Niemand tut zurzeit so viel für die politische Kultur in Deutschland wie die Grünen-Politikerin. Höchste Zeit für ein ehrlich gemeintes Lob
Ganz ausnahmsweise beginnt dieser Text mit einem kleinen Werbeblock in eigener Sache, der allerdings im Zusammenhang mit dem großen Ganzen steht. Am Freitagabend nimmt der Autor dieses Textes nämlich an einer Podiumsdiskussion in Pirna teil, um mit dem Oberbürgermeister Tim Lochner über Kommunal- und Großpolitik, Brandmauer und Stadtbild zu debattieren.
Am Samstag geht es aufs nächste Podium und zwar in Weimar, wo die Hayek-Tage stattfinden. Dort spreche ich, wenn die Bahn mitspielt, mit dem Anwalt Ralf Höcker und dem Autor Wolfgang Herles über das Thema Meinungsfreiheit. Beide Veranstaltungen finden in Ostdeutschland statt und deshalb nirgendwo anders als im örtlichen Dönerladen. Das mag auf manche Leser überraschend wirken; die Beauftragte für Bevölkerungskontakt der grünen Partei Katrin Göring-Eckardt wies allerdings gerade auf X darauf hin, dass es ohne Dönerverkaufsstellen in den Ostgebieten überhaupt kein öffentliches Leben gäbe.Aber eins nach dem anderen. Zu dem längeren Beitrag der Politikerin zur Siedlungs- , Sozial- und Gastronomiegeschichte gibt es einen kurzen Vorlauf. Bekanntlich beschlossen die Grünen zusammen mit ihren Verbündeten, nach der „Stadtbild“-Äußerung von Friedrich Merz eine ähnliche Kampagne zu starten wie 2024 mit Hilfe von „Correctiv“ und deren Erfindung einer Wannsee-2.0-Konferenz in Potsdam. Die Erzählung lautete damals wie heute, es gäbe keinerlei Problem mit einer regelfreien Migration und Migranten, die sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren wollen, sondern nur eine allgemein rechte Verschwörung gegen alle Eingewanderten oder Bürger mit eingewanderten Eltern. Gerade weil jeder weiß, was Merz tatsächlich mit „Stadtbild“ meint – auch die wohlgesinnten Propagandisten –, trommelte der übliche politmediale Komplex alles zusammen, um die Debatte über das echte Problem sofort durch eine Inszenierung zu ersticken. Unter anderem mit Hilfe der bis jetzt und hoffentlich, falls bei der Union noch irgendwo ein Licht brennt, demnächst nicht mehr mit sechs Millionen Euro aus der Steuerkasse finanzierten Amadeu Antonio-Stiftung, die erwartungsgemäß die Lüge verbreitete, Merz hätte alle Nichtweißen gemeint.
Als der Kanzler dann auf Nachfrage die Empfehlung gab, einmal die eigenen Töchter nach den Angsträumen in den Städten und vor allem im nächtlichen Nahverkehr zu fragen, kam unter Leitung der Empörungsentrepreneurin Luisa Neubauer vor dem Adenauerhaus in Berlin immerhin eine 1200 Menschen starke Ansammlung unter dem Motto „wir sind die Töchter“ zusammen. Sie bestand nicht durchweg aus Töchtern, dafür aus reinweißen Personen, wie übrigens auch schon die meisten Kundgebungen nach der „Correctiv“-Geschichte, von der heute nach einer ganzen Serie von Gerichtsverfahren bestenfalls noch eine Ruine steht. Die Grünen und ihre Alliierten bekamen durchaus mit, dass die Demonstration mit der Parole „Wir, wir, wir sind das Stadtbild“ und „Wir sind 40 Millionärstöchter“ gerade nicht das Berliner Stadtbild repräsentierten. Noch nicht einmal das von Berlin Mitte. Und dass außerdem noch eine ganze Reihe von Bürgern mit unterschiedlichen Migrationshintergründen auf X postete, sie hätten als gut integrierte und sicherheitsbedürftige Einwohner eher ein Problem mit dem Stadtbild in vielen Ecken des Landes als mit einem angeblichen Merzrassismus.
