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Merkels Partei neuen Typs

Hinter der Koalitionsanbahnung zwischen CDU und Linkspartei steckt eine langfristige Strategie: Merkel könnte so ihre entkernte Partei noch viel weiter herabdrücken, ohne die Macht zu verlieren. Es gäbe nur einen Weg, das zu verhindern

Nach der jüngsten Wahlumfrage von Insa vom 21. August erreicht die Union nur noch 28 Prozent – ein historischer Tiefststand. Damit wäre nicht nur die Unionskoalition mit der SPD (16, 5 Prozent) ohne Mehrheit. Auch Jamaika – Union, FDP und Grüne – käme nur noch auf eine denkbar knappe Mehrheit von 51,5 Prozent.

Da im Unionsergebnis noch fünf bis sechs Prozentpunkte CSU stecken, steht Angela Merkels CDU also mittlerweile bei 22 bis 23 Prozent, also ziemlich genau dort, wo die SPD vor ihrem Totalabsturz rangierte. Ein Blick auf die Entwicklung der Unionsergebnisse seit 2002 zeigt den langfristigen Trend: Im Jahr 2002 holte der letzte Unions-Kanzlerkandidat vor Merkel – Edmund Stoiber – bei der Bundestagswahl 38, 5 Prozent. Dann ging es immer weiter abwärts, mit einer einzigen Ausnahme: Bei der Wahl 2013 konnte sich Merkel einen Teil der FDP-Konkursmasse einverleiben. Von dem Kollaps der alten Westerwelle-FDP blieb allerdings auf längere Sicht keine Stabilisierung der Union übrig. Im Gegenteil, die CDU-Vorsitzende modernisierte ihre Partei weiter in sehr gerader Linie nach unten. Die 28 Prozent vom August passen, wenn man einen Blick auf den Gesamtverlauf wirft, perfekt in die langfristige Merkel-Linie.

Das Insa-Ergebnis wurde nach dem Vorschlag des schleswig-holsteinischen  Ministerpräsidenten Daniel Günther erhoben, die CDU könnte doch zumindest erst einmal in Ländern wie Brandenburg eine Koalition mit der Linkspartei eingehen. Das dürfte noch den einen oder anderen CDU-Wähler vertrieben haben, der sich spätestens an diesem Punkt gefragt haben mag, warum ein bürgerlicher Mensch noch die Partei der Kanzlerin wählen sollte.

Aber es gibt auch eine grundsätzliche Erklärung für den von der Parteiführung offensichtlich gedeckten Vorstoß. Dass die CDU und die Union insgesamt auf dem Weg nach unten sind, wissen auch die Strategen in Kanzleramt und Adenauerhaus. Sie wissen auch, dass der Boden noch längst nicht erreicht ist. Also gilt es, die Bündnismöglichkeiten zu erweitern. Inhaltliche Hinderungsgründe auf Seite der Merkel-Kramp-Karrenbauer-Günther-CDU für eine Koalition gibt es ohnehin nur in Richtung AfD. In einem ganz breiten Bündnis könnte selbst eine CDU mit 18 Prozent gestützt von einer 10-Prozent-SPD und Grünen plus Linkspartei noch das Kanzleramt halten. Diese Superkoalition käme sogar ohne CSU und FDP aus.

Die AfD wiederum bliebe auch dann isoliert, wenn sie im Bund auf 25 Prozent käme und in Brandenburg und Sachsen – wonach es zurzeit tatsächlich aussieht – stärkste Partei würde.

Wie dicht die CDU an die Linkspartei gerückt ist, zeigte ein Post des Konrad-Adenauer-Hauses vom 13. August: Zum 47. Jahrestag des Mauerbaus erinnerte die Parteizentrale nicht an die von den DDR-Grenztruppen erschossenen Menschen, sondern zeigte Fotos von „neuen Mauern und Sperranlagen“, unter anderem den US-Zaun zu Mexiko, die spanische Mauer in Ceuta und die israelischen Sperranlagen der West Bank.

