nach viel zu angepassten Welt zu erhalten.
Deswegen sind für mich Aufweichungen der deutschen Grundgesetz-Artikel 1/1, 2/2, 5/1, 5/2, 5/3, 8/1, 11/1, 13/1, 19/2, 33/3, und 104/1 weder sinnvoll noch berechtigt. Von daher kam im letzten Jahr meine auch veröffentlichte Besorgtheit, die wohl den ‚üblichen Rahmen’ sprengte…
Hoffentlich erlauben die Umstände die jeweiligen 1 zu 1 – Darbietungen, denn ohne aktives Publikum – wie derzeit nötig – zu agieren ist fraglos unbefriedigend.
Als besonders erfreulich und ehrenvoll empfinde ich die im Dezember erfolgte Einladung der „Sibelius Akademie Helsinki“, an dieser traditionsreichen Universität (1600 Musikstudenten), in Verbindung mit der Finnischen Nationaloper, Wagner in seiner Gesamtheit, musikalisch, textlich, und philosophisch aufzubauen. Man sucht dort nach einem umfassenden Wagnerexperten. Matti Salminen, Olli Mustonen und Esa-Pekka Salonen sind die hoch geschätzten Kollegen vor Ort, und meine Arbeit soll schon Ende April beginnen.
Somit darf ich Ihnen und euch Allen ein von Hoffnung geprägtes, Angst – freies, und nach wie vor kulturelles Erbe hoch haltendes Jahr wünschen !
Und verbleibe mit den allerbesten Wünschen
Ihr / Euer
Stefan Mickisch“

Nach seinem plötzlichen Tod erschienen nur wenige Nachrufe. Der Text auf der Internetseite des BR besteht aus einigen dürren biografischen Zeilen, und zu fast der Hälfte noch einmal aus dem Sündenregister. Auch die durch kein Argument begründete „Verharmlosung des Holocaust“ ruft ihm der Sender noch einmal ins Grab nach.

Immerhin gibt es Kollegen aus dem Kulturbetrieb, die diesen Umgang mit einem Künstler kommentierten:

Übrigens gibt es durchaus Fälle, in denen sich jemand öffentlich mit der Weißen Rose identifiziert, den Holocaust banalisiert, aber längst nicht auch nur entfernt ähnliche Reaktionen damit hervorruft wie Stefan Mickisch. Roger Hallam etwa, Gründer der Klimasekte „Extinction Rebellion“. Seine gefühlte Ähnlichkeit mit der Weißen Rose und den Vergleich des Klimawandels mit dem Holocaust verkündete er auch nicht einem eher kleinen Publikum auf Facebook, sondern einem eher großen im Spiegel:

Das schadete ihm und seinen Bewunderern in Deutschland ein wenig, aber nicht sehr. Eine Anhängerin von Extinction Rebellion, die Multiaktivistin Cornelia Rackete, nahm vor wenigen Tagen Sophie Scholl für die Antifa und damit indirekt für sich in Anspruch.

Abschaum-Kommentare, Hausverbote und Verurteilungserklärungen blieben bisher aus. Auch Heiko Maas, der sich bei einem ähnlichen, allerdings sehr unprominenten Fall in eine seiner intellektuellen Statur angemessene Bresche warf, verzichtete bei Rackete auf einen Kommentar. Kehren wir noch einmal zu Stefan Mickisch zurück. Vor langer Zeit sang der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch:
„Ich sing für die Verrückten, die seitlich Umgeknickten
Die eines Tags nach vorne fallen und unbemerkt von allen
An ihrem Tisch in Küchen sitzen und keiner Weltanschauung nützen
Die tagelang durch Städte streifen und die Geschichte nicht begreifen.“

Lange gab es überall im Kulturbetrieb, grade auf dessen groß bemessenen linken Seite, hier und da so etwas wie eine Grundsolidarität mit seitlich Umgeknickten. Sie existiert nicht mehr. Auch Figuren wie Hüsch gehören inzwischen einem vergangenen Zeitalter an.

Stefan Mickisch war ein Künstler, den Corona seitlich umknickte. Darauf folgte eine Verurteilung durch die Guten und Gerechten, die für ihn den sozialen Tod bedeutete.
Korngold hätte eine Oper aus diesem Stoff schreiben können.
Für die Kulturfunktionäre, die ihm das Urteil verkündeten, gilt der letzte Halbsatz in Franz Kafkas „Prozess“.

