Im Zuge des Sozialismus-Revivals absolviert Linkspartei-Politiker Gregor Gysi schmeichelhafte Medienauftritte gleich serienweise. Die Zeit begeht in ihrem Gefälligkeits-Interview mit ihm eine dreiste Geschichtsfälschung.


In ihrer neuen Ausgabe gibt sich die Zeit alle Mühe, ihren Lesern den früheren Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi in einem Interview als Privatmensch nahezubringen – und zwar erwartungsgemäß als sympathische Person. „Der Linkenpolitiker Gregor Gysi über sein Aufwachsen in der DDR, wie er es schaffte, den Wehrdienst zu verweigern – und wie er heute auf die Erziehung seines Sohnes blickt“, lautet die Gesprächszusammenfassung des Wochenblatts.

Damit wirft die Zeit nicht nur ein mildes Licht auf Gysi, sondern auch die DDR insgesamt. Denn erstens trägt „wie er es schaffte, den Wehrdienst zu verweigern“ zu dem Bild bei, das Gysi gern von sich zeichnet, nämlich als trickreicher Vierteldissident, der sich geschickt zwischen den Lücken des SED-Systems hindurchschlängelte. Zweitens erfährt der westdeutsche Leser: In der DDR konnte man den Wehrdienst verweigern, genauso wie in der Bundesrepublik. So hart, so der Subtext der Zeit-Formulierung, konnte die Diktatur im östlichen Teilstaat also nicht gewesen sein.

Die Geschichte passt also gleich doppelt, einerseits zum medial geförderten Aufstieg der Linkspartei, andererseits zur systematischen Weichzeichnung der DDR, die in Zeiten eines Berliner Enteignungsgesetzes und des Meldestellenwesens für manche Medienschaffende fast wieder Vorbildcharakter besitzt. Nur: An dieser Zeit-Interviewinszenierung stimmt nichts.

In der DDR existierte keine legale Möglichkeit zur Verweigerung des Armeedienstes. Gysi verweigerte ihn demzufolge auch nicht. In seiner Biografie gibt es auch sonst keinerlei kleine Fluchten oder sogar eine Rebellion, im Gegenteil: Als Funktionär diente er bis zum Ende der DDR dem SED-System, und zwar mit überdurchschnittlichem Eifer. Selbst die Wendung der Zeit „sein Aufwachsen in der DDR“ führt den Leser in die Irre. Das erste Lebensjahr verbrachte der 1948 geborene Gregor Gysi bei seinen Eltern im Westteil Berlins, und auch nach ihrem Umzug in den Osten der Stadt lebte die Familie – Mutter Irene Abteilungsleiterin im Kulturministerium, Vater Klaus Gysi ab 1966 Kulturminister – im idyllischen Berlin-Johannisthal in einer Villa mit Hauspersonal. Man empfing Besucher aus Westdeutschland, England, Frankreich und den USA, Zugang zu westlichen Büchern stellte kein Problem dar. Die Atmosphäre zuhause beschrieb Gysi später selbst als „großbürgerlich“.

Gregor Gysi kam tatsächlich um den uniformierten Dienst herum. Auch damit unterschied er sich von nahezu allen männlichen DDR-Bürgern. Aber eben nicht durch Verweigerung, denn das DDR-Wehrdienstgesetz ließ keine Ausnahmen zu. Den 18-monatigen Dienst konnte man zwar auch bei der Bereitschaftspolizei oder dem Wachregiment der Staatssicherheit ableisten, also außerhalb der Nationalen Volksarmee (NVA), aber eben immer bei den sogenannten „bewaffneten Organen“.

Einen Zivildienst wie in der Bundesrepublik kannte die DDR bis zu ihrem Ende nicht. Sie ließ ab 1964 nur eine winzige Nische: den Dienst ohne Waffe als sogenannter Bausoldat, umgangssprachlich „Spatensoldat“, und zwar speziell für diejenigen, die das Waffentragen, wie es im Gesetz hieß, „aus religiösen oder ähnlichen Gründen“ ablehnen. Nur musste dieser Dienst innerhalb der Armee geleistet werden, in Uniform und in der Regel unter besonderem Drill und schikanösen Umständen. Wer sich dafür meldete, durfte später nur in sehr raren Ausnahmefällen studieren und konnte eine Karriere von vornherein abschreiben. Dass es überhaupt die Möglichkeit gab, als Spatensoldat seine 18 Monate abzuleisten, erwähnten die DDR-Medien bis 1985 mit keinem Wort.

Auch einen solchen Spatendienst absolvierte Gysi allerdings nicht. Das wäre auch seltsam gewesen für den Ministersohn und überzeugten Sozialisten, der schon in seinem Jura-Studium ab 1966 den Posten des FDJ-Sekretärs seines Jahrgangs übernahm, mit 19 Jahren in die SED eintrat, am Ende des Studiums schon in der Parteileitung der Humboldt-Universität saß und anschließend zügig Karriere machte: mit 24 damals jüngster Anwalt der DDR, SED-Parteisekretär des Berliner Kollegiums der Rechtsanwälte, zum Schluss Vorsitzender des gesamten Kollegiums, also oberster Rechtsanwalt im Staat.

Gregor Gysi kam nach eigener Erklärung um jeden Dienst in Uniform herum, weil ihn die Universität zum Zeitpunkt seiner Einberufung schon immatrikuliert hatte. Für männliche und wehrdiensttaugliche Normalbürger galt, dass sie sich in aller Regel erst nach abgeleistetem Dienst zum Studium einschreiben durften. Nur in einigen sehr raren Fällen erlaubte es die NVA in den sechziger Jahren jungen Männern, erst zu studieren, holte die Betreffenden später aber zum Reservistendienst. Auch das blieb Gysi Jr., erspart, der eben anders als andere die Protektion seines einflussreichen Funktionärsvaters genoss.

