Erst gab es eine Erregungsaufwallung über die Jeans-Werbung mit einer blonden weißen Schauspielerin. Dann endete die Ardennenoffensive der Erwachten unter Lachsalven. Sie verlieren gerade den Kulturkrieg – weil sie längst die maximale Uncoolness verkörpern. Irgendwann will keiner mehr dabei gewesen sein


„Auch in Deutschland macht sich ein Kulturkampf breit“, teilt der Spiegel seiner Leserschaft mit. Der entsprechende Artikel erschien nicht irgendwann 2015, sondern im August 2025. Das klingt ein bisschen so, als hätte der Reichsrundfunk nach dem Zusammenbruch der Ardennenoffensive gemeldet, jetzt käme es möglicherweise zu Kriegshandlungen. Das tat er bekanntlich nicht, aber in gewisser Weise trifft die Analogie zu: Hier wie dort griffen beziehungsweise greifen Kämpfe auf das eigene Territorium über.

Es ändert die Wahrnehmung enorm, wenn die Verwüstung völlig unerwartet nicht mehr nur die überfallenen Gebiete betrifft, sondern auch das Terrain, das man bis dahin für uneinnehmbar hielt. Die Uneinnehmbarkeit galt – und jetzt befinden wir uns wieder ganz in der Gegenwart – genauso lange als ausgemacht, wie man im antibürgerlichen Komplex glaubte, die Windrichtung bestimmen zu können. Da sich das jetzt ändert und den bisherigen Dauerangreifern eine steife Brise ins Gesicht weht, herrscht also plötzlich Kulturkampf.

Aus der Sicht des Spiegel, ähnlich gelagerter Medien, Ferda Atamans, der Grünen und ihrer akademisch-urbanwoken Vorturner in den USA, von denen sie jedes Komma übernehmen, handelte es sich bei dem Niederschreien nichtlinker Professoren, dem generellen „Deplatforming“, also der Verhinderung öffentlicher Auftritte bestimmter Personen durch einen Mob, beim Canceln von Kunst, „die missverstanden werden könnte“, dem Umschreiben von Literaturklassikern, der Diversity-Equity-Inclusion-Zwangsbeschulung für Angestellte großer Konzerne, der Begeisterung für die korrupte und antisemitische Black-Lives-Matter-Bewegung, dem Mobbing gegen Wissenschaftler, die darauf bestehen, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt, bei den irrsinnigen Anklagen gegen den heutigen Westen und ausschließlich den Westen wegen des Sklavenhandels vor mehr als 200 Jahren, bei dem antikolonialistisch bemäntelten Antisemitismus an Universitäten und weit darüber hinaus, kurzum, bei dem zehnjährigen Generalangriff auf Wissenschafts- und Meinungsfreiheit, Sprache, Geschichtsschreibung und Rechtsstaat durch eine praktisch zu allem bereite politisch-medial-akademische Kaderarmee zu keinem Zeitpunkt um so etwas wie Kulturkampf.

Der Kulturkampf beginnt vielmehr, wenn sich die Zielpersonen und mittlerweile auch Unternehmen erfolgreich gegen diesen Sturmlauf wehren. Der Kulturkampf beginnt, wenn in den USA ein großes Unternehmen nach dem anderen seine Diversity-Equity-Inclusion-Programme beendet und die entsprechenden Abteilungen dafür auflöst, weil sich diese Art des zeitgenössischen Politunterrichts für Erwachsene nicht nur als teuer herausstellt, sondern sogar als kontraproduktiv für die Firmenkultur. Der Kulturkampf nimmt bedenkliche Züge an, wenn sich angegriffene Wissenschaftler erfolgreich vor Gericht wehren. Einen besonders besorgniserregenden Höhepunkt des frisch gestarteten Kulturkampfs entdecken die wohlgesinnten Kreise in den USA und noch mehr in Deutschland in dem Umstand, dass die US-Regierung neuerdings ihre Mittelvergabe an Universitäten davon abhängig macht, ob die Institutionen sich zum besseren Schutz jüdischer Studenten und Mitarbeiter und zum Vorgehen gegen gewalttätige Trupps auf dem Campus verpflichten (was sie auch eine nach der anderen tun, nicht ganz freiwillig, sondern, um dreistellige Millionensummen nicht zu verlieren).