 

 


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Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.

 


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Kommentare anzeigen (40)

  • Wenn man Mickisch etwas vorhalten konnte/könnte, dann, dass ihm nicht klar war, was auf ihn zukommt. Bezug auf die Hitlerzeit dürfen nämlich nur die ungestraft nehmen, die JEDEN, der heute unbequem ist - sei es in Sachen Migration, sei es in Sachen Corona, sei es auf Merkels Wirken ganz generell bezogen - wie selbstverständlich und ungestraft "Nazi" nennen. Eine primitivere Verharmlosung des Nationalsozialismus und damit des Holocaust kann es nicht geben. Aber da es von oben gedeckt wird, ist das Nazi-Nennen völlig gefahrlos und gewollt.

  • Weiß man in D überhaupt, was Freundschaft ist? Was Menschlichkeit ist? Was Menschsein überhaupt bedeuten sollte? Ich glaube es nicht. Denn wenn ein Mensch in einer Ausnahmesituation etwas vermeintlich oder tatsächlich Unrichtiges sagt, dann fallen alle über ihn her wie Hyänen und zerfleischen ihn. Ich kenne etliche hoch anständige Deutsche, die nicht so sind. Aber es scheint mir, daß der weit überwiegende Teil der Deutschen sozusagen "Massenware" ist, ohne eigene Gedanken, ohne eigene Gefühle. Gott bewahre einen davor, ein Individuum zu sein, das wäre viel zu gefährlich, sicherer ist in der Masse. Dort sieht mich keiner. (Und deswegen habe ich keine Verantwortung). Ich muß sagen, obwohl ich viel lieber was anderes sagen würde, daß mir die Deutschen, die große Masse, immer unsympathischer werden. Und bin immer froher, weil ich nicht dort leben muß. Ich würde es nicht aushalten. Schade, sehr schade, wenn ich an die nicht wenigen großen Deutsche denke.
    lg
    caruso

    • Ich stimme dem voll zu und lebe schon seit Jahren nicht mehr in D, sondern am anderen Ende der Welt in sicherer Distanz.
      Ueberheblichkeit und Selbstgerechtigkeit ad nauseam sind die Markenzeichen dieses Landes geworden.
      Stefan Mikisch hatte sich unbequem geaeussert, das musste geahndet werden, der BR mit seiner widerlichen Berichterstattung ganz vorne mit dabei.
      Es wurde wie immer korrekt verfahren, nichwa?

    • Lieber Caruso,
      seit geraumer Zeit fühle ich mich gleichermaßen unter Deutschen nicht mehr wohl. Es war im Jahr 2015, als ich Tag für Tag die Bilder sah der jungen Männer, die zu Hundertausenden in unser Land strömten - ohne jede Kontrolle, ohne dass auch nur ein Bürger gefragt wurde, ob er damit einverstanden wäre. Mir war von Anfang an klar, wir schaffen das nicht, das ist nicht zu schaffen und wir Deutschen sind die allerletzten, die das überhaupt schaffen könnten. Denn ich kenne die Mentalität der Linken und Grünen, meine früheren Kommilitonen der 70er Jahre, diese heimtückischen, hämischen Kommunisten, Stalinisten, Maoisten, diese feigen, sadistischen Opportunisten, die längst den Marsch durch die Institutionen erfolgreich abgeschlossen und heute das Sagen haben. In deren Hände will man nicht fallen. Als ich damals vor langjährigen Freunden mir erlaubte, Kritik an der Alleinherrschaft Merkels zu üben, wurde ich abgemahnt, ich könnte mich der Nazi-Mentalität gefährlich annähern! Man hielt mir vor, auch ich hätte die Völker Afrikas mit ausgebeutet und ähnlichen Schwachsinn! Ähnliches bekam ich aus meiner Familie zu hören. Meine Kinder, die ich bewusst auf Gesamtschulen geschickt hatte, baten mich um Zurückhaltung, weil sie befürchteten, ihre Freunde könnten blöd reagieren und sie in Sippenverdacht nehmen wegen ihres "rechten" Vaters. Damals entschlossen sich meine Frau und ich, dass wir Deutschland verlassen. Wir wollten in diesem Klima der Denunziation und der Diffamierung, des buckelnden Untertanengeistes nicht mehr leben - nicht trotz unserer Kinder und Enkel, sondern gerade wegen ihnen! Wir hängen unendlich an unserer Heimat, es schmerzt uns zutiefst, heute von Kindern und Enkel entfernt zu sein, zumal während Corona. Aber seit vier Jahren überschlagen sich die Dinge, unsere schlimmsten Befürchtungen sind längst eingetreten, aber eben nur noch absurder, noch drastischer und viel schneller. Daher haben wir unseren Schritt ins "Exil" nie bereut. Wir wollen unseren Kindern vorleben, dass man auch im Alter noch die noch so tief verhakten Anker lichten kann, um sich freizuschwimmen aus einer engen Welt, die sich zunehmend wirr, düster, dystopischer und beängstigender gebärdet. Möge ein gütiger Gott Deutschland vor den Deutschen erretten!