Klaus Gysi amtierte ab 1966 nicht nur als Kulturminister und damit oberster Zensor der DDR, er saß auch in der Kulturkommission des Politbüros der SED. Im Jahr 1959 ließ er sich von seiner Frau Irene scheiden, der Kontakt zu seinem Sohn blieb aber bis zuletzt sehr eng. Kurzum: Gregor Gysi nutzte schlicht und einfach sein Privileg als Funktionärssohn, um sich vor dem Wehrdienst zu drücken. In der DDR gab es zu jeder Regel auch Ausnahmen – jedenfalls für bestimmte Bürger. Dass die Zeit daraus eine „Wehrdienstverweigerung“ macht, erfüllt den Tatbestand der dreisten Geschichtsfälschung.

Nicht nur hier arbeitet die Zeit an dem gefällig-gefühligen und vor allem faktenbefreiten Porträt des früheren SED-Spitzenjuristen und heutigen Linkspartei-Paten. Gleich in der Eingangsfrage geht es erkennbar darum, das Bild eines normalen, bodenständigen DDR-Bewohners statt eines salonsozialistischen Kaders aus dem inneren Zirkel zu zeichnen:

„Herr Gysi, Sie sind nicht nur Anwalt und Politiker, sondern ausgebildeter Facharbeiter für Rinderzucht. Was kann man von Ihnen über Kühe lernen?“ Tatsächlich absolvierte der Zeit-Gesprächspartner eine Berufsausbildung mit Abitur in der Fachrichtung Rinderzucht. Diesen Bildungsweg durchliefen viele in der DDR; auch für Funktionärskinder stellte er keine Seltenheit dar, denn er erlaubte es gerade denen mit bürgerlicher Herkunft, das passende Arbeiterklassen-Pedigree zu erwerben. In der DDR hieß die Berufsausbildung mit Abitur auch „Schnellbesohlung“, da die Vermittlung von Abiturstoff und die normalerweise zweijährige Berufsausbildung in nur drei Jahren stattfand, was oft zu Lasten des fachlichen Teils ging. Jedenfalls arbeitete Gysi nie als Rinderzüchter, seine Erfahrung mit Kühen dürfte begrenzt sein. Er antwortet entsprechend unkonkret mit launigem Einschlag, Kühe würden „vorn fressen und hinten treten“.

Später möchte das Interviewer-Duo wissen, ob sein Gast denn in der DDR Privilegien genossen habe. Das heißt, eigentlich wollen sie es überhaupt nicht wissen, denn Gysi kommt mit der Antwort durch: keine, „nur Besucher und Bücher“ – womit er die oben erwähnten Westbesuche und -Bücher meint. Dann folgt der bemerkenswerte Satz, die DDR habe ihn „jahrzehntelang“ nicht in den Westen reisen lassen. Das traf für den allergrößten Teil der DDR-Normalinsassen zu, solange die SED darin herrschte.
Aber nicht auf Gregor Gysi. Er durfte im Januar 1988 privat nach Paris. Kurz danach, im Mai des selben Jahres, ging es in spezieller Mission nach Westberlin, um den aus dem Oststaat geflohenen Wissenschaftler Gerhard Fiedler zur Rückkehr zu überreden (allerdings erfolglos). Die versuchte Heimholung Fiedlers fand, wie die Akten später zeigten, unter direkter Aufsicht von Generaloberst Rudi Mittig statt, einem der Stellvertreter von Stasi-Chef Erich Mielke.

Außerdem fuhr Gysi zum deutschen Anwaltstag nach München, nach London und Istanbul, jeweils mit dem offiziellen Auftrag, dort die Vorzüge der sozialistischen Rechtsstaatlichkeit anzupreisen. Besonders apart nimmt sich sein Einsatz in Istanbul 1989 aus, wo er unter anderem verfolgten türkischen Anwälten seine Solidarität bezeugte. Fast zur gleichen Zeit, im April 1989, setzte Gysi als Chef des Anwaltskollegiums den Ausschluss seines Kollegen Rolf Henrich und damit dessen Berufsverbot durch. In seinem nur im Westen erschienenen Buch „Der vormundschaftliche Staat. Vom Versagen des real existierenden Sozialismus“ rechnete Henrich schon Monate vor dem Mauerfall mit der SED ab, die ihn dafür – mit Gysis tatkräftiger Hilfe – zur Unperson machte. Mehrere bei der entscheidenden Sitzung zu Henrichs Ausschluss Anwesende sagten später, Gysi habe dort erklärt, wer die Staatssicherheit wie Henrich als Geheimpolizei bezeichne, brauche sich über die Konsequenzen nicht zu wundern. Auf Anfrage des Spiegel antwortete Gysi 1994, er könnte sich nicht daran erinnern.

Das Zeit-Gespräch macht ganz nebenbei auch deutlich, dass es aus journalistischer Sicht keinerlei Sinn ergibt, die SED/PDS-Linkspartei-Führungsfigur zu befragen: Seine Phrasen stehen seit Jahren fast; seine Legenden in eigener Sache gleichen von Medienauftritt zu Medienauftritt wie ein faules Ei dem anderen. „Mein Privileg war Bildung und tausende Bücher“, hieß es etwa in einem genauso unkritisch-tumb geführten Interview im Deutschlandfunk von 2018. Dort konnte er auch unbelästigt von ernsthaften Nachfragen märchenonkeln: „Eingesperrt war ich genauso wie die anderen Bürgerinnen und Bürger der DDR.“

Gysi könnte nicht seit Jahren als Jukebox für Legenden auftreten ohne die bis zur Komplizenschaft gehende Mithilfe von Medien. Jetzt, mit 77, fährt er die Ernte dieser Kooperation ein. Zeit, Lanz und etliche andere verschaffen ihm einen goldenen Lebensherbst. Heute ähneln Mediengespräche mit ihm Audienzen. Dafür gab es eine lange und augenscheinlich zielführende Vorarbeit. Schon 2008 erklärte die Zeit, Gysi sei „einer der wichtigsten Anwälte von Oppositionellen und Regimekritikern“ in der DDR gewesen. Die Süddeutsche gab ihrem Gefälligkeitsinterview von 2010 die Überschrift: „Ich war Anwalt, frech, und ging an die Grenzen“. Auch hier funktionierte schon die doppelte Verklärung, einmal die der Person Gysi, zum anderen die des Staates, in dem ein Anwalt so unerschrocken kämpfen durfte.

