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Publico Dossier: Die Psychologie des grünen Erfolgs

Warum schafft es die Partei, zu einer Kraft aufzusteigen, die tatsächlich den nächsten Kanzler stellen könnte?  Auch deshalb, weil sie politische Techniken beherrscht, die ihre Konkurrenten noch nicht einmal erkennen

Von Dirk Schwarzenberg und Alexander Wendt

Das Wahlergebnis der Grünen in Deutschland lässt sich nicht verstehen ohne drei Begriffe, die in der US-amerikanischen Politik seit Jahrzehnten eingeführt, hierzulande allerdings – zumindest zwei von ihnen –  als Begriff noch weitgehend unbekannt sind. Als Technik selbst allerdings nicht.

Die Grünen und ihr organisatorische wie mediales Umfeld bedienen seit etwa einem Jahr dreier Instrumente in Perfektion, während die anderen Parteien die Praxis noch nicht einmal begreifen: Astroturfing, Framing und gezielte Beeinflussung des Overton Windows.
Um mit dem ersten zu beginnen: Bei Astroturf handelte es sich ursprünglich um einen Begriff für Kunstrasen in Stadien. Schon in den 90er Jahren benutzten Politiker und Politanalysten das Wort für öffentlichkeitswirksame Aktionen, die koordiniert und gewissermaßen im Ganzen ausgerollt werden, aber den Eindruck einer spontanen, an vielen Stellen gleichzeitig entstehenden Aktivität erwecken sollen. Also das Gegenteil eines Kunstrasens, nämlich eine urwüchsige Graswurzelbewegung. Der Begriff geht wahrscheinlich auf den texanischen Senator Lloyd Bentsen zurück, der 1985 plötzlich sehr viele Briefe und Postkarten bekam, scheinbar von normalen, unabhängig voneinander agierenden Bürgern, die ihn beknieten, sich besser um die Interessen der Versicherungswirtschaft zu kümmern. “A fellow from Texas“, meinte Bentsen, „can tell the difference between grass roots and AstroTurf… this is generated mail.”

Mit simpler Briefpost betreibt heute niemand mehr Astroturfing. Die Instrumente sind unendlich wirkungsvoller, und die Praxis zielt auf die breite Öffentlichkeit: Mit vorgeblich von unten gewachsenen Bewegungen wie den „Schulstreiks für das Klima“, mit Youtube-Videos und mit Veröffentlichungswellen von Appellen.

Mit dem Begriff Framing immerhin kann spätestens seit dem „ARD-Framing-Manual“ der Publizistin Elisabeth Wehling schon eine etwas größere Öffentlichkeit in Deutschland etwas anfangen. Zur kurzen Erinnerung: Wehling, eine mit wohlklingendem eigenen Institut selbstnobilitierten Psychologin, hatte für die ARD 2017 ein so genanntes Framing-Manual verfasst, in dem sie dem Senderverbund riet, für eine höhere Akzeptanz des Gebührensystems moralisch aufgeladene Begriffe in Umlauf zu bringen. Etwa „Gemeinwohl-Funk“ für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Kritiker sollten folglich als Gemeinwohl-Feinde, Gebührenverweigerer als „vertragsbrüchig“ stigmatisiert werden.

Theoretiker und Praktiker des Framing (von Frame, Rahmen) erklären Sachverhalte als praktisch beliebig dekonstruierbar. Für sie gibt es keine Objektivität, selbst in der Naturwissenschaft nicht, sondern nur „Deutungsrahmen“, die, je nachdem, wie sie gesetzt werden, die öffentliche Diskussion leiten. Was ja auch zu einem gewissen Grad zutrifft. Es lenkt die Wahrnehmung vieler Medienkonsumenten erheblich, wenn etwa Demonstranten in Chemnitz als „Mob“ bezeichnet werden, gewalttätige Besetzer im Hambacher Forst dagegen als „Aktivisten“. Oder ob ein Medium von „Klimaentwicklung“ und „Klimawandel“ schreibt – oder von „Klimakrise“.

Beides, scheinbar spontane Bewegungen wie Begriffsprägung beeinflussen wiederum das Overton-Window. Den Begriff des „Wahrnehmungsfensters“ prägte der amerikanische Politikwissenschaftler Joseph P. Overton (1960 -2003). Nach seinem Modell existiert ein Fenster der Wahrnehmung für gesellschaftliche Themen, das jedenfalls für die große Bevölkerungsmehrheit definiert, was als akzeptabel, umkämpft und außenseiterisch gilt. Overton entwarf folgende Skala:
Geltende Politik, populäre Ansicht, zunehmende Vernunft, noch akzeptable Ansichten, Radikalität und „undenkbare“ Ansichten („Policy, Popular, Sensible, Acceptable, Radical, Unthinkable“).