 

Ob ein Land die eigenen Bürger mit Mauern und Minengürtel einsperrt und beim Fluchtversuch niederschießt, ob es illegale Einwanderer draußen halten will oder sich wie Israel vor Selbstmordattentätern schützt: aus Sicht der CDU neuen Typs gibt es da keinen nennenswerten Unterschied. Bei DDR-Geschichtsrevisionismus und Israelhass liegen Merkels Kader also schon einmal auf einer Ebene mit den Erben der SED. Die Partei, die einmal die Heimat Helmut Kohls war, steht Kippings Truppe mittlerweile näher als der CSU. Heute könnten sich die Christdemokraten, die früher die gesamte Mitte zwischen Alfred Dregger und Rita Süssmuth abdeckten, eigentlich in DKP  umbenennen: Die Kanzler Partei.

Ein großer Teil der Medien begleitet diesen neuesten Schwenk mit fast gleichlautenden Unterstützungsbeiträgen:

Berliner Morgenpost: „Wo CDU und Linke an einem Strang ziehen.“

Die Zeit: „CDU und Linke – probiert es doch!“

Die taz – kurz vor Einstellung als Papierzeitung – rät ebenfalls zu und sagt noch einmal, worum es geht:

„Ein Bündnis mit linken Demokraten ist zu verantworten, eine Zusammenarbeit mit einer Partei, in der es rechtsextreme Strömungen gibt, nicht.“

Und im Stern schlägt Ulrich Jörges gleich Daniel Günther wegen dessen Verdienste als neuen CDU-Chef vor:

„Sollte sich Merkels Endspiel noch länger hinziehen, könnte auch ein junger Wilder ins Spiel kommen, der die CSU noch schneidiger bekämpft als Laschet: der Jamaika-Regent Daniel Günther.“

Ganz nebenbei macht er deutlich, was er – und nicht nur er allein – für die Hauptaufgabe der CDU hält: die CSU „schneidig bekämpfen“.  Die AfD sowieso.

Die Entwicklung ähnelt der in Schweden. Dort wird schon am 9. September ein neuer Reichstag gewählt. Die rechten oppositionellen Schwedendemokraten, die das letzte Mal 12, 8 Prozent holten, stehen dort nach einer Umfrage vom 17. August bei 20 Prozent, sie könnten sogar stärkste Partei werden. Die Sozialdemokraten (letzte Wahl 31, Prognose 24 Prozent) und die bürgerlichen Moderaten (letzte Wahl 23,3, Prognose 19 Prozent) dürften stark einbrechen.

Trotzdem nützt den Schwedendemokraten der Erfolg wenig. Von Linksaußen über Links bis zu den entkernten Bürgerlichen gibt es einen Konsens, die Konkurrenz von rechts auf keinen Fall an die Verantwortung zu lassen.

In Deutschland müsste neben der AfD noch eine andere Partei auf der Bildfläche erscheinen, die den Platz einer Partei der bürgerlichen Mitte einnehmen will. Die CDU unter Merkel möchte das offensichtlich nicht mehr. Und erst dann könnte es in Berlin wieder das geben, was Markenzeichen einer parlamentarischen Demokratie ist: einen echten Regierungswechsel.

 

 

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Kommentare anzeigen (27)

  • In Italien ist ja genau das passiert. Die Christdemokraten verschwanden in einem Linksbündnis - Berlusconi gründete eine völlig neue Partei, die die bürgerlichen Wähler übernahm. Ganz unmöglich ist das also nicht.

  • Die Parteien können stolz auf sich sein. Das schafft nicht jede Partei. Bravo! (ironie off)
    lg
    Alma Ruth

  • Oh ja bitte! Ich kann es nicht mehr mit anschauen, wie die Parteien der nationalen Front hysterisch ihre Pfründe sichern. Niemand macht mehr verantwortungsvolle, vorausschauende Politik zum Wohle unseres Landes. In einigen Jahren wird hier alles über die Wupper gehen......wenn sich nicht in letzter Sekunde etwas ändert.