Für die Darstellung von dem frechen Oppositionsanwalt, der angeblich kleine Lücken im System nutzte, zu dem er in Wirklichkeit bis 1990 gehörte, existiert nur eine einzige Quelle, allerdings eine, die unablässig sprudelt: Gregor Gysi.
Die Zeitdokumente erzählen eine völlig andere Geschichte. Als Beispiel für seine Verteidigung von Oppositionellen erwähnt Gysi gern, dass er als Anwalt des Dissidenten Rudolf Bahro fungierte, den die SED 1977 verhaften und 1978 vor Gericht stellen ließ.
Dessen Vergehen bestand darin, in seinem im Westen und vorher auszugsweise im Spiegel veröffentlichten Buch „Die Alternative“ eine zwar sozialistische, aber nicht mehr von einem Politbüro beherrschte Zukunft gezeichnet zu haben. Selbst nach den DDR-Gesetzen tat er damit nichts Illegales. Die Staatsanwaltschaft erfand deshalb den bizarren Vorwurf der „landesverräterischen Nachrichtenübermittlung“ und des „Geheimnisverrats“. Da die Staatsmacht den nichtöffentlichen Prozess gegen Bahro komplett auf Tonband aufnehmen ließ, existiert davon eine Audiodatei als Abschrift im Stasiunterlagen-Archiv.

Wegen der Existenz der Tonaufnahme kann Gysi hier auch schlecht sein Paradeargument anbringen, in den ihn betreffenden Akten stünden nur von anderen zusammengeflunkerte Dinge. „Selbstverständlich“, hört man Gysi damals auf Magnetband sagen, erkenne er als Bahros Verteidiger „vollständig an, dass sich die Handlungen des Angeklagten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR richten“. Über das Gericht, das in Wirklichkeit bis ins Kleinste den Vorabfestlegungen von SED und Staatssicherheit folgte, schalmeite der Advokat: „Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, festzustellen, dass das Gericht unvoreingenommen, allseitig und gründlich die Beweisaufnahme vorgenommen hat, bei der stets der Angeklagte seine Rechte wahrnehmen konnte.“ Ganz zu Beginn stellte er ausweislich der Aufnahme fest:
„Während im Kapitalismus oft Menschen als Kriminelle behandelt werden, die aus sozialer Not und Ungerechtigkeit handeln oder einen konsequenten Kampf für Demokratie, sozialen Fortschritt, Frieden und Menschenrecht führen, stehen im Sozialismus jene vor Gericht, die entgegen gebotener Möglichkeiten die Interessen der Mehrheit der Gesellschaft, insbesondere der Arbeiterklasse, verletzen, und teilweise sogar Handlungen gegen den Frieden, den sozialen Fortschritt, die Demokratie und die Menschenrechte begehen.“

Verfolgte Menschenrechtler im Westen, kriminelle Friedens- und Demokratiefeinde vor Gericht im Osten – Gysi wusste selbst, welchen zynischen Unfug er daherredete, und dazu noch in dem Prozess, in dem es außer beorderten Genossen und einem Stasioffizier gar kein Publikum gab. Stellenweise liest sich sein Plädoyer wie eine Anklage gegen Bahro. Er forderte für ihn auch nicht, wie er nach 1990 behauptete, Freispruch, sondern lediglich, der Autor und Philosoph möge nicht wegen „nachrichtendienstlicher Übermittlung“, sondern nur wegen Geheimnisverrats verurteilt werden – der als Vorwurf genauso erfunden war. In der Realität kam es auf Gysis Verteidigung gar nicht an. Aus den später erschlossenen Akten geht hervor, dass nicht nur das Drehbuch zum Prozess schon vorher feststand, sondern auch das Strafmaß: 8 Jahre Gefängnis. Wenigstens, erklärte der Anwalt später, habe er beim Zentralkomitee die vorzeitige Entlassung Bahros in den Westen erwirkt. Die entsprach allerdings auch dem Wunsch der SED-Führung. Gegen die Verurteilung Bahros gab es heftigen Protest auch von linken Intellektuellen wie Heinrich Böll und Mikis Theodorakis, eine Reaktion, die Honeckers Wunsch nach Anerkennung im Westen zuwiderlief.

Mehrere ehemalige Klienten Gysis bezeichneten ihn nach 1990 als Zuträger des MfS, der immer auch den Geheimdienst über alles in Kenntnis setzte, was seine Mandanten betraf. Die Oppositionelle Vera Lengsfeld (damals Vera Wollenberger) begegnete Gysi 1988 sogar, ohne ihn je mandatiert zu haben. Sie kam in Haft, nachdem sie im Januar mit einigen anderen Demonstranten während der offiziellen Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am 17. Januar ein Plakat mit dem Luxemburg-Zitat „Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ trug – bis es Stasi-Leute herunterrissen. Die SED-Führung wollte die Frau in den Westen abschieben, Lengsfeld aber nur einwilligen, wenn sie das Sorgerecht für ihr Kind behalten konnte. Aus der Untersuchungshaft in Hohenschönhausen brachten MfS-Mitarbeiter Lengsfeld im Februar 1988 in ein Stasiobjekt bei Berlin, wo sie plötzlich dem Anwalt gegenüberstand, der ohne Begleitung kam, um mit ihr die Modalitäten ihrer Abschiebung zu besprechen. Und der nach ihrer Erinnerung erst einmal kurz verschwand, um ihnen Kaffee zu besorgen. „Gysi kochte dort in der Kaffeeküche erst mal Kaffee, als hätte er dort Hausrecht“, erinnert sich Lengsfeld.