Und sehr, sehr für den Kulturkampf seit 2024 spricht, dass Beschuldigungskampagnen gegen Unternehmen wegen angeblichem Rassismus und rechter Codes neuerdings nicht nur nicht in die beabsichtigte Richtung verlaufen, sondern innerhalb kürzester Zeit im ungeordneten Blitzrückzug der Angreifer enden.
Es liegt durchaus eine Logik darin, nicht die eigenen Angriffe auf die bürgerlich-westliche Gesellschaft als Kulturkampf zu sehen, sondern erst die Gegenwehr. Von Carl von Clausewitz stammt das Bonmot: „Der Eroberer ist immer friedliebend, er zöge ganz gern ruhig in unseren Staat ein; […]“ Aus Sicht des Aggressors geht der ganze Ärger erst dann los, wenn sich die Attackierten nicht widerstandslos unterwerfen.

Um den Spiegel vollständig zu zitieren: Er kündigt nicht nur bevorstehende Kulturkriegshandlungen auch in Deutschland an, sondern warnt vor „amerikanischen Verhältnissen“.
Wobei wir bei Sydney Sweeney, ihren guten Jeans und den Folgen wären. Kurze Zusammenfassung für alle, die es nicht verfolgt haben sollten: In der Kampagne des amerikanischen Jeansherstellers American Eagle räkelt sich die Schauspielerin Sydney Sweeney („White Lotus“) in einer oben recht engen, unten aber eher weit geschnittenen Hose und einer Jeansjacke, die so körperbetont sitzt, dass Sweeney sie auf der blanken Haut trägt.

Das heißt, in einem Spot räkelt sie sich, in einem anderen schließt sie mit Pardauz die Heckklappe eines Sportwagens und fährt damit ins Blaue. Bei dem Auto handelt es sich um einen Verbrenner. Der spotübergreifende Werbespruch lautet: „Sidney Sweeney has great jeans“, worauf der Hinweis folgt: Sie besitze auch great genes, also gute Gene. Normalverbraucher erkennen darin ein Wortspiel, das die Wahrheit nicht direkt verbiegt, denn die gute genetische Ausstattung kann man der Werbeträgerin wirklich nicht absprechen.

Wer sich nicht ausschließlich für Jeans und die Schauspielerin interessiert, der nimmt vielleicht zusätzlich wahr, dass eine ganze Reihe von Firmen ihre Produkte mittlerweile nicht mehr mit als Frauen verkleideten Männern respektive bärtigen oder stark übergewichtigen Frauen an ihre Kunden bringen, sondern mit Models, die allgemeinen Attraktivitätskriterien entsprechen. In einem Dunkin’-Donuts-Werbespot beispielsweise nimmt der Schauspieler Gavin Casalegno den Sommerdrink 2025 zu sich, wobei auch hier die Gene kurz Erwähnung finden: Er weist darauf hin, dass es sich bei seiner Bräune um ein Familienerbe handelt („Look, I didn’t ask to be the king of summer. It just kinda happened. This tan? Genetics“).

Es existiert nun auch noch eine dritte und relativ kleine Gruppe, die in Sweeneys und etwas abgestuft auch in Casalegnos Auftritt etwas ganz anderes erkennt: Eugenik, Rassismus, Erniedrigung von Schwarzen, Trumpismus und überhaupt eine unterschwellige Vermittlung faschistischer Ideologie, zwar im Sinne des Faschismusbegriffs als Schweizer Taschenmesser der Woken, also als Instrument für sämtliche Diskurslagen, aber immerhin. Auf den dunkelhaarigen Casalegno stürzte sich die Empörungssturmabteilung nur nebenbei, schließlich geht es hier ja auch um braune Haut; hauptsächlich konzentrierte sie sich auf American-Eagle-Sweeney. Denn blond und blauäugig – das gehörte auch zu den Vorwürfen.

