Deutschland, heißt es immer wieder, erstickt in der Bürokratie. In Wirklichkeit erstickt sie nur diejenigen, die schon länger hier leben. Das dafür aber gründlich. Mit Antragsformularen und Berichtsfristen lassen sich Bürger ideal kleinhalten


„Man frage nicht, was all die Zeit ich machte“, schrieb Karl Kraus 1933, um seinem Publikum eine längere Schreibpause zu begründen. Damals unter sehr viel ernsteren Umständen, als sie der Autor dieses Klagetextes erlebt. Trotzdem bleibt er nicht stumm, sondern sagt, warum. Denn es handelt sich um immerhin nicht ganz unernste Vorgänge, die seine Arbeit seit Tagen sabotieren.

Der deutsche Staat beschäftigt 5,4 Millionen Menschen in seinen Diensten, davon 1,8 Millionen Beamte und Richter. Das heißt, er besetzt mit ihnen Ämter und Behörden und zahlt ihnen ein Gehalt aus Steuermitteln. Darüber hinaus beschäftigt er noch eine statistisch nirgends erfasste Zahl von Bürgern. Allerdings ohne Bezahlung. Er nimmt den Normalexistenzen also nicht nur laut Bund der Steuerzahler 52,9 Cent von jedem verdienten Euro, sondern auch noch einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit.

William S. Burroughs‘ „Naked Lunch“ spielt teilweise in einem Staat namens Annexia, in dem ein Dr. Benway im offiziellen, wenn auch geheim gehaltenen Auftrag die T. D. organisiert, die Totale Demoralisierung der Bevölkerung. Nicht mit Brutalität, die Benway als ineffektiv ablehnt, sondern durch Bürokratie. „Jeder Bürger von Annexia war gehalten, sich eine ganze Mappe von Ausweispapieren ausstellen zu lassen und diese jederzeit mit sich zu führen“, heißt es bei Burroughs. Ständig verlieren Papiere ihre Gültigkeit, weil eine Frist ausläuft, nur ein Behördenstempel setzt sie wieder in Kraft. Den bekommt ein Bewohner von Annexia allerdings nur unter größten Mühen. „Dokumente wurden in Geheimtinte ausgestellt und verblassten zu alten Pfandscheinen. Ständig wurden neue Dokumente verlangt. Die Bürger hetzten von einer Dienststelle zur anderen in dem verzweifelten Bemühen, Fristen zu wahren, die sie unmöglich einhalten konnten.“ Mit dieser Methode auf Trab gehalten, kommen die Untertanen natürlich nicht dazu, sich gegen diesen Staat zusammenzuschließen. Mit seiner These, dass Papier, Stempel und Vorschriften sich als Herrschaftsmittel besser eignen als Gewalt, liegt Benway durchaus richtig.

Über bestimmte Dinge nicht in Annexia, sondern in Deutschland will man sich lieber nicht laut beschweren. Beispielsweise über die Aufforderung an einen kleinen Medienunternehmer und Autor, sämtliche Fahrt-, Bewirtungs- und Hotelrechnungen aus drei Jahren vorzulegen. In der Schweiz dürfen Selbstständige mit dem Fiskus eine Pauschale für jährlich wiederkehrende und plausible Kosten dieser Art vereinbaren. Das erspart dem Steuerbürger die Anlage eines Archivs mit tausenden Zetteln, und dem Finanzamtsmitarbeiter, sich durch Berge von Restaurantrechnungen und Bahntickets zu wühlen. Wahrscheinlich wenden 80 Prozent der deutschen Selbstständigen für berufsbedingte Kosten nicht mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes auf. Dieser Pauschalsatz würde auch hier beiden Seiten sehr viel Arbeit und damit Zeit sparen. Wer mehr als zehn Prozent geltend machen will, könnte einfach wieder in das Prinzip der Einzelbelege wechseln. In Deutschland ginge die Einführung des Pauschalsystems schon deshalb nicht, weil eine Bärbel Bas beziehungsweise bärbelbasähnliche Politiker vorher darauf hinweisen würden, dass eine Gerechtigkeitslücke aufklafft, wenn jemand nur neun Prozent seines Umsatzes für Büromaterial, Reisen und Ähnliches aufwendet, aber dann zehn Prozent Kosten absetzt. Zwar schafft es die Schweiz trotz dieser Steuerlaxheit, mit einer Staatsquote von 31,6 Prozent eine bessere Infrastruktur als Deutschland mit seiner Staatsquote von gut 50 Prozent aufrechtzuerhalten, und sie kommt außerdem mit deutlich weniger Schulden aus. Aber diese Punkte wiegen nun mal nicht den Wert der Einzelbeleggerechtigkeit auf, wie sie in Basland herrscht. Für Deutschland gibt es eine Verfassung, die bei vielen im Bücherregal steht, und eine apokryphe, die wirklich gilt. Die Präambel für diesen eigentlichen Text lautet: „Die Staatsgewalt hat alles zu unterlassen, was das Leben ihrer Bürger erleichtern könnte oder auch nur von weitem nach praktischer Vernunft riecht.“