Zu dem IM-Vorgang „Notar“ existieren umfangreiche Akten. Zwar keine Verpflichtungserklärung – die fertigte die Staatssicherheit allerdings nicht für jeden Zuträger. Gerade ohnehin loyale Personen aus der Staats- und Parteihierarchie verpflichtete man gelegentlich per Handschlag. Hier behauptet Gysi bis heute, den Akteninhalt hätte das MfS sich entweder ausgedacht, durch Abhören beschafft, oder es wären Gespräche mit SED-Funktionären in die Akten eingeflossen. Jedenfalls sei er nie der Inoffizielle Mitarbeiter „Notar“ der Stasi gewesen. Selbst von einer Aktennotiz von 1979, erschlossen im Stasi-Archiv 2008, in der es heißt: „Der IM (Notar) nahm ‚Erwin‘ mit in die Stadt und erfuhr zu seiner Person folgendes […].“ ließ er sich nicht erschüttern. Der Beifahrer von damals, der zu dieser Zeit 19-jährige Thomas Erwin, bestätigte nach Akteneinsicht, dass es sich bei dem Fahrer des Trabant um Gysi handelte – und dass außer ihnen niemand sonst im Wagen saß.

Aber selbst hier servierte der Politiker eine seiner Geschichten, gezielt entworfen für Westdeutsche ohne DDR-Kenntnisse: Die Stasi, so Gysi, habe eben sein Auto verwanzt, das Gespräch abgehört und den Inhalt dem IM „Notar“ untergeschoben, der angeblich gar keine natürliche Person gewesen sei, sondern nur eine „Schublade“, eine Materialsammlung des MfS. Wer die Innengeräusche während einer Trabantfahrt kennt, kann den Wahrheitsgehalt von Gysis Darstellung zutreffend einordnen. Davon abgesehen: Warum sollten sich MfS-Offiziere die Mühe machen, ein Abhörprotokoll in einen IM-Bericht umzuschreiben? Um spätere Leser irrezuführen?

Die MfS-Kader rechneten nicht damit, dass irgendwann die Bespitzelten und recherchierende Journalisten ihre Unterlagen studieren würden. Schubladen fahren außerdem nicht Auto, sie nehmen auch keine Aufträge entgegen und treffen sich nicht mit ihrem Führungsoffizier in einer konspirativen Wohnung (in diesem Fall „Notar“ in der Schillingstraße 30, einem Objekt der Stasi-Abteilung XX/9, die die „Notar“-Akte führte und Gysi ein paar Monate vor dem Mauerfall auch eine so genannte Daueravisierung für den Grenzübertritt in den Westen ausstellte.)

Die Bürgerrechtlerin und ehemalige Gysi-Mandantin Bärbel Bohley nannte den Anwalt und PDS-Spitzenmann öffentlich einen „Spitzel“. Der ging juristisch gegen sie und zahlreiche Medien vor, die ihn als IM bezeichneten. Dabei hatte er gleich zweifach Glück. Zum einen holte er sich seine Urteile in den Unterlassungsverfahren beim Landgericht Hamburg ab, wo der Vorsitzende Richter der zuständigen Zivilkammer 24 Andreas Buske die Auffassung vertrat, bei Stasi-Unterlagen handle es sich um „Privaturkunden“, die weiter nichts besagten. Ihm genügte die Aussage ehemaliger Stasi-Offiziere, sie hätten sich den Akteninhalt nur ausgedacht oder ihr Inoffizieller Mitarbeiter hätte nicht geahnt, dass er mit dem MfS sprach.
Das genügte dem Richter für die Feststellung: Dann wird es wohl so gewesen sein. Nicht nur Gysi, sondern nahezu jeder, der eine Berichterstattung über seine inoffizielle Stasi-Tätigkeit unterdrücken wollte, ging in den neunziger Jahren und danach aus genau diesem Grund nach Hamburg. Faktisch bestimmten damit ein nordwestdeutscher Richter und Stasioffiziere a. D. im Alleingang, was über die inoffiziellen Mitarbeiter geschrieben werden durfte – bis dann sehr viel später der Bundesgerichtshof den Wert von Staatssicherheitsakten doch anders einschätzte. Zweitens scheiterte Bärbel Bohley in Karlsruhe mit einer Verfassungsbeschwerde gegen den juristischen Maulkorb – allerdings aus formalen Gründen. Das Bundesverfassungsgericht entschied nicht in der Sache, sondern wies ihre Klage wegen eines Formfehlers ab. Bohley nannte Gysi fortan einfach „Spritzel“. Das erwies sich als rechtlich unangreifbar und jeder wusste, was gemeint war.

Dabei hätte sie es sich auch leichter machen können: Der Bundestagsausschuss für Wahlprüfung und Immunität untersuchte die Stasi-Tätigkeit Gysis außerordentlich gründlich und kam am 8. Mai 1998 zu dem Schluss: „Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) hat im Prüfungsverfahren gemäß § 44b Abs. 2 AbgG eine inoffizielle Tätigkeit des Abg. Dr. Gregor Gysi für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik als erwiesen festgestellt.“ Das Dokument unter der Kennung DS 13/10893 kann bis heute jeder nachlesen. Gysi klagte zwar vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen, verlor aber, und das nicht aus Formgründen. Trotzdem schreiben bis heute die meisten alteingesessenen Medien bestenfalls von „Stasivorwürfen“ gegen Gysi, die „ungeklärt“ seien. Die meisten erwähnen das Thema überhaupt nicht mehr, so, wie sie ihren Lieblings-Linksparteipolitiker generell mit lästigen Nachfragen verschonen.