Es folgt jetzt ein kleiner Ausschnitt aus Wortmeldungen in der Sache, wobei der Einfachheit halber ein Prototyp für den generischen Rest steht, zu dem die Links in den folgenden Absätzen führen. Die Jeans-Kampagne von American Eagle, erklärte beispielsweise eine dezidiert nicht sweeneyhafte Influencerin, werbe für Eugenik, sei „Nazi Propaganda“ und gehöre mit allen Mitteln bekämpft.

Bei den American-Eagle-Firmeneignern handelt es sich übrigens um Juden, aber vielleicht kommt das in den Augen einiger Kritiker strafverschärfend dazu. Auf TikTok sprachen andere Personen des gleichen Erregungsmilieus Boykottaufrufe in die Kamera, führten emotionale Zusammenbrüche wegen der blonden Nazi-Eugenik-Trump-Frau vor, warnten vor white supremacy und entwickelten ausgefeilte Bestrafungsfantasien für alle, die an dem Jeansspot mitwirkten.

Falls sich jemand tatsächlich durch diese Auswahl klicken sollte: Sie stehen mit dem Eindruck nicht allein da, dass sowohl Protagonistinnen als auch Textbausteine aus ein und derselben Fabrik stammen. Zur großen Wut trug möglicherweise auch noch bei, dass die sich räkelnde und kofferraumschließende Schauspielerin ohne spezielle Absicht den Punkt berührte, dass sich durchaus definieren lässt, was eine Frau ist.

Der ersten Welle auf TikTok, Instagram und X folgte die in den vergangenen Jahren gut eingespielte Welle zwei: Medien kehren das Material zusammen und versintern es zu Beiträgen wie „Große Empörung über XX“ /„Der unterschwellige Rassismus von XX“/„Die rechten Codes im Spot von XX“ und so weiter, natürlich mit den entsprechenden Fragen an das Unternehmen, welche Konsequenzen man dort zu ziehen gedenkt. Der Sender MSNBC, hier wieder als Beispiel für viele andere dokumentiert, fand das, wofür die Jeanswerbung seiner Meinung nach steht, „ugly and startling“, hässlich und alarmierend.

Deutsche Medien, die bei solchen Themen ausnahmslos gesinnungsverwandte US-Erzeugnisse kopieren, klärten ihr Publikum ebenfalls über die Protestwelle auf.

WDR Cosmo informiert sein Publikum über das neue Körperideal, für das dreierlei gelte: „weiß, kolonialistisch und NS-ideologisch“.

Dann warteten die US-Wokeria und ihre Verbündeten auf Phase drei: Das Management des Unternehmens wirft sich öffentlich auf die Knie, zieht die Werbung zurück und bittet bei allen Mentalverletzten um Verzeihung, während eine Filmfirma Sydney Sweeney aus ihrer gerade laufenden Produktion wirft. Worauf sich dann das Ganze noch einmal, Phase vier, zu einem Sud mit allen Zutaten verkochen lässt, wozu unvermeidlich auch die Therapie der Traumatisierten in den Medien gehört („Was hat die Jeanskampagne mit dir gemacht?“). Nur passierte diesmal nichts davon. Die Firma erklärte erst gar nichts und dann, dass sie an ihrer Kampagne nichts zu ändern vorhabe. Der Aktienkurs von American Eagle stieg steil an, spiegelbildlich ungefähr so stark, wie die Verkaufszahlen von Budweiser seinerzeit nach dem Werbespot mit Dylan Mulvaney nach unten abschnurrten.