Wie ein Blick in die Geschichte zeigt, ändert sich die Bewertung vieler Ansichten in diesem Fenster von Generation zu Generation, und zwar nicht selten grundlegend. Massenverfolgung, die im Dritten Reich oder in der stalinistischen Sowjetunion als „normal“ galt, gehört heute zu Recht zu den Schreckensvorstellungen. Aber auch etwas kleinere und abgegrenzte Themen gleiten auf die Skala. Zu DDR-Zeiten hatten sich beispielsweise mit der Stabilisierung der SED-Herrschaft die meisten im Land mit Enteignung und Kollektivierung abgefunden. Im Westen galt dieses Gesellschaftsmodell spätestens seit dem Erfolg des Wirtschaftswunders als undenkbar, mindestens als radikal.
Unmittelbar nach dem Zusammenbruch der DDR 1989 überlebten Enteignungsphantasien bestenfalls noch im härtesten SED- und DKP-Funktionärsmilieu. Heute gleitet die Wahrnehmung gerade wieder in Richtung „empfindlich“ bis „akzeptabel“, wenn etwa Kevin Kühnert Kollektivierungspläne für BMW entwirft, und der Grünenvorsitzende Robert Habeck meint, über die Enteignung von Immobilien sollte ruhig einmal nachgedacht werden. Begriffe und Themen driften nicht nur einfach in dem Wahrnehmungsfenster. Sie lassen sich mit Geschick und Anstrengung auch ganz gezielt verschieben.

Als klassisches Astroturf-und-Framing-Unternehmen dürfte das Unternehmen Greta einmal in Psychologielehrbücher eingehen. Der Blogger Don Alphonso hatte schon im März 2019 ein nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes Strategiepapier veröffentlicht, das zeigt, wie straff und professionell die „Fridays for Future“-Bewegung tatsächlich organisiert wird – vor allem von den Grünen.

Bei deutschen Demo-Auftritten Thunbergs weichen zwei Personen der 16-Jährigen so gut wie nie von der Seite: Luisa Neubauer, eine Art Klimajugend-Beauftragte der Grünen, und Jakob Blasel, Greenpeace-Aktivist und Mitglied der Grünen Jugend. Zwei gutaussehende und mediengewandte junge Grüne, ein praktisch unkritisierbares Kind im Rang einer „Prophetin“ (Göring-Eckardt) –  das Trio wirkt so smart zusammengecastet wie eine der notorischen Neunziger-Jahre-Boybands.
Zu den Schülerdemonstrationen kommt nicht nur eine fast durchgehend wohlwollende Begleitung durch die etablierten Medien, wo wiederum das Herz der Journalistenmehrheit für die Grünen schlägt. Dazu kommt, wie eine Recherche von Tichys Einblick zeigte, im Hintergrund eine NGO. Wichtiger Verstärker für die Öffentlichkeit: das fast gleichzeitig entstandene Parallelnetzwerk der „Scientists for Future“, das für die nötige argumentative Unterfütterung sorgen soll und behauptet, „16 000 namhafte Wissenschaftler“ aus Deutschland, Österreichs und der Schweiz zu vertreten”. Als Initiatoren treten unter anderen der aktivistische Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Hans-Joachim Schellnhuber auf, dessen Stellvertreter Johan Rockström sich gerade in einem Interview mit frei erfundenen Behauptungen und Zahlensalat („Ein Steak enthält 70 Liter Erdöl“) blamierte und seine Behauptungen zurücknehmen musste.

Außerdem dabei: Der TV-Moderator Ranga Yogeshwar, der Medizinpublizist Eckart von Hirschhausen und die für ihre Falschprognosen bekannte Ökonomin Claudia Kemfert (die 2011 prophezeite, die EEG-Umlage werde bis 2020 nicht über 3,59 Cent pro Kilowattstunde steigen, und andererseits einen schon bald fälligen Ölpreis von bis zu 200 Dollar pro Barrel vorhersagte). Dass die „Scientists for Future“ nicht‚ die „Klimawissenschaft” repräsentieren, sondern ihren hoch aktivistischen Teil, kann jeder erkennen, der beispielsweise das Buch „Die Klimafalle. Die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung“
von Hans von Storch zur Hand nimmt. Der renommierte Meteorologe und Küstenforscher warnt darin seine Kollegen, sich als Ersatzpolitiker und Chefapokalyptiker aufzuspielen.