      • Die Deutschen nennen ihr Land großspurig, das der Dichter und Denker. Aber waren es nicht immer diese, im Nachhinein so genannten "Dichter und Denker", die im Augenblick des Dichterns, Denkens und natürlich des Komponierens in aller Regel alleine waren, zurückgezogen, ja sogar der Welt (beinahe) abhanden gekommen? Es waren immer einsame Wanderer, die sich weit, sehr weit und oft zu weit nach draußen gewagt hatten, um dort Dinge zu finden, die sie bannten, noch nie vorher gesehene Dinge, gedachte Gedanken, gehörte Stimmen und Klänge. Und wenn sie es vermochten, aus dieser einsamen Wanderung jemals zurückzukehren, brachten sie ihre Schätze mit, damit die anderen sie betrachten mögen. Und häufig waren die dann zunächst erschrocken, ja, entsetzt über die Findlinge, als wären es Fischfossilien aus den höchsten Erhebungen der Alpen. Aber mit der Zeit änderte sich bei manchen Rezipienten die Wahrnehmung und sie erkannten das Einzigartige, das Unerhörte der bizarren Mitbringsel. Diese Wanderer sind seltsame Vögel, sie sind es gewohnt sich auch zu verlaufen und trotzdem ihren Weg wieder zu finden. Wie arm wären wir Sesselpupser, wenn wir sie nicht hätten, die schrägen Wandervögel - samt ihrer merkwürdigen Funde, Mitbrinsel an Gedanken, Stimmen und Tönen! Deutschland war immer schon eigentlich das Land der Sesselpupser - das Land als das der Dichter und Denker immer bloß Desiderat!

    • Salut Caruso!
      Tja, ich/wir müssen hier aushalten. Einer muss ja den Job machen, Deutscher zu sein.
      Aber ganz ehrlich: So “deutsch”, wie dieses neue Deutschland ist, also so deutsch kannte ich es bisher nur aus Geschichtsbüchern - und vom Zuschauen der DDR.
      Hier ist etwas aufgeweckt worden, was mich verzweifeln läßt. Und das ist bei aller Beteuerung von Humanität usw. NICHT links. Man kann ein Land bzw. die Steuerzahler und Rentner nicht komplett ausplündern für den Rest der Welt. Und der Versuch die Nation Deutschland zu überwinden: Was ist denn das anderes als der erneute deutsche Sonderweg? Schon wieder die verspätete Nation?
      Die Rohheit, mit der Herr Mickisch abgefertigt worden ist: Beamtenbrutalismus.
      Zum ersten Mal in meinem Leben freue ich mich, wenn die “Mannschaft” beim Fußball verliert.
      Das mag lächerlich sein. Aber mich erfüllt dieses Deutschland zunehmend mit Ekel.
      Was aber das Schlimmste dabei ist: Bei vielen meiner Landleute musste man nicht tief bohren. Sie musste man nicht umerziehen. “Es” war schon da!

      • Wie kann es NICHT "links" sein, wenn die Protagonisten von sich selbst behaupten, genau diese Position zu haben?

        Ist das schon wieder nicht der "echte" Sozialismus? Links ist nicht, was Linke tun, sondern immer nur das nächste kommende Himmelreich? Wenn nur Lenin davon wüsste?