Der Sweeney-Loony-Left-Meltdown markiert aus mehreren Gründen einen Zeitenwechsel. Erstens, weil es hier um ein Gebiet geht, auf dem fast jeder mitreden kann. Die Debatte um Pronomen wie Xer und xer, die rassistische Konnotation von Milch und den Kolonialismus botanischer Gärten bekam nicht jeder außerhalb eines eher engen Milieus mit, in dem man sich stets bemüht, den Sockenschuss à jour nicht zu verpassen.

Aber über körperbetonte Jeans und die Frage, was einer als hässlich beziehungsweise alarmierend empfindet – dazu traut sich fast jeder ein Urteil zu. Noch dazu, wenn die Werbemotive am Times Square und anderswo über den Bildschirm laufen. Es handelt sich also um wirklich populären Stoff. Die Drama-Inszenierung in den sozialen Medien bekamen auch hinreichend viele Leute mit. Der Kontrast zwischen den Sweeney-Möchtegernboykotteurinnen und Rassismusanklägerinnen einer- und Sweeney andererseits ließ sich ebenfalls schlecht übersehen. Unter den folgenden Lachsalven brach diese möglicherweise letzte Großoffensive der Erwachten innerhalb von 72 Stunden zusammen.

Dass American Eagle gar nicht daran denkt, sich für irgendetwas zu entschuldigen, liegt auch am Strukturwandel der Medienöffentlichkeit. Früher knickten Firmen spätestens dann ein, wenn große Sender und Blätter die Erregung auf Internetplattformen wie ehemals Twitter, TikTok und anderswo mit ein paar Stichworten selbstausgesuchter Experten und Politiker mixten, um das Produkt dann direkt gegen das Management eines Herstellers zu richten. Auch das funktioniert nicht mehr, denn außerhalb eines kleinen harten Kerns verfolgt kaum noch jemand Transmissionsmedien wie MSNBC. Der Sender verlor von 2024 bis Mitte 2025 nach langem Niedergang noch einmal 15 Prozent seiner Zuschauer insgesamt und 20 Prozent der 24- bis 54-Jährigen. Das tägliche Publikum liegt nur noch hauchdünn über der Millionengrenze in einem Land mit 340 Millionen Einwohnern.

Kurz zusammengefasst: Die mediale Aufregung versendet sich weitgehend jenseits der Öffentlichkeit, der vorgelagerte netzaktivistische Rummel erreicht zwar eine deutlich größere Zuschauerschaft, allerdings eine, in der sich neun von zehn Personen köstlich über die Empörungsschaustellerinnen amüsieren. Genau diese amerikanischen Verhältnisse fürchtet man bei Spiegel, ARD, ZDF et al. Und zwar völlig zu Recht.

Nach der kollabierten Anti-Sweeney-Kampagne begab sich nun aber Folgendes, das es bisher so noch nie gab: Die Beteiligten und ihre Ally-Medien leugneten einfach, dass es die Kampagne überhaupt gab. Im Wokenkuckucksheim fing man an, in abermals generisch produzierten Tweets jede eigene Beschäftigung mit der Sweeney-Jeanswerbung zu bestreiten und zu erklären, bei den Rassismus- und Eugenikbeschuldigungen handle es sich ausnahmslos um rechte Unterstellungen und Hirngespinste. Zu den Kollektivmerkmalen der Linksbizarren in ihrer Spätphase gehört es offensichtlich, dass sie im Netz so schreiben, als hätten alle anderen keinen Netzzugang, zumindest aber kein Archiv.

Auch hier soll wieder eine Wortmeldung stellvertretend für den kursorisch behandelten Rest stehen. Spiegel-Auslandschef Mathieu von Rohr twitterte: „Es gab gar keine ‚woke Empörung‘ über die Sidney-Sweeney-Werbung […] es gab nur eine Empörungskampagne rechter Accounts über eine angebliche woke Empörung, die aber gar nicht wirklich existierte.“ Dazu verweist er auf die New York Times, die das angeblich herausgefunden hätte.
Das tat die NYT zwar gar nicht, das Blatt behauptete lediglich, „right wing activists“ hätten „die Sweeney-Jeans-Anzeigendebatte geformt“. Jedenfalls rollte nun der Rückzug, pardon, die Frontbegradigung: Man habe sich nie aufgeregt, die Jeanswerbung habe niemanden interessiert, irgendwelche wokelinken Nervenzusammenbrüche habe man nie gesehen.