Die Netzwerke von grüner Partei, „Fridays for Future“-Schülern, journalistischen und institutionellen Unterstützern bilden das Kunstrasen-Geflecht, erstaunlich schnell ausgerollt und bemerkenswert solide gearbeitet. Wie wenig Spontanität darin steckt, zeigt sich beim Studium der Theorie-Texte dieser Bewegung, den schon mehrere Jahre alten Publikationen der US-amerikanischen Psychologin Margaret Klein Salamon:  The Transformative Power of Climate Truth und Leading the Public into Emergency Mode. In „Die Öffentlichkeit in den Notfallmodus führen“ empfiehlt Klein ein Vorgehen, das sich wie ein Drehbuch der „Fridays for Future“-Bewegung  liest. Dort heißt es:
„Das Akzeptieren der Klimawahrheit kann nicht nur dein bürgerliches und politisches Engagement beeinflussen, sondern auch deine Prioritäten, Ziele und dein Identitätsgefühl. Üblicherweise heißt es in der Argumentation der Klimapolitik dass ‘Furcht nicht funktioniert’: der Öffentlichkeit die erschreckende Wahrheit zu erklären würde nur vor Klimaaktionen abschrecken, und die Aufgabe der Klimabewegung bestünde darin, den Klimawandel als handhabbares Problem mit handhabbaren Lösungen darzustellen. Aber Verzweiflung, Panik und Angst sind nicht nur die einzigen Antworten auf die Klima-Wahrheit.
Der Notfall-Modus ist der Modus der humanen psychologischen Funktion, der eintritt, wenn Individuen oder Gruppen optimal auf existenzielle oder moralische Notfälle reagieren. Dieser Modus des humanen Funktionierens, der sich von dem ‚normalen’ funktionieren unterscheidet, ist von einer extremen Konzentration von Aufmerksamkeit und Ressourcen geprägt, um produktiv zusammenzuarbeiten und den Notfall zu lösen. Um diesen Weg zu beschreiten, müssen die Menschen erkennen, dass sie mit einem Notfall-Problem konfrontiert sind, das Notfall-Lösungen erfordert.“

(Accepting climate truth can affect not only your civic and political engagement, but also your priorities, goals, and sense of identity. Common climate communications wisdom argues that “fear doesn’t work:” telling the public the terrifying truth will only deter action, and it’s the climate movement’s job to present climate change as a manageable problem, with manageable solutions. But despair, panic and anxiety are not the only responses to the knowledge of climate truth.
Emergency mode is the mode of human psychological functioning that occurs when individuals or groups respond optimally to existential or moral emergencies. This mode of human functioning, markedly different from “normal” functioning— is characterized by an extreme focus of attention and resources on working productively to solve the emergency. To go into it, people must recognize that they are facing an emergency problem, that requires an emergency solution.)

Genau dieser Empfehlung, bewusst im Panik-Modus zu sprechen, folgt das gesamte Netzwerk, dessen Zentrum die Grünen und die Greta-Bewegen bilden. Die Protagonisten arbeiten die Gebrauchsanweisung mit entsprechendem Framing und Wording regelrecht ab.
Greta Thunbergs emblematischer Spruch lautet bekanntlich: „Ich möchte nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich will, dass ihr in Panik geratet.“
Bei Luisa Neubauer klingt das so (in einem Beitrag für den WWF-Blog im Januar 2019): „Denn es fühlt sich tatsächlich so an, als würden wir in einem Auto sitzen, das auf einen Abgrund zusteuert. Doch anstatt zu bremsen, wird beschleunigt. Wir wurden in dieses Auto gesetzt, ohne dass wir gefragt wurden. Es gibt diesen Abgrund wirklich.“

Bei der  Mikrobiologin Antje Boetius, Mitglied bei den „Scientists for Future“ hört es sich so an (in der Sendung „Maybritt Illner“):
„Die Zukunft ist kaputt, die Zeit ist um, wir haben jetzt noch zehn oder zwölf Jahre, um wirklich etwas zu ändern – und das wird den Bürgern verheimlicht.“

Oder in einem Artikel des Spiegel Online-Autors Theodor Ziemßen, der das beschreibt, was er für das Schicksal seiner Söhne im Alter von zwei und sechs Jahren hält:
„Wir haben sie in diese Welt geboren, ohne vorher genau auf das Haltbarkeitsdatum der Menschheit, wie wir sie kennen, zu gucken. Und jetzt? Tun wir nicht genug, schauen nicht genau genug hin, sind nicht laut genug und rufen nicht oft genug ‚Nein!’, um das Unglück aufzuhalten.“

Der Wechsel in den Panik-Modus vollzieht sich nicht nur in Deutschland. Der britische Guardian kündigte kürzlich an, statt „Klimawandel“ bevorzugt von „Klimanotfall“, „Klimakrise“ oder „Klimakollaps“  zu schreiben („Instead of  “climate change” the preferred terms are “climate emergency, crisis or breakdown”).