        • @Ede Wolf: Sehr gute Frage! Ich meine, sich "Links" nennen oder dünken heisst noch lange nicht, tatsächlich links zu sein. So wie heute auch in anderen Themen ("Gender", "Flüchtlinge", "Antisemitismus"..) erfolgt eine Umdeutung der ursprünglichen Inhalte von Begriffen, bis aus politischem Interesse heraus das Gegenteil der früheren bekannten Ziele erreichbar scheint. Beispiel: Kann jemand "Links" sein, den es in der Corona-Zeit keinen Deut schert, ob bis dahin in der Schule mit einem warmen Mittagessen versorgte Kinder dieses seit der "Schulsperre" nicht mehr erhalten? Dem es statt desssen viel wichtiger ist, Fragende zu oder Kritiker von Corona-Maßnahmen unterschiedslos und pauschal zu beschimpfen und als "Nazi" einzuordnen und jede sachliche Diskussion über wirklich gesellschaftlich wichtige Themen radikal zu unterbinden?

  • Wie abscheulich solche opportunistischen Charaktere wie Friedrich auch auf der zwischenmenschlichen Ebene agieren und nicht einmal mehr bei Freundschaften zwischen Privatheit und Öffentlichkeit unterscheiden. Traurig, erschreckend, frustrierend, empörend! Unser System bringt aber eben genau diesen Typus in herausgehobenen Positionen hervor. Aktuelles Beispiel: ex-Bundestagsabgeordneter Harbarth, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts (wenn das nur mal in Polen oder Ungarn vorkäme....), und sein Vorwurf, dass die Benutzung des Begriffs der Corona-Diktatur den Nationalsozialismus relativieren würde. Was für eine bodenlose Frechheit und Dummheit! Als ob es Diktaturen nur als Extrem gäbe und vor allem nur die derzeit Herrschenden darüber entscheiden dürften, was als Diktatur zu gelten hat. Unsere Herrschaftsclique würde dann außerdem ständig den Nationalsozialismus relativieren, weil sie immer wieder auch politisch ehrenhafte Alternativen als Diktaturen brandmarken.
    Ich fürchte, dass keiner derjenigen, die auf Mickisch eingestochen haben, jetzt irgendeine Reue spürt oder nachdenklich geworden ist....

  • Ich bin erschüttert und traurig. Ein feiner Mensch wurde in den Tod gehetzt. Wieder einmal schäme ich mich, Deutscher zu sein.

  • Ich habe in über 70 Jahren immer das Gefühl gehabt, dass ich die deutsche Mentalität nicht verstehe, obwohl ich hier geboren bin und hier lebe. Aber das Alter - und auch dieser todtraurige Bericht hat mir (längst) die Antwort gegeben. Bei (allzu) vielen Landsleuten musste ich bemerken/spüren, dass sie einen Mangel an Sympathie UND Empathie haben, wenn es um (echte/tiefe) Gefühle geht. Nur so läßt sich für mich erklären, wie man jemanden wie Herrn Mickisch einfach so die Freundschaft (das DU) öffentlich kündigt, ohne sich die Reaktion des Betroffenen (auch nur ansatzweise?) vorzustellen. Ein Land voller verletzender UND verletzter, trauriger Menschen. Helfen kann man nur im Einzelfall. Der 1. und 2. Weltkrieg war bitter, nun kommt auf Dauer Corona (als Vorwand für Schlimmeres?). Das bricht so manch Sensiblen das seelisch so wichtige Rückgrat. Verlust von Kontakten und die so wichtigen, aber fehlenden liebevollen Worte UND Taten tun ein Übriges. Wen kümmerts...?

  • Feiner, subtiler Text. Dankesehr. Ich werde mich mit Stefan Mickisch beschäftigen, Sie sehen also, dass so ein Artikel etwas bewirken kann. Evtl. viel mehr, als marktschreierisches, selbstgerechtes Getue, was sowieso an mir vorbeigeht. Die Reaktionen im BR und diejenige von Sven Friedrich habe ich nicht mitbekommen.

  • Jemanden für vogelfrei zu erklären, wegen des vielleicht unglücklich bemühten Zitates "Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique regieren zu lassen", das fasst für mich in seiner traurigen, existenzvernichtenden Grausamkeit geradezu perfekt den hässlichen, kleinbürgerlichen, feigen und opportunistischen Deutschen zusammen, den ich dieser Tage immer mehr aus seinen warmen Löchern hervorkriechen sehe.

    Als ein Westdeutscher war für mich das Diffamierende lange ein Ding der Vergangenheit, oder eines der DDR. Und als nur halber Deutscher war mir mein, und doch nicht mein, Volk leider schon immer suspekt. Zu Recht, wie ich seit mindestens fünf Jahren fast täglich denke. Mir graut davor, denn die Zukunft zeichnet sich so kalt und klar ab wie seit langem nicht. Und nein, ich übertreibe, glaube ich, nicht.