Offenbar deshalb beschloss Katrin Göring-Eckardt, die, nun ja, die Ausländer an sich einmal aufmunternd anzusprechen, indem sie auf X ein Bild von einer Halloumitasche und den Worten postete: „Ich hatte heute Stadtbild. Töchter waren keine.“
Damit bedachte sie die Sorte von Nichtkartoffeln mit Aufmerksamkeit, die man in grüngentrifizierten Stadtvierteln kennt: Den Dönermann, den Gemüsemann, den Taxifahrer. Denn dort beziehungsweise unter den Migras allgemein freut man sich auch immer über eine Ansprache in Pidgin-Deutsch. Eine Aussage muss nicht immer so bürokratisch-formal klingen wie der Satz von Bernd Stromberg: „Der Türke kann Kaffee, Döner, Bauchtanz.“ Danach passierte, was den Grünen öfter passiert: Man verstand sie falsch. Sie bekam innerhalb kürzester Zeit auf X Zuschriften wie diese hier oder diese und diesen Kommentar.
Wenn die Menschen draußen im Land Politiker dieses Schlages nicht verstehen, dann wissen sie, was Not tut: Das Ganze einfach noch besser erklären. Also schob sie einen längeren Post auf X nach, in dem es heißt: „Liebes Türk, liebes Türkin, hab isch einen Post gemacht auf X. Zu Döner und Stadtbild. Den haben nischt alle gutt verstanden, weiss du? Isch hab aber oft nur wenig Zeit zu denke und tippe. Bin isch Konferenze, bin isch Ausschuss. Oder in Dönerladen. Im Osten gibts ja nix anders, weiss du? Stadtbild nämlich. Türktürkin könne Döner und Halloumi mache zum Glück. Ossis sind Leute, wo nur Döner kenne, weil es da sonst nix gibt. Auf X waren soviele Leut, die mein Posts nix oder falsch versteh. Deshalb erklär isch nochmal. Damit du nicht denkst, ich mach Klischee. Verstehst du Wort ‚Klischee‘? Mussu googlen sonst. Tschüss, isch muss zu Morgenmagazin. Salem suleika, eure Katrin Göring-Eckardt.“
Nein, sie baute natürlich nicht diesen Text unter Verwendung von altem Titanic-Material, sondern diesen hier: „Twitter dreht etwas durch, deswegen jetzt ausführlicher: In der ostdeutschen Provinz, wo ich dieses Bild gestern gemacht habe, und sicher auch in vielen anderen ländlichen Regionen unseres Landes, gäbe es so gut wie gar keine Treffpunkte mehr, würde es den einen Döner-Imbiss im Ort nicht geben. Die Menschen, die die Imbisse betreiben, schaffen damit oft die einzige Anlaufstelle weit und breit. Und diese Menschen fragen sich, ob sie jetzt vom Bundeskanzler mitgemeint sind. Und ihre Töchter übrigens auch. Es wäre mehr als angebracht gewesen, hätte Friedrich Merz seine letzte Pressekonferenz genutzt und Klarheit geschaffen, anstatt auch noch die nächste Gruppe zu pauschalisieren. Mir ging es nicht darum, Menschen auf irgendetwas zu reduzieren. Mir ging es darum, auf Realitäten hinzuweisen, fernab der Großstädte. Mir ging es um die Menschen, die in den Klein- und Mittelstädten und Dörfern sichtbar sind – gerade auch in Ostdeutschland. Auch dort gibt es ein ‚Stadtbild‘. Auch dort machen die Worte des Bundeskanzlers etwas mit den Menschen, die sie hören. Man konnte meinen Post missverstehen. Es täte aber wirklich gut, andere Perspektiven in dieser Debatte zuzulassen und die Großstadtblasen mal zu weiten.“
Selbst eine Göring-Eckardt weiß natürlich, dass ein Dönerverkäufer in Gotha sich von Merz nicht mitgemeint fühlt und sich noch nicht einmal rhetorisch diese Frage stellt. Schließlich versteht er sich nicht als grüne Sockenpuppe und spielt auch in keinem Tatort mit. Aber die Bundestagsabgeordnete schaffte es mit diesen und den vorausgegangenen Zeilen, erst einmal die Chiffren Migrant und Dönerladen fest miteinander zu verklammern, und zweitens Ostdeutsche und Sozialwüste, in der nicht einmal das grüne Parteibüro als einzige Anlaufstelle weit und breit dient, sondern nur der Mitoderohnescharf-Laden. Jeder, der in Weimar schon einmal vom Hotel „Elephant am Drehspieß“ einen Stadtbummel durch die Ödnis unternommen hat, dürfte das bestätigen. Im Übrigen liegt Göring-Eckardt mit der Feststellung ganz richtig, dass es auch im Osten ein Stadtbild gibt, auch fernab der Großstädte und erst Recht von deren Blasen.