In gewohnter Weise saublöd steht der Stern da, der das Kommando („Vorwärts Genossen, wir müssen zurück“) offenbar nicht rechtzeitig mitbekam. Jedenfalls fragte einer seiner begabtesten Autoren zu Sweeney: „Ist sie das rechte Postergirl, auf das Trump gewartet hat?“ und: „Sie soll Republikanerin sein und rassistische Werbung machen“. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem der Spiegel nebenan schon darüber informierte, irgendeine Aufregung um die Jeansträgerin habe es garniemals nicht gegeben, das könne man beim hl. Relotius beschwören.

Wenn die woke Phalanx neuerdings nach ein paar Metern Anlauf auf dem Absatz kehrtmacht und umständehalber den Rückweg durch die Katzenklappe antritt, dann wirkt das enorm unterhaltsam. Aber zu sagen: „Wir waren nie im Krieg gegen Ozeanien“, weil man gerade gegen Ozeanien verliert – das markiert wirklich eine neue Qualität.

Wobei, die Hatesniegegeben-Parole kündet auch auf anderen Gebieten von Angriff, Scheitern und Rückzug. Nur folgten diese Schritte noch nie so schnell nacheinander, sondern mit größerem Abstand und damit unauffälliger. Jedenfalls gehört der Textblock mittlerweile fest zur Kommunikation von grünen Politikern und ihren journalistischen Trabanten, ein Zwang zur Wärmepumpe hätte zu keinem Zeitpunkt existiert, sondern er wäre von rechten Netzwerken nur behauptet worden. Ein Blick ins Gesetz beweist das Gegenteil. Dort heißt es zwar, die Wahl der Heiztechnik sei frei. Gleich darunter steht eine detaillierte Definition, die für viele Gebäude keine Alternative außer der Wärmepumpe übriglässt.

Noch etwas länger schon geht die Erzählung um, es habe niemals einen Genderzwang gegeben, auch das sei alles nur von rechts ausgedacht. Die Stadtverwaltung Hannover schreibt die Gendersprache seit 2019 für den gesamten Schriftverkehr verbindlich vor und damit auch mittelbar für die Bürger, die schließlich nicht umhinkommen, amtliche Briefe zu lesen.
Die Stadt München stellte 2022 ihre gesamte Informationstechnik auf Gendersprache um; die Aktion kostete 3,9 Millionen und sieht ebenfalls keine Ausnahmen vor.
Mehrere Universitäten versuchten eine Genderpflicht durchzudrücken, indem sie Lehrkräften erlaubten, Studenten schlechter zu benoten, wenn sie in ihren Arbeiten nicht genderten. Die Ablehnungsrate der Sondersprache dürfte in der Normalbevölkerung auch wegen solcher Maßnahmen auf gut 75 Prozent geklettert sein.
Kürzlich behauptete das ZDF, es gäbe in Deutschland gar keine Meldestellen für Äußerungen „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ (Lisa Paus), sondern nur für ausdrücklich strafbare Verstöße. Damit verbreitet der Sender eine klare Falschmeldung. Aber man kann sich schon ungefähr vorstellen, wie die Sprachregelung lautet, wenn eine Regierung in Zukunft diesen Plattformen das Geld abdreht: Spätestens dann wird es die Meldestellen niemals gegeben haben.

Der Autor und Literaturwissenschaftler Adrian Daub machte sich schon ab 2022 einen Mediennamen, indem er behauptete, so etwas wie Cancel Culture existiere auf gar keinen Fall, zumindest nicht von links, und wenn es doch zu dem einen oder anderen Ereignis an US-Universitäten gekommen sei, das sich beim besten Willen nicht abstreiten lässt, dann, so Daub, handle es sich um „winzige Anekdoten“.