Es handelt sich um geradezu mustergültiges Framing: Meinungslenkung durch suggestive Wortwahl.
In den Panik-Modus passt auch, dass auf Druck von Grünen verschiedene Städte – etwa Konstanz – den „Klimanotstand“ für die Kommune ausriefen.

In der Angst-und-Schreckens-Rhetorik kommt kaum noch eine konkrete Zahl, ein Faktum, ein Argument vor. Und wenn, dann nur als groteske Verzerrung. Ziemßen etwa suggeriert auf Spiegel Online, seine Kinder würden es noch erleben, dass Hamburg „im Meer versinkt“. In Wirklichkeit geht selbst das katastrophengestimmte IPCC nicht einmal in seiner pessimistischsten Prognose von einem derartigen Meeresspiegelanstieg an der Nordseeküste innerhalb nur einer Generation aus. Ganz abgesehen davon, dass kein Küstenstadt eine Pegelerhöhung einfach tatenlos hinnehmen würde.

Nirgends gibt es eine solche Zunahme der Erwärmung, eine Beschleunigung des Klimawandels, die einen globalen Notfallmodus tatsächlich rechtfertigen würde. Der Meeresspiegelanstieg lag in den letzten Jahren laut Nasa bei 3,3 Millimeter jährlich, nach anderen Daten, etwa der University of Colorado, bei 3,1 Millimeter. Es gibt durchaus renommierte Ozeanologen wie Nils-Axel Mörner, die den Anstieg nicht als alarmierend ansehen, und dem IPCC Panikmache vorwerfen.

Auch die globale Durchschnittstemperatur steigt mitnichten von Jahr zu Jahr, erst recht nicht immer stärker. Laut Nasa war 2018 nicht das wärmste, sondern nur das viertwärmste Jahr seit 1880. Der Winter 2018/2019 in den USA und Kanada gehörte mit Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius und komplett gefrorenen Niagarafällen sogar zu den kältesten seit längerer Zeit.

Seine Ankündigung der Notfall-Rhetorik illustrierte der „Guardian“ mit einem Foto von Eisbären. Seit Jahren suggerieren Bilder des polaren Fleischfressers, wegen des fortschreitenden Klimawandels verliere er seinen Lebensraum und sei vom Aussterben bedroht.


In Wirklichkeit nimmt der Eisbärenbestand zu, in Kanada etwa von 2005 bis 2017 von 22 500 auf 30 000.

Neu sind also nicht die Erwärmungsdaten, sie zeigen keine sensationelle Beschleunigung. Neu ist auch nicht, was grüne Politiker oder Wissenschafts-Aktivisten wie Schellnhuber zu Thema Klimaentwicklung sagen: Sie wählen seit Jahren grundsätzlich die höchsten Prognosen, die pessimistischsten Annahmen, und leiten daraus die radikalsten Forderungen ab. Neu ist tatsächlich der von einem vorgeblich spontan gewachsenen Netzwerk vorgetragene Panik-Ton. Dessen Botschaft lautet: Es bleibt keine Zeit mehr, die Katastrophe steht unmittelbar bevor, es darf nicht mehr diskutiert werden.

Das propagandistische Trommelfeuer – flankiert von der empörten Reaktion, wenn jemand Greta Thunberg und schulstreikende Kinder kritisiert – verschiebt die gesellschaftliche Wahrnehmung im Overton-Window. Bis vor kurzem galt es noch als weithin unakzeptabel oder mindestens radikal zu behaupten, ausgerechnet kollektive Panik und Unterdrückung jedes Zweifels könnte die Lösung eines Problems befördern. Mittlerweile scheint vielen Politikern und auch Bürgern bis weit in die Mittelschicht gerade diese Sichtweise akzeptabel. Oder sie wagen ihre Zweifel nicht mehr öffentlich auszusprechen. Denn wer das tut, kommt in diesem Meinungsklima schnell in den Ruch eines Menschenfeindes, der die Weltrettung sabotiert.