  • Danke, dass Sie sich an die Seite der Leisen, der Sensiblen, der manchmal Ungeschickten und Linkischen stellen, auf die sich die Bluthunde stürzen, weil sie den Duft geistiger Unabhängigkeit, der von ihnen ausgeht, nicht ertragen. Der Spalt ist zwischen diesen, den wahren Künstlern, und den Wir-sind-mehr-Lautsprechern, den mit Verdienstkreuzen Behängten, weil sie immer auf der richtigen Seite stehen, den Kulturfunktiomären und Möchtegernkünstlern.

  • Da laut BR offenbar eine kundige, kulturell einordnende Beschäftigung mit Richard Wagners Antisemitismus bereits in den Bereich der Holocaust-Leugnung fällt, frage ich mich unwillkürlich, ob der BR nicht durch Ausstrahlung von Wagners Musik oder auch nur - kontaktschuldig - durch Ausstrahlung von Musik unter Mitwirkung von Musikern, die zuvor auch Wagner spielten, in den Kreis der Holocaut-Leugner eingetreten ist. In diesem Falle wäre meiner Meinung nach eine sofortige Aussetzung aller Rundfunkbeiträge unvermeidlich.

    Der Fall des Museumsdirektörleins wiederum ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie einer, der glaubt, jemanden zur unerwünschten Person erklären zu können, sich selbst lebenslang aus dem Kreis aller Denkenden und Fühlenden ausstößt.

    Was für eine widerwärtige Bagage.

  • Stefan Mickisch hat in einer Lebenskrise einen Fehler gemacht. Und dafür gibt es kein Verständnis, keine Vergebung? Sondern den mittelalterlichen Pranger und die Vernichtung der Existenz? Schande über die, die daran mitgewirkt haben.

    • Man darf bezweifeln, dass Stefan Mickisch einen "Fehler" gemacht hat. Dass er das Hochrisiko eingegangen ist, in einem linksverhetzten Gesinnungsklima deutlich zu bekunden, dass er auf den karrierefördernden Opportunismus und auf Speichelleckerei verzichtet, ergibt sich logisch aus seiner Haltung zu den Idealen einer Künstlerpersönlichkeit. Mickisch war immer an der Pflege des kulturellen Gedächtnisses und des offenen, auch kontroversen, Diskurses gelegen. In die Rolle des stummen oder jubel-konformistischen Hofkünstlers konnte und wollte er nicht schlüpfen. Linke Propagandaaktivisten, die ihm zuletzt mit ihrer Hetze zugesetzt und ihn nachhaltig beschädigt haben, werden keine Ruhe geben, ehe im kulturellen und historischen Gedächtnis nur noch Leichenberge verbleiben. - Ruhe in Frieden.

    • @Johanna,
      ich sehe da keinen Fehler der Vergebung fordert. Ich sehe nur die Naivität eines im Wortsinn guten Menschen, dem offenbar nicht klar war, dass man mit den Wölfen heulen muss, wenn man im Deutschland von 2020 psychisch und wirtschaftlich überleben will. Erst recht in der auf dumm-links gedrehten Kulturindustrie.
      Das Hans Scholl Zitat finde ich total passend auf unsere politische Situation. Wir sind auf dem Weg zum neuen, Großkonzern gestützten International Sozialismus, Arm in Arm mit den chinesischen National Sozialisten, deren Modellgesellschaft auch bei uns immer mehr Anhänger findet, bis in die CSU hinein.
      Ich bin mir sicher, Hans Scholls Abneigung und Warnung galt jeder Art von Diktatur, nicht nur der zeitgenössischen national sozialistischen in der er leben musste.
      Dann darf wohl jetzt niemand mehr "unpassende" Zitate von Sokrates, Diogenes bis Voltaire und Diderot usw. außerhalb ihrer Zeitgenossenschaft in Anspruch nehmen.

      • Sehr geehrter Herr Thurm, sehr geehrter Herr Rochow,
        ich stimme Ihnen zu. Als "Fehler" muss man Mickischs Äußerung nicht ansehen. Ich hatte diese Perspektive gewählt, weil dadurch deutlich wird oder werden könnte, was für ein Wahnsinn hier geschieht. Wegen einer umstrittenen Äußerung, einer persönlichen Meinung, nicht einer Tat - Mickisch hat niemandem geschadet, niemanden verletzt -, wird ein Mensch vernichtet.