  • Wann wird diese unfähige ( der Wirtschaft dienende) Menschen verachtende "Regierung" endlich abgesetzt ?

    • Der Wirtschaft dienende Regierung??? Wie kommen Sie darauf? Idiotische Energiewirtschaft, riesige Steuer- und Abgabenlast, nach Destabilisierung deutscher Banken jetzt auch noch Zugrunderichten der Autoindustrie. Dazu katastrophale Infrastruktur und Bildungspolitik und ein Datennetz, das schlechter ist als z.B. in Peru. Von der praktisch nicht mehr vorhandenen inneren Sicherheit ganz zu schweigen. Diese "Regierung" dient nicht der Wirtschaft, sondern (offiziell) einer pseudohumanistisch-pseudoökologischen Schwachsinns-Ideologie und (tatsächlich) sich selbst. DDR 2.0 eben.

  • Die Kindliche Kaiserin,
    wie sie heute in einem Leserbrief meines Tagesblättchens tituliert wurde, durchaus treffend, wie ich meine, ist nur an einem interessiert:
    Kanzlerin zu bleiben, um noch mehr Unheil über Deutschland zu verbreiten... und ihre Lakaien Günther, Altmeier, Kauder, Kramp-Karrenbauer & Co sind ihr dabei stets zu Diensten!

    • 'Die kindliche Kaiserin' ist eine, wenn nicht gar die Zentrale Gestalt in Michael Endes Werk 'Die unendliche Geschichte', sie und ihre Macht, die eine, in gewisser Weise ihr aufgrund ihrer kindlichen Unbeflecktheit, auf natürliche Weise zufallende Macht ist, sollte man jetzt nicht mit jener Macht aus Kalkül und gespielter Unbedarftheit verwechseln, für die die 'große Staatsratsvorsitzende' steht. - Wenn ich mich an 'Die unendliche Geschichte' noch einigermaße recht erinnere, fielen Phantasien, die auf der Ebene 'Phantasiens' nicht gelebt wurde, durch ein 'schwarzes Nichts' in die Realität und manifestierten sich in dieser als Lügen. - Im Haus der Lüge, wahrlich, ist diese Dame eine erschreckend unangefochtene Regentin.

  • Theoretisch haben wir ein spanisches Deja vu Anfang der 30er Jahre. In ihrer Not koalierten alle Parteien dann zu Volksfront gegen Franco. Das Ergebnis kennen wir. Einen Bürgerkrieg wird es aber sicher nicht geben, zumal die AfD auf dem Boden der Demokratie verwurzelt ist, aber interessant wirds schon werden.....

  • Die Union als Partei(enbündnis) und Merkel als Person machen vor, wie Macht(erhalt) in Deutschland in Zukunft oranisiert werden wird: Die Selbstabschaffung - u. a. in Gestalt der Auflösung der Bindung an konkrete Inhalte, Positionen und Programme - als Bahn zur Unangreifbarkeit, die von vielen Seiten droht und jegliche "Identität" (im Wortsinne) "unerträglich" erscheinen läßt. Diese Entwicklung harmoniert prächtig mit der Reinstallation des SED-Blockparteien-Systems. Und bei dieser Form der (medialen) Simulation von Demokratie haben eben manche einen Erfahrungsvorsprung, den sie nun ausspielen können.

  • Das Kuscheln mit den Linken (als auch den Grünen) wird den Christdemokraten auf Dauer teuer zu stehen kommen, bis hin zur Selbstmarginalisierung. Und obwohl diese links-grün-dümmliche Annäherung und Ausrichtung der etablierten Parteien bereits in anderen europäischen Ländern messbar gescheitert ist, begehen die Altparteien in Deutschland unbelehrbar den gleichen Fehler. Sie vernichten sich Scheibchenweise selbst. Eine Grundlegende Erneuerung ist nicht erkennbar. Die Lernkurve auch hier in Deutschland gleich Null.