Unter diesen Bedingungen gewinnen die Grünen vor allem in Deutschland, wo protestantisches Schuldbewusstsein und Weltbelehrungsmission Hand in Hand gehen, innerhalb eines ohnehin schon dominanten Themas die absolute Meinungsherrschaft. Wie sehr, das machte die Europawahl deutlich: Der CDU-Politiker Armin Laschet bekannte nach der Europawahl bei „Anne Will“ schuldbewusst, seine Partei habe das Klimathema unterschätzt. In der Sendung schaffte er es nicht, eigene Argumente vorzubringen und irgendwie gegen die Definitionshoheit von Grünenchefin Annalena Baerbock anzukommen. Der völlig tapsig-hilflose Umgang der CDU (und auch der SPD) mit dem Video des Youtubers Rezo („Die Zerstörung der CDU“), der schon seit langem kursierende grüne Legenden und Talking Points (etwa die absurde Behauptung, die Bundesregierung sei am Untergang der deutschen Solarindustrie schuld) noch einmal in den Durchlauferhitzer geschickt hatte, drängte die nichtgrünen Politiker noch weiter in die Ecke. Übrigens: Auch die „spontane“ Zustimmung von 70 Youtubern zu Rezos Werk kann als herausragendes Exempel für Astroturfing gelten.

Die Grünen gewinnen mit Astroturf und Framing deshalb so leicht, weil ihre Konkurrenten gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Ihnen fehlen die Vorfeldorganisationen wie „Fridays for Future“, die mediale Begleitmusik, die Fähigkeit, Meinungen und Fakten im Netz zu verbreiten. Die politische Schlacht wirkt wie ein Zusammenprall von lanzenbewehrten Rittern mit einer Armee von taktisch agilen Musketenschützen.

Wer genauer hinsieht, der erkennt beispielsweise am deutschen Europawahlergebnis: Es vollzieht sich eben keine linke Revolution, sondern überwiegend ein Stimmentausch innerhalb des linken Lagers zugunsten der Grünen – wobei das Lager per Saldo noch leicht schrumpft. Die Verluste von SPD und Linkspartei lagen insgesamt über dem Zugewinn der Grünen.

Da die Grünen inzwischen mit Ausnahme der AfD an jede andere politische Kraft andocken können (beziehungsweise: die anderen an sie), liegt ein Kanzler Robert Habeck nicht nur auf dem Stern-Cover in Reichweite, sondern auch in der Realität. Es sei denn, viele Deutsche setzen sich wesentlich mehr als bisher mit den Mitteln der psychologischen Politkampagnenführung auseinander.

Eine wesentliche Schwäche hat das Konzept der Panik-Rhetorik: sie lässt sich nicht mehr steigern.

Und auch nicht ewig durchhalten, ohne ihre Wirkung zu verschleißen.

 

 

 

Redaktion:

Kommentare anzeigen (62)

  • Eine brillante Darstellung der Strategie von Leuten mit Willen zur totalen Kontrolle. Für die im Artikel beschriebene Stoßrichtung ihrer Propaganda "Es bleibt keine Zeit mehr, die Katastrophe steht unmittelbar bevor, es darf nicht mehr diskutiert werden." haben die Politbürokraten des BMU selbst inzwischen den Beweis geliefert: Sie haben eine Graphik mit der Überschrift "KLIMASCHUTZ: Ja, aber-Bingo" getwittert, die jegliche Argumentation einfach abwürgen will, sie mag wissenschaftlich noch so gut begründet sein.

  • Statt sich mit psychologischer Kampagnenführung zu beschäftigen, könnte man auch einfach den eigenen Verstand benutzen. Eine gewisse Blödheit gehört schon dazu, um den Grünen ihren Müll so kritiklos abzukaufen und eine 16jährige als Heilige zu verehren. So rafiniert sind diese Techniken wiederum nicht.

    • " . . . So rafiniert sind diese Techniken wiederum nicht." Nein, sind sie eigentlich nicht, aber sie passen zusammen mit einer anderen Seite der Medaille der fortschreitenden Verblödung der Massen und dem tiefen Fall des Bildungsniveaus an den deutschen Schulen. Im Zusammenhang wirds verständlicher.

      Vermutlich sitzen die Organisatoren dieser ganzen Schiesse und grinsen sich eins wenn jetzt die ersten Diskussionen anfangen um nicht zu versetzende friday ...Schulschwänzer. Wobei ich nicht glaube, dass da grossartig wer sitzen bleiben muss. Vielleicht ein paar Einzelfälle zur Beruhigung jedwelcher Aufregung, der grösste Teil wird vermutlich "per ordre de mufti" trotz fehlender Voraussetzungen trotzdem versetzt.