Was folgt aus alldem? Aus der Jeansgeschichte zunächst einmal: Unternehmen, die einfach die woke Lärmkulisse ignorieren, gewinnen. Nur wer einknickt, macht sich zum Opfer. Aber im großen Zusammenhang und grundsätzlich: Der Wokismus verliert gerade den Kulturkampf, weil nun einmal derjenige das kulturelle Feld beherrscht, der definiert, was gerade als populär und attraktiv, kurz, was als cool gilt. Und populär, für die breite Gesellschaft attraktiv und für Jüngere cool – das war dieses Phänomen nie. Der Wokismus versprach denen, die mitmachten, in seiner Siegesphase Posten, Macht, Bedeutung, also Beute. Aber selbst in seinen besten Zeiten niemals auch nur die kleinste intellektuelle Aura. Und die Beute reichte von jeher nur für sehr wenige. Eine Kunstsprache, vor staatlichen Institutionen und Konzernzentralen aufgezogene Regenbogenfahnen, Schreichöre, Hamas-Solidaritätsaufrufe, Kämpen mit Septumring, blauen Haaren und neuerdings Topfschnitt – davon ging und geht nie eine Sekunde lang Glamour aus. Das reichte nie für popkulturelle Qualität, es erzeugte nie interesseloses Wohlgefallen bei Betrachtern.

Wäre die Gendersprache attraktiv, würden Millionen sie privat sprechen. Wären die Ideen und Argumente der Erwachten brillant, hätten ihre Fußtruppen nie irgendjemanden niederbrüllen müssen. Wäre die Bewegung menschenfreundlich, hätte es keine Hamasjubler in amerikanischen und deutschen Universitäten gegeben. Wären Diversity-Workshops für normale Angestellte ein Vorteil gewesen, dann hätten sie sich von unten durchgesetzt statt von oben. Darüber, dass Unternehmen ihre Diversity-Equity-Inclusion-Programme abschaffen, gibt es zwar schon Regalmeter hochbesorgter Medienartikel. Aber wirklich nirgends Beschwerden aus der Belegschaft der Unternehmen selbst, also von den Leuten, zu deren Nutz und Frommen der Zauber angeblich stattfand.

Man wird auch staunen, wie plötzlich das Gendern beim Deutschlandfunk, an Universitäten und anderswo endet, wenn die Stigmatisierung durch Lächerlichkeit an einem bestimmten Punkt den Gruppendruck im Inneren übersteigt. Den vorübergehenden Vormarsch der Erwachten begünstigten neben der Entschlossenheit der Marschierer auch Opportunismus, Feigheit, Unterwürfigkeit; die Angst, selbst in die Mangel zu geraten. Aber niemals irgendein inneres Leuchten, das von dieser Lehre ausging, ein Sog, eine Faszination.

Der Wokismus kann nichts Wertvolles weitergeben. Er hat keine guten Gene.

Schwindet die Angst der vormals Eingeschüchterten, dann bröckelt sein Gebäude ziemlich flott. Genau das geschieht gerade in den USA, weshalb der Spiegel ja auch so engagiert vor den dortigen Verhältnissen warnt. In Deutschland könnte der Prozess etwas länger dauern. Denn gerade das gehobene Bürgertum und damit auch viele Unternehmensmanager halten sich hierzulande bevorzugt im Bockshorn auf. Aber auch das endet irgendwann. Früher oder später bescheinigt ihnen der Hausnotar, dass sie jetzt auch ihr kritisches Wort sagen dürfen. Aller Wahrscheinlichkeit lautet es: Wir haben diese Erscheinungen schon immer sehr kritisch gesehen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: mit dem Zerbröseln des Wokismus verschwindet die Linke nicht. Im Gegenteil, sie tritt wieder pur und roh hervor, räuberisch und auf Zerstörung aus. Aber sie wirft den Ballast des Pronomen- und Genderzirkus und vieler weiterer Woke-Elemente ab, schon deshalb, weil sie nicht zur neuen prophetengrünen Zielgruppe passen. Auch innerhalb des antibürgerlichen Milieus gibt es herabgesunkenes Kulturgut.