Um Missverständnissen vorzubeugen: Der in Papieren wühlende Autor möchte sich keinesfalls beklagen. Klagen über das Finanzamt bringt bekanntlich Unglück in Form von noch mehr Papieranforderungen. Der einzelne Mitarbeiter kann nichts dafür. Vermutlich gibt es Vorschriften, in jeder Einkommensgruppe eine bestimmte Zahl von Prüfungen vorzunehmen, und wen es trifft, das bestimmt der Zufall.

Nicht ganz zufällig, sondern durch Mutwillen des Autors landete gleichzeitig noch eine andere Last auf seinem Rücken. Er möchte nämlich heiraten. Bei Profis liegen die nötigen Unterlagen womöglich griffbereit, aber nicht bei einem Menschen, der zum ersten Mal im Leben den Ehestand anstrebt. Dafür benötigt er einen Auszug aus dem Geburtsregister, zu besorgen in seiner Geburtsstadt Leipzig. Für den schriftlichen Antrag braucht es, so steht es auf der Webseite des Leipziger Standesamts, eine beglaubigte Pass- oder Ausweiskopie, das eigene Geburtsdatum und die Namen der Eltern. Ich besitze keinen Personalausweis, nur den Pass, da ein Dokument im Inland genügt, um sich auszuweisen. Laut Webseite reicht die Passkopie aus, es lässt sich also keinerlei Problem absehen. Nach etwa einer Woche findet der digital beantragte Termin im Bürgeramt München statt, bei dem der offizielle Stempel auf die Ausweiskopie kommt. Das amtliche Dokument, das schon alles enthält, was dann noch einmal im Geburtsregisterauszug steht, kommt zusammen mit dem Anschreiben, das die anderen verlangten Daten enthält, in einen Briefumschlag. Damit sollte alles seinen Gang gehen. Geht es aber nicht. Nach etwa zwei Wochen trifft nicht etwa die angeforderte Unterlage aus Leipzig ein, sondern ein Schreiben mit der Aufforderung, jetzt noch eine Meldebestätigung aus München zu schicken. Anruf in der alten Heimatstadt und Nachfrage, was der Unfug denn soll. Denn das Standesamt verlangt auf seiner Seite nur entweder eine Pass- oder Ausweiskopie. Von Meldebescheinigung steht dort kein Wort. Wozu auch? Meine Adresse steht im Anschreiben, schließlich will ich, dass mein Papierchen genau dorthin geschickt wird, damit ich es dann zum Standesamt München tragen kann. Mit der Ausweiskopie weise ich meine Berechtigung schon ausreichend nach, die Daten stehen mir zu, egal ob ich in A- oder B-Stadt oder in Timbuktu lebe. Außerdem schickt mir die Stadt Leipzig seit Jahren einen Grundsteuerbescheid an meine Münchner Adresse. Die Standesamtsleute bräuchten also nur ein paar Türen weiter bei der Finanzkasse nachzufragen. Der kommunale Mitarbeiter meint am Telefon, das mit der Meldebescheinigung sei nun mal so Vorschrift. Wo genau steht die Vorschrift? Wie lautet sie? Der Mitarbeiter forscht auf der eigenen Webseite, sieht auch noch anderswo nach und kommt zu dem Schluss, dass dort tatsächlich nichts Entsprechendes steht. Er werde das zur Klärung weitergeben. Da sich nichts klärt, richtet der Autor, der sonst nichts zu bearbeiten hat, von ein paar hundert Zetteln für das Finanzamt einmal abgesehen, eine Beschwerde an den Leiter des Leipziger Standesamts, zumal die reguläre Bearbeitungszeit für die Erstellung eines Geburtsregisterauszuges, wie man mir mitteilt, 12 Wochen beträgt. Was andererseits nicht verwundert, wenn sich Mitarbeiter neben den bestehenden Vorschriften auch private Extraregelungen ausdenken. In meinem Fall dauert es schon jetzt länger, denn in der Mitteilung heißt es auch, dass die Bearbeitung erst beginnt, wenn alle Unterlagen vollständig vorliegen. Andererseits auch, dass mein Antrag innerhalb von 14 Tagen als gegenstandslos gilt, wenn ich das zusätzlich verlangte Papier nicht schicke. Danach müsste der Antrag wieder ganz neu gestellt werden. Da ich mich wie andere Selbstständige berufsbedingt ab und zu aus München wegbewege, fällt die Vierzehntagesfrist sehr knapp aus, eigentlich zu knapp.