Die gewiefte, gewitzte und gewandte Frontfrau ihrer Partei und des janzen Milieus schaffte es also in zwei Kurznachrichten, erstens zu bestätigen, was jeder eigentlich schon wissen konnte, nämlich, dass Migranten in der Welt der Erwachten eine bestimmte Rolle übernehmen müssen, um Anerkennung zu bekommen. Sie müssen im progressiven Themenpark die richtigen Stichworte aufsagen, also sich keinesfalls so aufführen wie diese beiden Herren.
Außerdem gelang es ihr mit einfachsten Mitteln sinnfällig zu machen, warum sie in ihrem ostdeutschen Wahlkreis genau 3,1 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte und weshalb ihre Partei ganz allgemein östlich der Elbe gerade von der Landkarte verschwindet. Damit übernehmen die Ostgrünen und deren prominenteste Figur eine Vorreiterrolle für das ganze Land.
Auch eine dritte Gruppe konnte sich angesprochen fühlen – die orthodoxen grünen Kernwähler. Vielen blieb nicht verborgen, dass neben Göring-Eckardts Halloumistadtbild und noch einer anderen Speise auf dem Tisch Plastikgabeln lagen, gut dokumentiert per Handyfoto. Das bedeutet, dass der Wirt in der ostdeutschen Provinz wie vermutlich viele Mihigru-Wirte auf die Einwegkunststoffverbotsverordnung vom 24.6.2020 pfeift. Offenbar störte sich auch die Abgeordnete nicht weiter an dem bösen Besteck. Damit folgt Göring-Eckardt dem Vorbild der bayerischen Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze, auch Kerosin-Katha genannt, die bekanntlich gegen die dritte Startbahn in München und für das Klima kämpft, und vor einiger Zeit ein Selfie postete, das sie dabei zeigt, wie sie in Kalifornien Eis aus einem Plastikbecher löffelt. Premiumpolitiker wie sie gleichen das, was sie den Normalbürgern verbieten und gleichzeitig selbst praktizieren, mühelos durch Haltungszertifikate wieder aus. Die kann man sich nicht kaufen, nur verdienen.
Vollumfängliche Zustimmung für ihre Veröffentlichung erhält Göring-Eckardt, so wie es bis jetzt aussieht, nur von Leuten, die ihre Partei eher nicht ankreuzen.
Gleich drei potenzielle Wählergruppen mit der eigenen Klatsche so vor die Stirn zu schlagen, dass sie es sich bis zu den nächsten fünf bis zehn Wahlen merken: Dafür bietet sich weit über diesen Fall hinaus der Begriff Göring-Döner an, eine feste Verbindung von Namen und Technik ähnlich wie bei Fosbury-Flop. Die Frau schafft mit wenigen Zeilen, wofür Grünenkritiker sich jahraus jahrein die Finger kurztippen.
Niemand leistet derzeit so viel für die Verbesserung der politischen Kultur wie Katrin Göring-Eckardt. Man falle ihr nicht ins Wort und halte sie nicht auf, wenn sie ihren Weg geht, auf dem sie die Partei mitschleift.
Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.
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