    • Sehe ich auch so.
      Zum einen geben führende Grüne oft genug derart haarsträubenden Unsinn von sich, dass normales Schulwissen ausreicht, Dummquatscher als solche zu entlarven.
      Zum anderen ist es nicht schwer, einen logischen Bogen von der wachsendenden Zustimmung zu einer CO2 Abgabe zum Finanzierungsbedarf der von den Grünen (und nicht nur von Grünen) herbeigesehnten orientalisch- afrikanischen Zuwanderung zu spannen. Die durch diese Zuwanderung beschleunigte Verflüchtigung des National- oder Heimatgefühls als Klammer, die eine Nation zusammenhält, wird eine "Menge" von Menschen hinterlassen, die nur noch das von ihnen bewohnte Land gemeinsam haben.
      Eine solche "Menge" von Menschen lässt sich gewiss auch leichter in eine gewünschte Richtung dirigieren. Ich verzichte hier auf Mutmaßungen. wer oder was der Dirigent/ Puppenspieler ist. Die Grünen sind es gewiss nicht, sie zappeln auch nur an irgendwelchen Strippen.

  • Schön und gut. Aber das beantwortet noch nicht die Frage aller Fragen: Wer dirigiert und wer bezahlt warum? Ein FAZ-Leser hat neulich den „Climate Accountability, Public Opinion, and Legal Strategies Workshop” 2012 im kalifornischen La Jolla zitiert, in dessen „vertraulichem Summary“ auch der Einsatz von Kindern erwähnt worden sei, „Unterstützer sind u.a. Rockefellers und Open Society Foundation“, schrieb der Leser.

    Ricken Patels absurde „Avaaz"-Jubelmail „Wir haben’s geschafft. Europa leistet Widerstand“ könnte einen Hinweis geben, in der so getan wird, als sei mit der Europawahl ein Viertes Reich verhindert worden: „Liebe Avaaz-Bewegung, nie waren wir stolzer auf das, was wir gemeinsam geschafft haben“, schreibt Patel:

    Nach Trump, Brexit und Bolsonaro wäre Europa beinahe als nächstes an der Reihe gewesen. Europa, als letzte verlässliche demokratische Großmacht, wäre im Hass und den Falschnachrichten der extremen Rechten ertränkt.

    Es folgt eine beispiellose Übertreibung der „rechtsextremen“ Gefahr, die man erfolgreich abgewendet habe. Wem nutzt die Übertreibung? Ich neige nicht zu Verschwörungstheorien, aber gesichert scheint, dass Soros auch bei Avaaz mit einem bedeutenden Dollarbetrag drinhängt.

    Ein Aspekt wurde übrigens auch hier nicht berücksichtigt: die ungute Feminisierung der Politik. Wie „Welt“-Leserin Katja L. heute sehr richtig schreibt: „Frauen an der Spitze sind nicht zwangsläufig ein Gewinn, in D wünsche ich mir als Nächstes einen Werteunion-Mann, der die Fehlbesetzungen endlich austauscht, damit wieder vernünftig regiert werden kann.“ Und junge Mädchen, wie wir sie demnächst in jeder ARDZDF-Talkshow sitzen sehen, erst recht nicht.

    Wer ist eigentlich Dirk Schwarzenberg? Will der unbekannt bleiben? Auch im letzten „Tichy“-Heft fehlt jeder Hinweis.

    • Die Profiteure sind doch bekannt: alle, die mit dem Klima-Hype Geld verdienen, z.B. auch die Hersteller, Betreiber, Verpächter von EE-Anlagen, d.h. diejenigen, in deren Taschen das Geld landet, das von Stromkunden und Steuerzahlern eingetrieben wird.
      Der in letzter Zeit zunehmend betonte Zeitdruck für weitere Maßnahmen könnte daher kommen, dass sich die Anzeichen für eine Abkühlungsphase (z.B. NASA-Bericht über minimale Sonnenaktivität ähnlich Maunder- Minimum) auch bei den Profiteuren mehren, sodass man jetzt Druck macht, um noch einzusacken, was möglichich ist, bevor die Abkühlungsphase offiziell wird und kein Mensch mehr mit Klimaerwärmung beunruhigt werden kann.