Der Amtsleiter antwortet zwar nicht auf meine Beschwerde, dafür eine Mitarbeiterin, die mir erklärt, die Anforderung der Meldebescheinigung geschehe ausschließlich aus Datenschutzgründen, also zu meinem eigenen Schutz. Obwohl Straßenname und Hausnummer im Anschreiben stehen und ich die Unterlage für einen anderen Rechtsakt dringend erwarte, könnte sich das Standesamt nicht sicher sein, dass ich auch wirklich tatsächlich richtiggehend dort wohne. Das Amt brauche also einen amtlichen Nachweis, um das festzustellen, weil es einem Bürger grundsätzlich nicht zutraut, seine eigene Adresse korrekt aufzuschreiben. Eine entsprechende Vorschrift nennt sie zwar nicht, erklärt aber, das sei „bundesdeutsche Praxis“. Zu dem apokryphen und eigentlichen Regelwerk in diesem Land gehört nämlich das Gute Wirmachendasimmerso-Gesetz, das überall dort automatisch in Kraft tritt, wo es keinen passenden Paragraphen gibt. Auf meinen Hinweis, dass die Stadt Leipzig seit Jahren über meine Adresse verfügt, geht die Dame vom Amt nicht ein. Eigentlich grenzt es an ein Wunder, dass der Staat seine Bürger, die nicht zu den 5,4 Millionen Staatsdienern gehören, überhaupt unbeaufsichtigt aus dem Haus lässt. Vermutlich hängt diese Großzügigkeit damit zusammen, dass irgendjemand Geld verdienen und Steuern beschaffen muss.