Irgendwann in mittlerer Zukunft heißt es vermutlich westweit: Der sogenannte Wokismus war in Wirklichkeit die Erfindung seiner Feinde.
Und ehrlich gesagt: Genau so sah er auch von Anfang an aus.

 

 


Dieser Beitrag erscheint auch auf Tichys Einblick.


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1 Kommentar
  • Heidi Walter
    13.08.2025

    „Bevor die politische Macht erobert wird, muss die kulturelle Hegemonie errungen sein: die Fähigkeit, die Denkweise der Menschen zu bestimmen“. Antonio Gramsci, marxistischer italienischer Philosoph

  • Werner Bläser
    13.08.2025

    Der erste Abschnitt ist schon stilistisch ein Meisterstück. Trägt einen weiter wie die grandiose erste Seite in Melvilles „Moby Dick“. Da kann man nur vor Neid erblassen. Ich hoffe dabei natürlich inständig, Blässe sei keine Chiffre für White Supremacy.
    Ich bin den Woken oder ihren Vorläufern vor langer Zeit in den Leserkommentaren der Rheinischen Post begegnet (gibt es, glaube ich, nicht mehr – ich habe dieses Käseblatt ewig nicht mehr gelesen). Da wurden bis dahin als völlig normal geltende, gemässigte konservative Ansichten plötzlich mit einem Furor verfolgt, als hätten sie einen neuen Holocaust gefordert. Die Artikel der Journalisten im Blatt zeigten dieselbe Tendenz. Nach dem ersten Erstaunen begannen die Konservativen unter den Leserzuschreibern, sich zu wehren.
    Die Reaktion war, dass man sich von linker Seite wunderte, was denn auf einmal mit den Konservativen los sei; warum wären die denn plötzlich so aggressiv?
    Wir lernen: Widerspruch gegen ihre unumstösslichen Wahrheiten ist bei den Linken unserer Zeit einfach nicht vorgesehen. Um den grossen Stilisten Trappatoni zu zitieren: „Was erlauben diese Rechten!“

  • Gisela Busch
    13.08.2025

    „Zahlreiche ÖRR Sender haben sich von X zurückgezogen, weil die Plattform angeblich nicht mehr relevant sein soll. Die gleichen ÖRR Sender berichten ständig über Politiker und Prominente, die sich bei X äußern.“ schreibt der OerrBlog.

    Der Rückzug der Woken findet auf ganzer Linie statt.

  • Rudolf Wedekind
    13.08.2025

    Leider ist Wendts gut geladenes und treffsicheres Geschütz immer nur in eine Richtung aktiv. Gegen Wokismus und anderen linken Blödsinn. Ich wünsche mir, dass er einmal bemerkt – und sie es zumindest beiläufig – dass das, was jetzt in den USA an der Macht ist, und was in vielen europäischen Ländern auf seinen Einsatz wartet oder ebenfalls schon an der Macht ist (Ungarn), nicht die Befreiung vom Wokismus ist, sondern die harte Strafe für linken Unsinn. Und die wird alle treffen, auch wenn sie sich noch so unschuldig fühlen. Das ist wie 1945 in Ostdeutschland. Die Befreiung dauerte nur kurz. Die Strafe folgte schnell und ungerecht.

    • Nemopuk
      14.08.2025

      Die harte Strafe für linken Unsinn wäre mir immer noch lieber als der linke Unsinn. Ich verstehe die Angst der Linken, dass sie im Falle eines derzeit noch ziemlich unwahrscheinlichen Machtwechsels dereinst von „den Rechten“ genauso mies behandelt werden, wie sie derzeit ihre politischen Gegner behandeln.

