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Der Grüßer von Chemnitz

Sein Foto mit dem erhobenen Arm ging um die Welt. Wer ist der Mann, der gestern wegen der Nazi-Pose verurteilt wurde?

Das Bild des Chemnitzers André H. ging im August 2018 um die Welt: Bei der Protestdemonstration von Bürgern am 27. August gegen die Tötung eines jungen Chemnitzers durch irakische Asylbewerber sammelten sich damals Figuren aus der Neonazi- und Hooligan-Szene und zeigten den Hitlergruß. Besonders tat sich ein Mann hervor, der äußerlich nicht zu den anderen passte: verwaschenes blaues Kapuzensweatshirt, strähnige lange Haare. Andre H., so sein Name, hob mehrfach den Arm. Er posierte regelrecht für die Kameras ringsum.

Am Montag stand er deshalb vor dem Amtsgericht Chemnitz, fast ein Jahr nach seinem Auftritt. Dort sagte er, er schäme sich, es täte ihm leid. Er gehöre eigentlich zur linken Szene.

Die Realität des André H., dafür sprechen Recherchen von Publico, sieht offenbar noch ein wenig anders aus. Tatsächlich war im August 2018 nicht nur das verwahrloste Äußere von H. aufgefallen. Sondern auch die Tätowierung „RAF“ an seiner Grußhand. Zum einen machte in den sozialen Netzwerken sofort das Gerücht die Runde, es handle sich um einen Agent Provocateur der linksextremen Szene. Auf der anderen Seite behauptete das Internet-Portal „Watson“, der Schriftzug „RAF“ sei nachträglich in das Foto kopiert worden, es handle sich um ein Fake. Später musste sich das Boulevard-Portal (Eigenwerbung: „Nachrichten ohne blabla“) einräumen, dass es selbst eine Falschnachricht verbreitet hatte.

Doch wo gehört Andé H. nun tatsächlich hin? Publico sprach vor dem Prozess in Chemnitz mit einem Mediziner, der H. schon einmal – vor dem August 2018 – in einem Notfall behandelt hatte. Er sei gerufen worden, berichtet er, weil H. im betrunkenen Zustand in seiner Wohnung mit der Faust durch eine Glasscheibe geschlagen und sich die Hand aufgeschnitten hatte. Bei der Behandlung, so der Mediziner, sei ihm die RAF-Tätowierung aufgefallen, und er sprach H. darauf an: Ob er eigentlich wisse, wofür das Kürzel stehe. Ob er schon einmal etwas von der Roten Armee Fraktion, von Andreas Baader und Ulrike Meinhof gehört habe. „Er hat mich nur angestarrt und mit den Schultern gezuckt“, erinnert sich der Mediziner. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass er irgendeine Ahnung hatte, was er da an der Hand trug.“

In der heruntergekommenen Wohnung seien ihm keine rechtsextremen Devotionalien aufgefallen – dafür aber ein Plakat der Linkspartei. Allerdings sei ihm nicht klar gewesen, ob das Poster tatsächlich von H. angebracht worden sei, oder von der Frau, die sich zum Zeitpunkt der Behandlung auch in der Wohnung befunden habe. Er bezweifle, so der Mediziner im Gespräch mit Publico, dass H. tatsächlich das sei, was man im allgemeinen Verständnis politisch engagiert nenne: „Nach meinen Eindruck war er vor allem schwer alkoholabhängig.“
Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit H.s kamen schon auf, als er am Abend des 27. August 2018 in Chemnitz einem TV-Reportage-Team begegnete und im betrunkenen Zustand in die Kamera erzählte, er sei der beste Freund des erstochenen Daniel Hillig gewesen. Wie sich schnell herausstellte, hatte er sich die Geschichte ausgedacht oder halluziniert. Nichts davon stimmte.

Obwohl H. wegen zahlreicher kleiner unpolitischer Strafdelikte gerichtsbekannt ist, urteilte die Amtsrichterin am Montag relativ milde: 100 Stunden gemeinnützige Arbeit. H. versprach außerdem, eine Entgiftungs- und Entziehungskur zu beginnen.
Nach fast einem Jahr bleiben die dominierenden Medienbilder zu Chemnitz das gekaperte 19-Sekunden-Video der „Antifa Zeckenbiss“, von dem Angela Merkel fälschlich behauptete, es zeige „Hetzjagden“ (im Plural). Und die Hitlergrüße von etwa einem Dutzend Personen, wobei besonders häufig André H. in den Medien gezeigt wurde – ein links drapierter Alkoholiker an der Grenze der Zurechnungsfähigkeit. Auch die bisherigen Verurteilungen von Angeklagten wegen der Chemnitz-Hitlergrüße zeigten:
Diejenigen, die damals posierten, gehörten zum gesellschaftlichen Rand, und nicht, wie es in etlichen Berichten über Chemnitz hieß, „zur Mitte der Gesellschaft“. Am Nachmittag des 27. August bildeten sie eine kleine Minderheit neben und in der gewaltfreien Bürgerdemo.