Dann eröffnet sich aber doch noch ein letzter Ausweg aus dem Catch 22, gewissermaßen eine Katzenklappe, durch die sich der Bürger mit Anlauf quetscht. In München findet eine Bürgerabstimmung über die Austragung der Olympischen Spiele statt, dafür bekommt der Autor wie alle Münchner eine Wahlbenachrichtigung. Und damit – hier bitte die Fanfare aus „Les Preludes“ dazudenken – eine amtliche Adressbestätigung. Ohne Termin, frei Haus! Und als beruflicher Termin ergibt sich außerdem die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig am 1. Oktober über die Frage, ob Bürger ihren Rundfunkbeitrag kürzen dürfen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen ihrer staatsvertraglichen Pflicht zur Ausgewogenheit nicht nachkommen. Ganz nebenbei, um in dieser Jeremiade auch etwas Positives unterzubringen: Georg Restle vom antifaschistischen Schutzfunk WDR erklärte gerade das Wort „Zwangsabgabe“ in Bezug auf die öffentlich-rechtlichen Sender zum „Kampfbegriff einer ultrarechten Kampagne gegen den ÖRR“. Da sich der Beitragsservice unter keinen Umständen an etwas Ultrarechtem beteiligen und Ultrarestle natürlich auch niemals desavouieren würde, steht der Privatisierung von ARD und ZDF jetzt nichts mehr im Weg. Das spart wiederum eine Menge Papierkram, von Hinweisschreiben zur Beitragskürzung bis zur Programmbeschwerde.

Aber zurück zu der Geburtsregistersache. Glücklicherweise liegt das Leipziger Rathaus dem Bundesverwaltungsgericht schräg gegenüber. Nach der Verhandlung bleibt noch ein bisschen Zeit, um die Wahlbenachrichtigung und damit den Nachweis, die eigene Adresse richtig geschrieben zu haben, im Standesamt zu übergeben. Leider trifft man dort an einem frühen Mittwochnachmittag niemanden an. Zehn Bürotüren verschlossen, auf Klopfen reagiert niemand. Aber endlich, wundersame Wendungen ereignen sich immer wieder, sitzt im elften Büro dann doch eine Sachbearbeiterin, die verspricht, den Zettel weiterzuleiten. Kurz danach kommt die Nachricht von der zuständigen Amtsfrau, sie würde diese offizielle Unterlage der Stadt München ersatzweise akzeptieren. Die Zwölfwochenfrist bis zur Ausstellung der Urkunde läuft nun offiziell an, mit der Unterlage wiederum lässt sich ein Termin in München vereinbaren. Einer Heirat noch 2026 steht jetzt nichts mehr im Weg. Nach allem, was man von anderen hört, sieht es in Berlin mit Terminen und Wartezeiten bei Urkundenerstellungen noch viel, viel schlechter aus, ausgenommen bei der Einbürgerung. Die lässt sich digital beantragen, und der gefälschte Sprachnachweis dazu unbürokratisch für Beträge zwischen 750 und 2 700 Euro via Internet besorgen.

Offensichtlich herrscht bei den Ämtern eine Vorgabe, die Überprüfung hier ausnahmsweise entspannt zu handhaben, schließlich gleicht der Staat die Großzügigkeit hier durch die penible Kontrolle an anderer Stelle mehr als aus. Nicolás Gómez Dávila nannte einmal die Korruption die letzte Zuflucht im Bürokratenstaat. Nur müsste sie eben gleichmäßig für alle Personengruppen und Bereiche gelten, um ihre milde Wirkung zu entfalten.

Neben der Arbeit für das Finanzamt und der Hochzeitsvorbereitung kommt es noch zu einer dritten Sache, die Zeit kostet. Denn plötzlich funktioniert beim Arzt die Chipkarte der Krankenkasse nicht mehr, obwohl laut Aufdruck noch gültig. Immerhin klärt sich die Sache am Telefon vergleichsweise schnell: Auch die Krankenkasse braucht, wie ein Mitarbeiter erklärt, eine Bestätigung, dass ihr Mitglied immer noch dort wohnt, wo es wohnt. Da ich dieses Bestätigungsschreiben nicht rechtzeitig zurückgeschickt hätte, habe man die Karte vorsorglich abgeschaltet. Mein Einwand, ich würde schon selbst Bescheid sagen, falls ich umziehe, und solange diese Mitteilung ausbliebe, dürfte die Kasse davon ausgehen, dass es sich bei der Adresse immer noch um die alte handelt, geht ins Leere, denn: Es gebe eine Vorschrift, so der Mitarbeiter, die Adresse der Versicherten alle zehn Jahre abzufragen. Wegen Datenschutz. Das habe man sich nicht selbst ausgedacht. Wer nicht rechtzeitig antwortet, steht eben beim Arzt vorübergehend etwas hilflos da. Aber ansonsten eben vollumfänglich vom Staat geschützt.