    Merkel und ihre politischen Windbeutel wollen es partout nicht begreifen, dass nicht der sogenannte "Rechtspopulismus" der AfD ihr politischer "Feind" ist, sondern Ihre eigene, zunehmend links-grün-ideologisch-religiöse Moralpolitik und deren bereits deutlich sichtbaren Folgen für dieses einst so schöne Land. Sie wollen einfach nicht erkennen, dass man vernunftbegabte Realpolitik (sowie sie noch Helmut Schmidt betrieb) nicht durch ideologische Moralpolitik (á la Merkel, Käßmann, Göring-Eckhardt) ersetzen kann.

    Umkehren aus diesem verbohrten Glaubenstunnel, so scheint es, kann Merkel und ihre parteiübergreifende Anhängerschaft nicht. Denn dann müsste Sie und ihre tumben und selbstgefälligen Mitläufer sich von Ihrer gesamten moralisch-ideologisch-religiösen Giftsülze, die sie wie eine Monstranz vor sich herträgt, restlos befreien. Das werden diese vornehmlich Damen und Herren aber genauso wenig tun können, wie die wachsende Zahl von Salafisten in diesem Lande. Auch diese moralisch-ideologisch-religiösen Giftsülze-Produzenten stecken in einem ähnlich bornierten Glaubenstunnel, was alle Beteiligten aber nicht wahr haben wollen. Und so stellt Merkel und Konsorten auch völlig fern von jeder Realität fest: Der Islam gehört zu Deutschland! (inklusive Islamismus, Salafismus, Scharia und Burka).

    "Angst vor Islamisierung? Gehen Sie in die Kirche!" sagt die enge Vertraute von Merkel, die Theologin Margot Käßmann.

    Ins gleiche Horn bläst selbstverständlich auch Merkel, wenn Sie besorgten Bürgern rät „Mal wieder einen Gottesdienst zu besuchen.“

    "Der Islam, eine Gefahr? Die evangelische Theologin Margot Käßmann muss über besorgte Mitbürger „immer ein wenig lächeln“."

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article146239250/Angst-vor-Islamisierung-Gehen-Sie-in-die-Kirche.html

    https://www.youtube.com/watch?v=6iUK9QgkYJI

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article146183441/Merkels-deutliche-Botschaft-an-alle-besorgten-Buerger.html

    Es geht bei Merkel und Konsorten schon längst nicht mehr um vernünftige und zukunftsweisende Politik zum Wohle des gesamten deutschen Volkes in einem säkularen Land. Es geht diesen weltfremden christlich-vernagelten "Gutmenschen" nur noch um schnöden Machterhalt, mit allen erlaubten und unerlaubten, rechtlichen und religiösen, populistischen und pekunären Mitteln.

    Gauland hat völlig Recht wenn er sagt: "Angela Merkel hat die Gründungsurkunde der AfD mitunterzeichnet."

    Wahrlich, Merkel, Käßmann, Göring-Eckhardt und viele andere ideologisch-religiöse Mitläuferinnen, wollen ein anderes Gebilde als das jetzige Deutschland erschaffen. Hoffentlich werden Sie rechtzeitig zum Scheitern verurteilt.

  • Ihre Überlegung, die Christdemokratische Partei verdiene eigentlich den Namen "Die Kanzler Partei", ist folgerichtig. Die resultierende Abkürzung, DKP, könnte jedoch den einen oder anderen potentiellen Wähler mit christlicher Prägung verschrecken; um dieses zu vermeiden, wäre die CDU womöglich besser bedient, in Anlehnung an unser Fußballwunder "Die Mannschaft", den unverfänglichen Namen "Die Partei" zu erwägen.