Bei der Erhebung des willigen SED-Juristen und Zuträgers zur fast schon präsidialen Medienfigur spielte die Zeit eine herausragende Rolle. Keinen anderen Politiker behandelte das Blatt jemals so wohlwollend, von keinem nahm sie das selbstexkulpierende Legendengeschwätz dermaßen bereitwillig auf. Das Interview mit dem angeblichen Rinderzüchter, Wehrdienstverweigerer, Teildissidenten und Büchermenschen ohne echte Privilegien markiert einen vorläufigen Höhepunkt der Dauerserie: Gysi erklärt westdeutschen Journalisten die DDR.

Mit einer realistischen Lebensbeschreibung ließe sich am Beispiel Gysis – nicht wegen einer individuellen Wichtigkeit, sondern, weil es sich um eine Zeitfigur handelt – durchaus vieles über die DDR erzählen und erklären. Etwa, dass in diesem Staat vieles möglich war, wenn man zu den richtigen Kreisen gehörte, frei nach dem DDR-Bonmot: ‘Arbeiter- und Bauernstaat ist prima, man darf dort nur kein Arbeiter oder Bauer sein.‘ An seiner Person zeigt sich auch, dass die SED-Herrschaft niemals das Jahr 1989 erreicht hätte, wäre der Funktionärstypus eines Honecker oder Mielke ihre einzige Stütze gewesen. Die Diktatur benötigte auch mit allen westlichen Wassern gewaschene, geschmeidige und zungenfertige Helfer wie Gregor Gysi. Vor allem brauchte die SED jemanden mit diesem Talent, um sich nach dem Mauerfall in den Westen hinüberzuretten und sich im politischen System der Bundesrepublik dauerhaft festzusetzen.
Diese Operation kann als gelungen gelten.

Wer ohne Verklärungswillen auf Gysis Karriere schaut, erkennt auch, wie tief ihn der DDR-Kollaps getroffen haben muss. Die Dauerreiseerlaubnis, ausgestellt kurz vor dem Mauerfall, im Oststaat so etwas wie eine diamantene Kreditkarte – von einem Tag auf den anderen wertlos. Jeder Hinz und Kunz durfte plötzlich über die Grenze. In der DDR gab es bei gut 17 Millionen Einwohnern weniger als 600 Rechtsanwälte. Im vereinten Deutschland des Jahres 1990 knapp 60 000, und zwar ohne einen politisch eingesetzten Oberfunktionär. Und mit dem Zugang zu Westzeitschriften und -Büchern konnte man auch nicht mehr renommieren. Zum ersten Mal in seinem Leben machte Dr. Gregor Florian Gysi 1990 die Erfahrung, nichts Besonderes zu sein. Ohne PDS respektive Linkspartei hätte sich Gysis Karriere bei seinem Witzeltalent möglicherweise als Sidekick der ZDF-heute-show ihrem Ende zugeneigt. Dass es anders kam, verdankt er hauptsächlich westlichen Journalisten, für die dreierlei zutrifft: Sie nehmen kopfnickend alles für barste Münze, was ihnen frühere DDR-Funktionäre über den SED-Staat zuraunen, so, wie sie auch alles bedingungslos glauben, was ihnen eine Lamya Kaddor über den Islam und Hamaskader über Gaza erzählen.

Bei „Markus Lanz“ konnte Gysi vor wenigen Tagen sein schon zigmal abgespultes Märlein unterbringen, die SED-PDS habe sich große Verdienste beim Zustandekommen der deutschen Einheit erworben. In Wirklichkeit lag das Hauptaugenmerk der frisch umgetauften SED in diesen Monaten darauf, ihr Milliardenvermögen verschwinden zu lassen. Auch diese Aktion glückte weitgehend.

Im „Lanz“-Studio referierte Gysi außerdem: „Die führenden westlichen, kapitalistischen Staaten hatten gegenüber den sozialistischen Ländern immer drei Vorteile: Sie hatten die breitere und bessere Waren- und Dienstleistungsdecke. Sie hatten eine frei konvertierbare Währung und deutlich mehr Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die sozialistischen Länder […] waren sozial gerechter, nicht politisch, aber sozial gerechter.“ Als ob sich politische und soziale Gerechtigkeit trennen ließen. Aber wer wüsste besser über die soziale Gerechtigkeit in der DDR Bescheid als ein Ministerkind, aufgewachsen in einer Villa mit Kindermädchen?
Schön auch die Wendung, der Westen habe „deutlich mehr Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ als der Ostblock gehabt. Also: mehr als die DDR, die davon weniger besaß, aber nach Meinung des Politikers immerhin auch ein gutes Stück. Selbstredend fragt Markus Lanz hier nicht nach. Und dass irgendein Journalist oder Talkmaster heute noch nach seiner MfS-Spitzelei oder dem weggezauberten SED-Geld bohrt – ausgeschlossen. Über den Grund gibt eine andere Gysi-Preziose aus der Lanz-Sendung Auskunft: „Die, die Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bewahren wollen, sind nicht in der Lage, sich gemeinsam zu organisieren. Das ist mein Problem.“ Ach, schon lange nicht mehr. Die Linkspartei gehört nach Ansicht des politisch-medialen Betriebs längst und vollwertig zum Kampfbund gegen rechts. Da schaut man über biografische Fußnoten weg, bei dem Linkspartei-Welterklärer genauso wie auch bei Maja Wiens, Sprecherin der staatlich bezuschussten „Omas gegen rechts“, zu DDR-Zeiten Stasi-Spitzel von hohen Graden.

Mit 77 weiß Gregor Gysi: Unsere Demokratie braucht jemanden wie ihn.
Und zwar ganz dringend.

 

 

 

 


Dieser Beitrag erscheint auch auf Tichys Einblick.


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1 Kommentar
  • Bernd Zeller
    05.08.2025

    Ach das kann schon sein, dass der Trabant eine große Abhörwanze war und das Geräusch von dem Tonbandlaufwerk kam.