Selbstverständlich handelt es sich hier um harmlose kleine Belastungen, verglichen mit dem, was anderen passiert. Zu seinem Glück baut der Autor dieses Textes nicht. In Kaiserslautern sollen auf dem Gelände der 1999 pleitegegangenen Pfaff-Fabrik Wohnungen und Gewerbeeinheiten entstehen. Für eins der Gebäude wies das Grünflächenamt Efeubewuchs an, und deshalb für die Fassade Haken für die Ranken. Eigentlich kein Problem, nur: Um ganz sicher zu gehen, dass die Haken auch halten, verlangte das Amt vorher ein Gutachten durch einen Statiker.

Im bayerischen Wolfratshausen stehen drei neu gebaute Häuser vor dem Abriss, weil der Bauherr den Boden zu hoch aufschüttete. Außerdem baute er die Spitzdächer 36 Zentimeter zu hoch. Nach Ansicht des Landratsamtes und des Münchner Oberverwaltungsgerichts lässt sich die Sache auch nicht durch Umbau bereinigen, sondern nur durch den Bagger. Der rückt allerdings erst 2026 an. Auch behördliche Wohnraumvernichtung braucht ihre Zeit. Solche Abrissverfügungen für Neubauten wegen ein paar Zentimetern Überstands gibt es nicht nur in Bayern, sondern eigentlich überall und immer wieder in einem Deutschland, in dem andererseits etwa 1,2 Millionen Wohnungen fehlen. Selbst wer ein kaputtes Regenwasserrohr durch ein exakt baugleiches ersetzt, kann sich ausgedehnte Scherereien mit den Behörden einhandeln.

In den hier aufgelisteten Fällen trifft es den Bürger wenigstens nur punktuell. Viele Inhaber von Handwerksfirmen klagen, dass sie bis zu einem Fünftel ihrer Arbeitszeit mit der Erfüllung von dutzenden Berichtspflichten verbringen. Demnächst auch mehr, wenn die EU-Entwaldungsrichtline in Kraft tritt. Sie fordert nämlich für alle, die für ihre Erzeugnisse Holz, Kaffee, Kakao, Soja und Rindfleisch verwenden oder diese Güter verkaufen, den Nachweis, dass sie nicht von nach 2020 entwaldeten Flächen stammen, und zwar in Form einer „lückenlosen Berichterstattung über die gesamte Wertschöpfungskette“. Das gilt dann auch für den Dorfbäcker, der Hörnchen mit Kakaoglasur anbietet und dazu Kaffee ausschenkt. Genauso wie für den Schreiner, der Holz aus Deutschland verwendet, also aus einem Land, in dem keine Entwaldungen stattfinden. Zu berichten hat er trotzdem. Die EU kündigte jetzt an, die Einführung der Richtline zu verschieben. Nicht aus Mitleid mit dem Dorfbäcker und dem Schreiner. Sondern weil es ein Problem mit dem IT-System gibt, das die Datenmassen speichern soll.

Der immer recht mopsfidele SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil beklagte sich kürzlich über die schlechte Laune der Deutschen. Die wäre vermutlich nur halb so schlecht, wenn sich die Schikanen der Beamten von Deutschannexia gleichmäßig über die Bevölkerung verteilen würden. Das tun sie bekanntlich nicht. Eine breite Öffentlichkeit in Deutschland kennt mittlerweile „Mr. Cash Money“, bürgerlich Jonathan A, ein eingebürgerter Nigerianer aus Dortmund, der sich ab und zu aber auch in seine alte Heimat begibt, um sich dort mit Geldbündeln und einem ansehnlichen Fuhrpark filmen zu lassen. Das Geld verdankt er der Vaterschaftsanerkennung für 24 Kinder von Afrikanerinnen. Dafür zahlt die Stadt Dortmund etwa 1,5 Millionen Euro an Sozialleistungen pro Jahr – nicht direkt an die Kinder versteht sich, sondern an den 24-fachen Vater.