    • Eine der interessanten politischen Phänomene fand ich die Kampagne gegen Seehofer. Immerhin ist dieser ja nicht irgendein ausländischer Staatsmann den man - getrennt z.B. durch den Atlantik - gratismutig diffamieren kann, sondern ein wichtiger Teil der aktuellen Administration der Republik. Die permanenten Angriffe gegen seine Person, der Versuch ihn fest im rechtsradikalen Lager zu verorten und ihn damit politisch und gesellschaftlich zu isolieren, zeugt halt nicht von einer “linksversifften” Presse oder einer tapsigen Merkel, sondern einer wirklich großen “Sache”.

    • Hallo,

      habe gesucht nach "Climate Accountability, Public Opinion, and Legal Strategies Workshop” 2012 im kalifornischen La Jolla zitiert, in dessen „vertraulichem Summary“ auch der Einsatz von Kindern erwähnt worden sei, "
      Das dazugehörige vertrauliche summary war nicht zu finden.
      Haben Sie Zugriff?

  • Wieder ein im wahrsten Sinne des Wortes aufklärerischer Bericht, wie man ihn bei Publico gewohnt ist. Dennoch ist soetwas nicht selbstverständlich.

    Wenn ich nochmals jung sein könnte, würde ich versuchen, bei Publiko anzuheuern, so gut finde ich das. Im besten Sinne aufklärend. Besser geht es nicht. Herr Wendt, Sie verdienen unser aller Unterstützung.

    Sachlich kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was hier alles vor unseren Augen und in Wahrheit hinter unserem Rücken abläuft.

    Nun dürfte jedem klar werden: Einen Umsturz zum Sozialismuss mit den RotGrünen und all den anderen Roten einschließlich CDU wird keineswegs gewalttätig erfolgen, warum? Weil wir schon mittendrin sind in der kaum spürbaren gewaltlosen Umwandlung zum Sozialismus.

    Stück für Stück und immer ein bißchen mehr - mithilfe der Psychologie, gerichtet gegen das eigene Volk und mit versteckten Hebeln wie Framing, Astroturf und Co.

  • Mein Dank an beide Autoren dieser Studie: Ich fand sie in etlichen Hinsichten ausgezeichnet!

  • Hochbrisant und -interessant. Das sind die Gehirnwäschemethoden der Sciontologen wie wir sie von der Scientologie Church gewohnt waren. Wer dazu greifen muss, kann keine Wahrheit befördern wollen, sondern will manipulieren. Das lässt mir den Klimawandel in einem anderen Licht erscheinen.

  • Hallo liebes Publico-Team,

    ihr seid meine neue Nachrichtenquelle. Wow. Solche Artikel erwarte ich eigentlich von den großen Zeitungen. Die sind aber wohl schon lange den großen Parteien und jetzt auch den Grünen verfallen.

    Vielen Dank. Gespendet habe ich schon.

  • Sehr aufschlussreich und gleichzeitig (in Verbindung mit dem "Sieg" der "Grünen" bei der Europa-Wahl) erhellend, inwieweit sich einige Schichten der Bevölkerung dieses Landes indoktrinieren lassen. Und, Laschet: Der Mann drückt nur aus, dass die CDU sich bedauerlicherweise nicht auch diese Verfahrensweisen und Themen zu eigen gemacht hat, dies aber nur, weil man damit möglicherweise einige Wählerstimmen nicht bekommen hat. Wer glaubt, ob Baerbock oder Laschet oder sonstwer hat wirklich das Wohl der Gesellschaft im Sinn, dem sei gesagt: Es geht nur und ausschließlich um Macht; eine Macht, jene Posten und Pöstchen besetzen zu können, die die eigenen Unterstützer und natürlich sich selbst gut auf Kosten der Gemeinschaft "ernähren" können... Die Umwelt interessiert diese Menschen in Wirklichkeit einen Dreck. Das ist alles Heuchelei.

  • Sehr gut dargestellt.
    Was aber ist das Ziel dieser Kampagne? Zunächst der Machtgewinn der Grünen auf Bundesebene und sodann der Umbau der Gesellschaft hin zu einem grünen Biotop mit allen Konsequenzen für die Bürger und das Land?
    Würde sich die "grüne Hegemonie" aber nicht sehr schnell selbst entzaubern?
    Die umfassenden Ansprüche, Regeln und Verhaltensvorschriften der Grünen und ihrer Bewegten könnten recht schnell als dirigistisch, etatistisch und der Freiheit des Einzelnen zutiefst feindlich gesinnt empfunden werden.
    Die Freiheit ist ein flüchtiges Wesen. Ihr Verlust wird sich selbst mit massiver Unterstützung der Medien nicht dauerhaft kaschieren lassen. Auch wenn Propaganda wirkt.
    Am Ende stünde ein autoritärer Ökostaat.
    Leider wissen wir aus der Geschichte, dass viele Menschen hier und anderswo Konformität bisweilen höher schätzen als individuelle Freiheit.
    Derzeit haben die Grünen "einen Lauf", aber wie immer in der Geschichte gibt es auch Gegenbewegungen (etwa in vielen Ländern Europas, in Übersee sowieso) und der Moment des Triumphes könnte gleichzeitig der Wendepunkt sein.
    Am Ende könnte der Katzenjammer stehen.