Aber nicht nur die Bilder der Demonstranten verschwanden hinter der medialen Skandalisierung und Falschberichterstattung – sondern auch das Tötungsverbrechen und die Messerstiche gegen zwei weitere Männer in der Nacht vom 26. Auf den 27. Januar, das überhaupt zu dem Komplex „Chemnitz“ führte. Bis heute gibt es kein Urteil. Einer der dringend Tatverdächtigen, Farhad A., ist immer noch nicht gefasst.

A., der in Deutschland einen Asylantrag stellte, sich als Flüchtling ausgab und schon vor dem 26. August 2018 etliche Straftaten beging, flüchtete offenbar ins Ausland.

 


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16 Kommentare
  • Joseph
    13. August, 2019

    André H. passt wohl nicht so ganz in das von den meisten Medien gezeichnete Bild von Chemnitz und den damaligen Geschehnissen.

    Anders lässt sich die nun ohrenbetäubende Stille im Blätterwald nicht erklären.

  • Eddie Graf
    14. August, 2019

    Verwunderlich ist nur, dass wiederum andere per Schnellgerichtsverfahren u.a. mit Geldstrafen Tage später abgeurteilt wurden, während man hier ein Jahr brauchte.

  • Thomas
    14. August, 2019

    German Far Right and Counterprotesters Clash in Chemnitz

    By Melissa Eddy
    Aug. 28, 2018

    BERLIN — Protesters flashing Nazi salutes and shouting “Foreigners out” clashed Monday night with counterdemonstrators chanting, “Refugees welcome,” in a second night of violence in the east German city of Chemnitz that left several people injured and a country dismayed over images of rioting. ..

    https://www.nytimes.com/2018/08/28/world/europe/chemnitz-protest-germany.html

  • caesar
    14. August, 2019

    Es ist sehr wichtig, daß die Handheber identifiziert und verurteilt werden. Es ist aber genauso wichtig, daß darüber berichtet wird, nur so kann in der Allgemeinheit Klarheit darüber gewonnen werden, wer das ist und welche Beweggründe diese Zeitgenossen antreiben. Leider sucht man diese Informationen in der Mainstreampresse vergebens. Sie sind nicht hilfreich sagt Merkel.

  • Rudi Ratlos
    14. August, 2019

    Wäre es angesichts der Beweislage nicht höchste Eisenbahn für Merkel, Medien, Bürgermeister und Co. , die Chemnitzer aufrichtig und medienwirksam um Verzeihung zu bitten?

    • Kai Arne
      15. August, 2019

      Das sehe ich auch so. Das zieht sich wie ein roter Faden. Das sächsische Sebnitz und deren Einwohner wurden ebenfalls auf Basis einer gewaltigen Fake Story weltweit und für Ewigkeit von unseren damaligen Politikern und deren Presse in den Schmutz getreten. Die aufrichtige Entschuldigung und weltweite Richtigstellung steht seit 1999 auch noch aus. (Kandel Abdulla). Wo ist die Entschuldigung der Presse gegenüber Pegida Dresden zum ermordeten Khaled. Auch hier wurde Pegida hauptverantwortlich gemacht von der Politik und deren Medien. Ebenfalls eine Fake Story. Ich könnte noch einige viele mehr aufzählen. Habe aber eben die Zeit nicht dafür.

  • Peter Wieland
    14. August, 2019

    Idioten laufen genug herum. Und sie sammeln sich dort, wo Ansammlungen stattfinden. Egal ob von rechts oder links. Der Fehler liegt bei den Medien, die in der Sucht nach Auffälligkeiten leben und solche Ausreißer als allgemeinverbindlich deklarieren. Eigentlich sind solche Medien volksfeindlich eingestellt und müssten genauso zur Verantwortung gezogen werden. Da sie aber meist linksorientiert sind, passiert das in Deutschland mit seiner ebenso linken Regierung wie Justiz, Lehrerschaft, nicht.

  • anusamri
    14. August, 2019

    Andre H. – Das wird der “beste Mann” vom “Ämtchen” sein!