  • Andreas Rochow
    05.08.2025

    Danke für dieses wie gewohnt gründlich recherchierte, schöne Stück, das von einer Figur handelt, die als listig-lustiges Verkaufstalent in eigener Sache und „Zeitzeuge“ Karriere machen konnte, ohne dass auch nur ein Gerechter über ihn herfiel! Man möchte Gysi „Das Phantom der Wende“ nennen, würde man seiner Seilschaft damit nicht Unrecht tun. Ich denke da bspw. an Peter-Michael Diestel, dem der unfreiwillige Wechsel in den demokratischen Rechtsstaat unerwarteten SED-Wohlstand und Karrierechancen bescherte.
    Die ZEIT hat die DDR schon/noch zu Zeiten von Gräfin Dönhoff hochgeschrieben. Als gelernter und NVA-gedienter Ossi hatte ich nach dem Zusammenbruch des SED-Staates erwartet, von der Hamburger ZEIT Hilfe und Beistand zu erfahren bei meinen Integrationsbemühungen. Nach kurzer und heftiger Korrespondenz mit Theo Sommer, der bestritt, eine linke, SED-nahe Generallinie zu verfolgen, habe ich das Blatt befremdet und angewidert deabonniert! Vor ca. 4 Wochen legte Gysi auf seiner Goldenen-Herbst-Tournee auch bei der „Volksstimme“ (Sachsen-Anhalt Nord) an, um eines seiner weichgespülten ganzseitigen Pseudo-Interviews mit Porträts samt gehobenem Zeigefinger abzuliefern. Die Buchhandelskette Thalia stellt auf einem Thementisch die Werke des unentwegten Linken aus. Die Vorstellung, dass er dort auch Signierstunden abhält und von Fans allen Alters bedrängt wird, ist nicht weit hergeholt. Die Welt will betrogen werden und ab einem gewissen Grad sn Verschlagenheit kann ein Hochstapler, Großbetrüger und kolleräugiger Märchenonkel, der als Entertainer die ö.-r. Talkshows und die Kleinkunstbühnen der Republik bereist, sicher sein, von den Neuen Deutschen Einheitsmedien zum Helden und „Zeitzeugen“ erklärt zu werden. Der Schein ist alles…

    • Hajo Blaschke
      06.08.2025

      Es ist schon widerlich, wie die bunte deutsche Medienwelt vielen ehemaligen DDR-Bonzenkindern eine Bühne für deren Selbstdarstellung bietet. Gott sei Dank, dass auch in der ehemaligen DDR bei der Bevölkerung immer mehr durchsickert, dass die Nachfolger der Bonzenpartei nur ihrer Selbstbereicherung dienen und nicht den dort lebenden Menschen.
      Eine Berichtigung zur Berufsausbildung: bis zum Abiturjahrgang 1970 war es obligatorisch, dass im Rahmen der Erweiterten Oberschule (EOS = Gymnasium; 4 Schuljahre) als Schulfach ein Beruf mit Facharbeiterabschluss erlernt wurde. Das darauffolgende Abiturjahr 1971 hatte neben dem Wegfall dieser Berufsausbildung die Neuerung, dass nach dem 10. Schuljahr auch für Schüler, die bereits an der EOS waren, eine Zwischenprüfung nach der 10. Klasse stattfand und von deren Ergebnis abhing, ob sie weiter an der EOS verbleiben konnten.
      Daneben gab es eine Berufsausbildung mit Abitur, die nicht in einer EOS stattfand und insgesamt 13 Schuljahre umfasste.

  • Ulrich Zumbrock
    05.08.2025

    Ach Herr Wendt, das linksgrüne sozialistisch geprägte Klientel sieht sich auf der Zielgeraden. Endlich, endlich wird das Paradies des Sozialismus glücken!
    Begleitete von den Ikonen des realexistierenden Sozialismus wie den Herrn Gysi und seiner SED Nachfolgepartei. Die von ihren Handlangern in den Schulen verdummten Jugend sind die willigen zukünftigen Vollstrecker. Darauf einen Dujardin!

    • Klaus Plätzsch
      20.08.2025

      Es gibt keine SED-Nachfolgepartei, da sich die SED nie aufgelöst hat, nur umbenannt in SED/PDS – PDS – Linkspartei – Linke.

  • Martin Wolff
    06.08.2025

    Wieder ein Beitrag, bei dem ich denke: hier ist das neue Westfernsehen.
    Vielen Dank! Ich empfehle Sie weiter.

  • Werner Bläser
    06.08.2025

    Ich bin, ganz ehrlich gesagt, ein bisschen enttäuscht. Nicht über die Qualität des Artikels, der ist toll, wie immer, sondern einfach über das Thema. Wer interessiert sich denn wirklich für einen „Has-Been“ wie Gysi? Ich kenne niemanden.
    Es gibt gerade absolute Brandherde in Europa, die Explosionspotential haben, da ist eine Figur wie Gysi wirklich absolut uninteressant. Der EUGH hat z.B gerade entschieden, dass es gleichgültig ist, ob die Iren genügend Wohnraum für Migranten haben – sie haben den gefälligst zur Verfügung zu stellen. Basta.
    Der britiische Supreme Court hat in zwei erstaunlichen Urteilen festgestellt, dass man a) einem Menschen per ministeriellem Erlass die Grundrechte aberkennen kann (man googele unter Shvidler), und b) dass Keir Starmer nicht geeignet für das Amt des Premierministers ist. Was diesen nicht juckt, aber zum Aufstand sogar innerhalb seiner Partei führt. Auf den britischen Strassen ist der Teufel los.
    Dann haben wir den Fall Spanien, wo man uns lange erzählt hat (ich bin auch darauf hereingefallen), dass Migration dort kein Problem sei.
    Wir haben Frankreich, das auf eine Staatspleite zuläuft.
    Wir haben Indien, das gerade unter Trumps Zolldrohungen wegen seiner russischen Ölimporte zittert,
    Wir haben Südafrika, das in einem absoluten Sumpf von Korruption untergeht.
    Wir haben die Executive Order von Trump, nach der der sich die Preise für amerikanische Pharmaprodukte für US-Bürger nach einem „most favored nation“ Standard richten müssen – was für den europäischen Markt dann wohl mindestens eine Verdoppelung der Preise bedeutet – während die deutschen Krankenkassen finanziell schon auf dem Zahnfleisch laufen.
    Wir haben das Urteil des Eugh, das Abschiebungen fast verunmöglicht.
    Sorry, aber Gysi…..