So steht es nun einmal in Gesetzen. Jeder weiß, dass Mr. Cash Money den Staat beziehungsweise dessen Steuerzahler ausplündert. Aber dazu gehören bekanntlich immer zwei. Die Anerkennungen, heißt es aus der Stadtverwaltung, seien nun einmal erteilt, da könnte man wenig machen. Aber man wolle in Zukunft in solchen Fällen ein bisschen genauer hinschauen und prüfen. Dafür gibt es reichlich Gelegenheit. Laut Bezirksregierung Arnsberg leben allein in Dortmund sieben Väter mit 122 Vaterschaftsanerkennungen. Den Afrika-Dreh braucht es dafür nicht zwingend. Erst, als der Hochhauskomplex „Weißer Riese“ in Duisburg durch das, nun ja, eigengesetzliche Verhalten vieler seiner Bewohner ins Gerede kam, kontrollierte die Kindergeldkasse im Sommer 2025, ob es die Kinder auch wirklich gab, an deren Eltern sie über Jahre Geld auszahlte. Und stellte fest, dass 59 gemeldete Kinder dort nicht wohnen, und höchstwahrscheinlich überhaupt nicht existieren. Irgendwelche ernsthaften Nachweise wollte bis dahin niemand sehen.

In Köln schaffte es ein vom Balkan eingereister Clan, eine Villa mit beantragten und prompt überwiesenen Sozialleistungen zu finanzieren. Das Amt zahlte unter anderem Wohngeld für fiktive Wohnungen, kontrollierte bis 2024 nie, ob die angeblich Bedürftigen dort auch wohnten, und es fiel ihm auch nicht auf, dass die Familienoberhäupter sich mit einem Porsche Cayenne und einem Porsche Panamera durch die Stadt bewegten. Vor einem Jahr hieß es, der Prozess gegen den Clan sei noch nicht terminiert, weil die zuständigen Richter ständig wechselten.
Im September 2025 spazierte einer von drei gewalttätigen arabischen Brüdern eines bundesweit bekannten Großclans, unter anderem angeklagt wegen versuchtem Mord, frei aus dem Berliner Kriminalgericht. Die Staatsanwaltschaft stellte die Anklage gegen ihn nicht rechtzeitig fertig, deshalb, so hieß es, durfte sie ihn nicht länger in Untersuchungshaft halten. Und das ergangene Urteil gegen ihn – 17 Jahre und drei Monate – ist noch nicht rechtskräftig. Der junge Mann heißt schließlich auch nicht Michael Ballweg. Der ehemalige Anführer der Querdenken-Bewegung saß 279 Tage in U-Haft wegen eines angeblichen Spendenbetrugs, obwohl sich niemand fand, der sich von ihm betrogen fühlte. Nach 44 Prozesstagen mit 80 Zeugen und 2200 Urkundenverlesungen verurteilte ihn schließlich das Gericht in Stuttgart wegen einer falschen Mehrwertsteueranmeldung in Höhe von 19,53 Euro zu einer Geldstrafe von 3000 Euro.

Wer sich über nicht rechtzeitig fertiggestellte Anklagen gegen Clanmitglieder aufgrund von Engpässen bei der Staatsanwaltschaft aufregt und dabei nicht die richtigen Worte wählt, sollte allerdings aufpassen. Im Jahr 2024 bekam die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hass und Hetze der Staatsanwaltschaft Göttingen drei zusätzliche Juristen, außerdem kündigte das Ministerium an, drei weitere Planstellen zu schaffen. Laut NDR enden nur 20 Prozent der Fälle, mit denen sich die Zentralstelle beschäftigt, überhaupt mit einer Anklage beziehungsweise mit einem Strafbefehl. Wie viele davon wiederum mit einem rechtskräftigen Urteil enden, darüber führt offenbar in diesem Land, das anderweitig permanent Daten von Hinz und Kunz verlangt, niemand eine Statistik.