  • Gero Micheler
    14. August, 2019

    Im Gegensatz zum sonstigen Lob muss ich dieses Mal leider eine Rüge aussprechen: Der mutmaßliche Mediziner hat in meinen Augen seine ärztliche Schweigepflicht verletzt. Hierzu reicht es, wenn auf eine bestimmte Person beziehbare Informationen geteilt werden. Erst recht ist diese Grenze überschritten, wenn über medizinische Details wie eine Handverletzung oder eine Alkoholerkrankung gesprochen wird. Sich diese Informationen zu eigen zu machen, spricht m.E. nicht für guten Journalismus. Ich finde, Sie sollten mindestens diese Teile des Artikels revidivieren, oder, besser noch, den Text depublizieren. Sie sind besser als das.

  • Klaus K
    14. August, 2019

    Wieviele “Hitlergrüße” mögen wohl von Linskextremisten in die Luft gerckt werden? Wieviele “Hakenkreuze” mögen wohl von Linksextremisten an die Wände geschmiert werden? Wieviele vermeintlich “rechte” Straftaten stammen in Wirklichkeit von Linksextremisten (Antifa etc.)?
    Wenn es dem “Kampf gegen rechts” dient, ist den Linksextremisten ALLES recht, sogar Nazimethoden.

  • Gerhard Sauer
    15. August, 2019

    Das lästige Problem des Hitlergrüßens könnte man durch eine einfache Vorrichtung ein für allemal aus der Welt schaffen, indem man jeden Deutschen und jede Deutsche verpflichtet, in der Öffentlichkeit am rechten Arm ein Ellenbogenscharnier zu tragen, das das Abwinkeln des rechten Unterarms über mehr als 90° verhindert. Das Tragen eines solchen Scharniers ist jedem frei herumlaufenden Deutschen durchaus zuzumuten, es schränkt ihn nicht mehr ein als ein Helm den Motoradfahrer oder ein Gurt den Autofahrer. Mehr noch, es macht ihn ebenbürtig mit beiden und schützt genauso wie Helm und Gurt. Es wird gern übersehen, daß der Hitlergruß nicht nur den Grußzeiger gefährdet, sondern auch andere in seiner Nähe. Ihn selbst gefährdet er durch Einleitung juristischer Verfolgungsmaßnahmen mit der Folge unliebsamer Strafen und mit öffentlicher Stigmatisierung als Neonazi. Andere können durch einen plötzlich herabsausenden rechten Arm infolge Ermüdung durch zu langes Hochrecken des Arms empfindlich auf dem Haupt getroffen werden, mit bedenklichen Nachwehen für die Gesundheit des so Heimgesuchten. Auch für das Ansehen Deutschlands im Ausland brächte das Ellenbogenscharnier Vorteile, vermutet man dort doch eine anatomische Merkwürdigkeit der Deutschen – einen Zusammenhang mit Hitler kennt dort praktisch niemand – die sich als Resultat eines seit Generationen haltenden Dünkels der die anderen Völker überragenden eigenen Größe – man bedenke, daß der emporgereckte Arm die Körpergröße erhöht – entwickelt hat.

    Die Modeindustrie wird aufgerufen, elegante, schicke Ellenbogenscharniere auf den Markt zu bringen, damit jedermann und jedefrau der gesetzlichen Pflicht genügen kann und vor dem Verlassen des Hauses das Scharnier anlegt, ohne befürchten zu müssen, es könne die Eleganz des eigenen Auftritts schmälern. Innerhalb des Hauses braucht es nicht getragen zu werden, der Staat sollte auf eine entsprechende Kontrolle verzichten.

    • asisi1
      18. August, 2019

      Auch sollte man die Deckenhöhe der Wohnungen ändern. Zumal es billiger sein würde die Deckenhöhe auf 1,80 m zu senken, da der deutsche Michel bis heute nicht den aufrechten Gang gelernt hat!

  • Jim Pansen
    15. August, 2019

    Eine Skandalisierung und Flaschberichterstattung zu attestieren, kommt einer Verharmlosung der Ungeheuerlichkeiten gleich. Aber das passt eben auch zu Alexander Wendt! Drum schreibt er auch für das Zyniker-Portal alter weißer Männer ‘Achgut’!

    • Alexander Wendt
      15. August, 2019

      “Flaschberichterstattung” passt auch gut.

    • Starhemberg
      16. August, 2019

      Lieber Jim Pansen, ohne “alte weiße Männer” gäbe es die Technik, welche Sie hier nutzen um Unsinn zu verbreiten, gar nicht. Und sonst auch nicht viel. Beste Grüße.

  • Günther Müller
    23. August, 2019

    Wenn schon muß es Dutzende von …. und nicht Dutzende heißen. Einen Hitlerguß hat es nie gegeben.
    Er hieß geschichtlich richtig “Deutscher Gruß” auch wenn es den Schreibern nicht gefällt.

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