    • Andreas Rochow
      07.08.2025

      Die Öffentlichkeit des demokratischen Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland hat sich damit abgefunden, dass die Mauerschützen-SED unter uns leben und sogar die unerhörten Privilegien von Parlamentariern genießen kann. Dieses Husarenstück konnte dem Genossen Gregor Gysi nur gelingen, weil die westdeutsche Gesellschaft in beklagenswerter Weise leichtfertig mit der wertvollen Errungenschaft der Freiheit umgeht. Die Feinde der Freiheit in der SED-Stasi sind 1989 nicht von heut‘ aud morgen glühende Demokraten geworden! Die Gleichgültigkeit des Rechtsstaates und der Linksmedien diesbezüglich ist erschreckend und bedrohlich! Keine der Altparteien hat sich in dieser Causa mit Ruhm bekleckert! Insofern ist es zu begrüßen, wenn das in den freien Medien wie hier qualifiziert thematisiert wird. Der Selbstdarsteller Gysi führt die Gesellschaft in zynischer Weise vor – und sie lässt es geschehen! Die negativen Veränderungen der Gesellschaft haben viel mit dieser Verdrängung zu tun. Die Behauptung, der Faschismus komme aus der DDR, ist die spalterische Propagandalüge aus dem Hause SED, das bis heute mit Demokratie und Meinungsäußerungsfreiheit fremdelt.

    • Andreas Hofer
      07.08.2025

      Es geht hier doch weniger um Gysi, sondern um das sog. “Bürgertum”, welches ihm huldigt (wahrscheinlich ist er auch ein streitbarer Charakter oder so). Und dieses sog. “Bürgertum” bereitet jetzt die Rente mit 70 (72?) vor – wg der Demographie in einem Land, welches innert 10 Jahren um 3 Millionen Einwohner angewachsen ist, trotz (!) Massensterben in Corona – und ein kleines Kriegchen, nur ein wirklich klitzekleines, mit Russland vorbereitet. Seelenlos, ohne inneren Kompass, wahrscheinlich mit einer Art Jahreskarte fürs Borchardt ausgerüstet reiten sie uns in den Untergang.

    • Werner Bläser
      08.08.2025

      … da sich die Ereignisse überschlagen: Apollo News hat sich die zweite SPD-Kandidatin für Karlsruhe, Kaufhold, etwas näher angeschaut und wirklich Schockierendes gefunden. Diese Frau, von der SPD für das höchste deutsche Gericht vorgeschlagen, will den Souverän, das Volk, zugunsten von „unabhängigen Institutionen“ entmündigen. Das ist nicht mehr und nicht weniger als ein gedanklicher Anschlag auf die Grundfesten unserer Demokratie. Man muss sich fragen, ob die SPD mit diesem Versuch, das Verfassungsgericht zu pervertieren, nicht das Kriterium einer aktiv-kämpferischen Bestrebung gegen den Kern unserer Verfassung erfüllt. Man könnte dann durchaus über ein Verbot dieser möglicherweise verfassungsfeindlichen Partei nachdenken, wenn man die Maßstäbe der Linken im Fall AfD anlegt.

    • Manfred Müller
      09.08.2025

      Sehr geehrter Herr Bläser! Natürlich gibt es Themen, die für mehr aktuelle Aufregung sorgen sollten, als die Beweihräucherung von Herrn Gysi. Ich meine aber, Sie unterschätzen die grundlegende Bedeutung von Biographien wie die von Herrn Gysi. Wie entstehen Korruption, Niedergang, Zerfall des Rechtsstaates und daraus resultierend auch der wirtschaftliche Niedergang? Was sind die Ursachen, wie kann man das umdrehen? Herr Wendt hat einmal sehr schön geschrieben: Geschichte kann man an den Biographien herausragender Figuren der Zeitgeschichte darstellen, ich glaube, das war im Artikel über Horst Mahler.
      Nun also Gysi: zum einen eine DDR Bonzen Biographie. Ich habe mir die DS 13/10893 durchgelesen. Teils langatmig, teils höchst aufschlußreich. Da machte sich die Stasi also Gedanken zum Holzhaus in Havemanns Garten, damit der dort keine Gäste unterbringen können sollte, die der Stasi suspekt waren. Da wird der Biermann penibel überwacht und klein gemacht, obwohl dessen Ausführungen im Grunde unlesbar sind für jemanden, der nicht mit Adorno, Marx und Lenin abgehärtet wurde. Für den Fortbestand der DDR war Biermann irrelevant. Ich habe nun in meinem Berufsleben, obwohl in der Wirtschaft, ständig auch mit Gysi Typen zu tun. Glatt, den jeweiligen Autoritäten gegenüber stets willfährig, rhetorisch geschickt, gut angezogen, höflich und mit gefälligem Auftreten – aber kaum praktische Leistung. Das verbergen diese Typen geschickt hinter salbungsvollen Worten und gelegentlich auch hinter glatten Lügen. Da wird stundenlang mit Genuss bürokratischer Unsinn diskutiert. Wenn solche Leute die Oberhand gewinnen geht ein Betrieb pleite. Die Korruption beginnt mit den kleinen Lügen die toleriert werden. Wir erleben gerade eine Phase solchen Niedergangs in der Bundesrepublik. Corona war nur ein Teil, der offensichtlichste. Maskendeals, Zwangsimpfung, geheime Verträge, Riesengewinne, alles quasi ohne Folgen. Kein Untersuchungsausschuß auf Bundesebene. Wie kann so etwas passieren? Meine Antwort wäre: aus der DDR lernen! Aus der Biographie Gysis und ihrer Darstellung lernen! Da herrscht eine Gruppe von Ideologen, die ihrerseits wieder die Posten nach Bereitschaft vergeben, diese Herrschaft und die zugehörige Ideologie zumindest nach außen hin zu akzeptieren. Wer widerspricht ist Klassenfeind, oder heutzutage, „ein Feind der Demokratie“, ein Klimaleugner, Aluhut oder eben „Rechts“. Die gleichen Altlinken, die nun den Gysi bejubeln und der DDR nachtrauern, gestalten Lehrpläne. In der einen Stunde lernen die Schüler dass die Voralpenseen Reste der Gletscher der letzten Eiszeit von vor 15.000 Jahren sind; in der anderen dass der Klimawandel vom Menschen durch das Freisetzen von CO2 verursacht wird. Die Liste der Widersprüchlichkeiten liese sich lang forsetzen. Nicht nur hier werden die kritischen, die aufrechten Charaktere aussortiert. Wer zu laut auf seinem gesunden Menschenverstand besteht, der bekommt eben schlechte Noten. Weiter nach oben kommt, siehe Gysi, der ja ein schlauber Typ ist, derjenige der sich beweglich anpassen kann. Genau diese bewegliche Anpassung führt letzlich in den Untergang.