In diesem Land der Grundsätze herrscht außerdem der Grundsatz, vor allem bei wirklich großen Summen überhaupt nichts zu prüfen. Nur so konnten mehr als ein Dutzend Phantomprojekte in China zur angeblichen Reduzierung von CO2 jahrelang deutsches Geld ansaugen, insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Die Sache lief so ähnlich wie bei Cash Money, nur etwas größer: Ölkonzerne überwiesen den Projektbetreibern Geld, damit durften sie die CO2-Reduktionen irgendwo in der chinesischen Wüste ihrer eigenen Bilanz zurechnen. Das nötige Geld dafür schlugen sie auf den Benzin- beziehungsweise Dieselpreis, es bezahlten also die Autofahrer. Weder Bundesumweltministerium noch Bundesumweltamt machten sich die Mühe, einmal nachzuschauen, ob diese Projekte überhaupt existierten. Größtenteils gab es sie gar nicht; eines erwies sich als verlassener Schafstall. Eine befriedigende Aufklärung liegt bis heute nicht vor. Trotzdem meldete Bundesumweltministerin Reem Alabali Radovan am 29. September 2025, dass Deutschland 2024 weitere 6,1 Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln an Klimaprojekte in aller Welt gab, und auch in diesem Jahr wieder sechs Milliarden dafür, wie es immer heißt, bereitstellt. Fast zeitgleich diskutierten Politiker der Koalition, die Pflegestufe 1 zu streichen, weil das Geld im Haushalt nach ihren Verlautbarungen von vorne bis hinten nicht reicht.

Pflegestufe 1 bedeutet, dass Senioren mit gesundheitlichen Einschränkungen 131 Euro im Monat erhalten, um sich gelegentlich eine Haushaltshilfe leisten zu können. Wenn alles gut läuft, müssen die Antragsteller in Zukunft vielleicht einfach nur etwas ausführlicher begründen, warum ihr Bewegungsapparat nicht mehr mitmacht. Wer sich dann erfolgreich durch ein 40-Seiten-Antragsformular arbeitet, beweist immerhin, dass der Kopf noch einigermaßen funktioniert.
Es gibt nur einen plausiblen Grund, weshalb sich gegen diese Zustände noch keine allgemeine Rebellion erhebt: der bedrückte Teil der Bevölkerung braucht schon alle Zeit und Energie, um Anträge zu stellen, Stempel zu ergattern, Fristen einzuhalten und Belege vorzuweisen. Für den anderen Teil gibt es für einen Aufstand kein Motiv. Höchstens dann, wenn man mit ihm irgendwann umgehen würde wie mit denjenigen, die schon länger hier leben.

Bei Jonathan Cash Money handelt es sich, siehe oben, um einen ein Deutschland ingebürgerten Nigerianer. Er besitzt also alle Voraussetzungen, um für ein politisches Amt zu kandidieren. Als Bundeskanzler säße er in der idealen Position. Er würde Geld überall herholen (also keine Änderung zum aktuellen Zustand), damit um sich werfen und so die Konjunktur ankurbeln. Andererseits würde der fröhliche Mann aus Afrika keine 40-seitigen Anträge entwerfen lassen, dafür jedem subito seine Geburtsurkunde herüberschieben, der dafür genügend Geld auf den Tisch legt, und mit ein paar Scheinen könnte auch jeder sein um 36 Zentimeter zu hoch gebautes Häuschen retten. Mr. Cash Moneys Videos versprechen: Er würde es locker angehen. Falls Behördensachen den Autor dieses Textes nicht mehr übermäßig in Beschlag nehmen, entwirft er gegen ein kleines Honorar gern die Wahlkampagne für 2029.

 

 


Dieser Beitrag erscheint auch auf Tichys Einblick.


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