    • Grün ist das neue Rot, für den alten Klassenfeind ist jetzt auf der Projektionsfläche der Klimawandel, den es zu bekämpfen gilt. Wer sich dem entgegenstellt, ist der neue Feind, der mit allen Mitteln bekämpft wird. Eine Dystopie, die real wird.

    • Ganz kurz, die Grüne Bewegung wurde kommunistisch gekapert. Wie jene mit welchen Zielen vorgehen, da möge man sich u.a. mit Gramsci oder Alinsky befassen.

      • Ein Teil der Alt-Grünen kommt doch aus der kommunistisch-marxistischen Ecke. Das waren Anhänger von Mao und dessen Kulturrevolution. Die Mao-Bibel fest in der Hand. Mao setzte bekanntermaßen auch die Jugend als Rammbock gegen die Alten ein, um die Kulturrevolution durchzusetzen. Genau hier sind die Parallelen zu sehen.

        • Die Kulturrevolution haben wir seit 1968. Der derzeitige Stand ist die Auflösung der Geschlechtsidentität mit der Genderforschung. Mit der Energiewende und der Verkehrswende haben wir den „großen Sprung nach vorn“.

          • Es soll jedwede Art von Identität aufgelöst werden, auch z.B. die kulturelle und nationale Identität - mittels Massenmigration.
            Ohne Identität, ohne Wurzeln sind die Menschen ohne Halt und man kann mit ihnen machen was man will. Eine identitäätslose Masse ist formbar wie Knete.

  • Lieber Herr Schwarzenberg, lieber Herr Wendt,
    Danke!
    Ihr obiger Aufsatz ist der beste politische Artikel der letzten Jahre und sollte in jeder Parteizentrale als Poster an der Wand hängen. Man fragt sich als Beobachter warum hochbezahlte Marketingleute der anderen Parteien den Sachverhalt und mögliche Gegenmaßnahmen nicht kommunizieren können. Das Personal gehört jedenfalls gefeuert und ausgetauscht. Ich teile ihren Optimismus der Abnutzungsthese jedoch nicht. Die Kampagne fand in einem der 20 kältesten Maimonate seit Beginn der Aufzeichnungen gegen den gesunden Menschenverstand statt und hat dennoch gezündet (der irrationale Feldzug gegen "den Diesel" passt übrigens auch noch analog gut dazu). Will man sich von den Grünen nicht restlos fertig machen lassen, muss zum propagandistischen Vergeltungsschlag ausgeholt werden. Die politische Kultur wird nach diesem Wahlkampf eine andere sein als zuvor oder wir marschieren in die grüne Nudging-Diktatur. Die Grünen zwingen dies den anderen Parteien auf. Die hilflosen Versuche von AKK die Musketen der Grünen wieder in den Schrank zu legen, scheint zudem von der anderen Seite der Partei der Grünen (inkl. Vorfeld, Medien etc.) abglehnt zu werden.
    Treppenwitz der Geschichte: Die letzte Partei, die über eine damals neue Form der Propaganda an die Macht gelangte war die NSDAP. Sie war auch die letzte Partei vor den Grünen, die mit der Macht des Symbols im Parteiwappen hantierte (Sonnenblume heute, Hakenkreuz damals). Auch in den 1930ger Jahren hatten die anderen Parteien der Konzentration von inszenierter Propaganda und Medienübermacht (Hugenberg u.a.) nichts Entscheidendes entgegenzusetzen. Die Rolle der Kommunisten von damals muss nun abstruser Weise (da eigentlich nach den Wertvorstellungen der 1990er Jahre zutiefst bürgerliche Mitte) die AfD übernehmen, die aber der Übermacht der linken Seite unterlegen ist (natürlich ist das Szenanrio diesmal nicht geeignet Straßengewalt über die Angriffe auf Einzelne hinaus zu generieren; das wollen die Grünen tatsächlich nicht, niemand wird daran sterben).