      • Werner Bläser
        11.08.2025

        Hm, so habe ich das noch nicht gesehen, und ich muss Ihnen Recht geben.

    • Monika Stiller
      24.08.2025

      Alles richtig, was Sie aufzählen, doch ich sehe den Weg zum neuen Sozialismus, der nach vielen vergeblichen Versuchen nun endlich „der richtige“ sein soll, auch als große Gefahr an. Herr Gysi hat durch seine schlaue Art leider auch Einfluss auf die junge Generation. Mein Enkel, 20 Jahre alt, wählte bei der letzten Wahl zum Bundestag die Linkspartei. Auf meinen Schreck hin fragte ich nach dem Grund, er erwiderte: „Aber der Gysi ist doch ein Netter.“ Zuerst habe ich die Aktion „Silberlocke“ der drei alten linken Politiker, zu der auch Gysi gehörte, während des Wahlkampfs nicht Ernst genommem, doch diese Aktion hatte dann unerwartet Erfolg. Ich sehe also in Herrn Gysi als „netten“ Menschen einen gefährlichen Menschenfänger.

  • Andreas Hofer
    07.08.2025

    Sein “Plädoyer” “für” Bahro ist ja bei Youtube für jeden nachhörbar. Man muss schon sehr, sehr gebildet sein, um den Unterton nicht mitzubekommen. Ja, er ist durchaus unterhaltsam und schlagfertig.

  • Theobald Tiger
    09.08.2025

    Ich erinnere mich an einen Slogan aus einem (welchen?) ostdeutschen Nachwende-Wahlkampf:
    „Stasi – Nasi – Gysi!“
    „Nasi“ bedeutet hier (Amt für?) „Nationale Sicherheit“, das war die umbenannte Stasi im Jahr 1990. //
    Die „Wende“ 1989 war, so glaube ich mittlerweile, der geheime Generalangriff der Pleite-Kommunisten auf den wirtschaftlich überlegenen Klassenfeind. (Derzeit sieht es nach dem Sieg des Kommunismus aus: s. F-Fritz)
    Eingebettet ist das deutsche Debakel in das Projekt „Neue-Welt-Ordnung“. Für die angestrebte Weltherrschaft mußte der Eiserne Vorhang zwingend beseitigt werden. //
    Leute wie IM Notar würde ihre Kinder, ihre Frau, ihre Mutter verkaufen, wenn sie dafür Ruhm gewönnen.

    • irgendwer
      19.08.2025

      Nun… Wolfgang Langnitschke oder Gerd Forgber hätten Ihnen möglicherweise dezidiert ausführen können, wer denn wohl aalglatter Oportunist gewesen sei. Leider waren sie tölpelhafte Verkehrsteilnehmer (wie übrigens auch ein Alexander Sjubenko oder ein
      Alexander Prinzipalow, obwohl die wohl eher schreck- als tölpelhaft waren. Oder beides. Nichts genaues weiß man nicht.).

  • A. Iehsenhain
    10.08.2025

    Ich weiß im Moment nicht mehr den Urheber, aber in Anlehnung an einen Krimi-Klassiker hieß es einmal „Der talentierte Mr. Gysi“. Und Gazetten wie die „Zeit“ und ihre Seelenverwandten sind anscheinend nur noch Massage-Salons für Krokodile.

  • Karsten Dörre
    11.08.2025

    „Einen Zivildienst wie in der Bundesrepublik kannte die DDR bis zu ihrem Ende nicht.“ – Doch, der Zivildienst, wie man ihn in der Bundesrepublik kannte, gab es bis 31.August 1990 (Quelle: Verordnung über den Zivildienst in der Deutschen Demokratischen Republik, vom 20. Februar 1990). Ich konnte mich vom Wehrdienst – wenn auch unwissentlich – „befreien“. Eigentlich verpflichtete ich mich für drei Jahre. Eine schwerwiegende Sportverletzung zögerte meine Einberufung hinaus. Mit 20 Jahren (1986) habe ich dann meine Verpflichtung widerrufen, was allerlei Geschrei viele Stunden durch zwei Wehrkreiskommandisten produzierte. In der abschliessenden „Feierstunde“ zur Proklamation wurde mir traurig mitgeteilt, ich würde erst mit 27 Jahren eingezogen, wenn ich Familie und Kinder hätte. Somit hatte man mich offiziell für 1993 eingeplant. Die Bundesrepublik hatte an mir mit solch Musterungsakte kein Interesse.