    • Peter Thomas
      14.08.2025

      Sie reden kryptisch. Was ist es, das in vielen europäischen Ländern auf seinen Einsatz wartet? Welche Art Strafe wird auch die Unschuldigen treffen? Wen sollte A W noch ins Visier nehmen?
      Freundliche Grüße, P T

    • Gerald Gründler
      15.08.2025

      Welche Strafen meinen Sie? Nicht mehr von undankbaren Kostgängern aus steinzeitlichen Kulturen belästigt und belastet zu werden? Nicht mehr die aufdringlichen und geschmacklosen Umzüge sexuell schwer Ausgetickter erdulden und mitfinanzieren zu müssen? Nicht mehr eine ebenso lästige und sozial schädliche Blase von intellektuell minderbemittelten Denunzianten und Gouvernanten in so genannten NGO und deren verkniffene, ehrpusselige Regisseure in grünen und roten Parteibüros mit durchfüttern zu müssen?
      Also: Nur her mit diesen schlimmen Zuständen- je eher, desto besser!

    • Xel
      16.08.2025

      Sie erregen sich aber auch nicht anders als die Woken;-) Trump in den USA oder Orban in Ungarn als Strafe für die jeweilige Nation?
      Nicht schlecht.

    • pantau
      26.08.2025

      Die Grundidee, dass ein Unsinn durch einen mindestens ebenso großen Unsinn auf Seiten der Gegner des ersten Unsinns abgelöst wird und daher der Nichtunsinn an irgendwo mittig-dritter Stelle liegen müsse, lässt außer Acht, dass die Kritiker von Unsinn manchmal einfach nur: VERNÜNFTIG sind.

  • Andreas Hofer
    14.08.2025

    Ich bin allerdings der Meinung, dass Wokismus sehr viel mehr mit Kapitalismus zu tun hat, als den “Woken” selbst bewusst ist. 1 Woche nach dem Heizungsgesetz kauft BlackRock Viessmann. Und dann kamen schon die ersten Werbungen für eine geleaste Wärmepumpe. Was für ein Traum für’s Kapital: Wärme im Abomodell.

    • Joseph Salomonson
      17.08.2025

      B.R. hielt 7,2 % an Carrier, das ist völlig vernachlässigbar. Viessmann war einfach nicht profitabel.

  • Manfred Müller
    14.08.2025

    Zum Kauf von Immobilien und den neuen Linken, die sich da auf radikale Weise Eigentum verschaffen wollen folgendes: Immobilien sind teuer geworden, richtig, selbst Schrottimmobilien werden teuer gehandelt.
    Das liegt zum einen daran dass der Staat massiv als Mieter auftritt, nämlich indem er via Bürgergeld Mieten ermöglicht, die die Mieter selbst, also ohne staatliche Transferleistungen, nicht bezahlen könnten. Auch eine Folge der Linken Bemühungen um Umverteilung, getarnt als „soziale Gerechtigkeit“. Die Folge ist natürlich dass immer mehr Menschen nach Deutschland kommen, die ohne Aussicht auf Sozialleitungen, darunter eben der Mietzuschuß oder die Begleichung der gesamten Miete, nicht kommen würden. Den Immobilien Haien ist diese Zuwanderung recht, sie profitieren direkt, den Linken auch. Die wiederum profitieren davon dass ihre Dienste als „Intergationsmanager“, „Flüchtlingsberater“ etc. von staatliche Stellen bezahlt werden und zwar – typisch links – ohne jede Erfolgskontrolle.
    Zum anderen treten Käufer auf, die kaum Ahnung von Renovierungskosten, Erhaltungsauswand etc. von Immobilen haben, also naiv viel zu teuer kaufen.
    Kann sich nun ein Handwerker noch ein Haus leisten? Ich meine ja, er muss aber eben auch tüchtig arbeiten. Bei einem Stundensatz von 50 Euro, das ist preiswert, wenn der Mann etwas kann, 200 Stunden im Monat bleiben 4000 Euro netto. Spart der Mann die über 4 Jahre, so hat er das nötige Eigenkapital für ein Haus. Es geht, wenn man will und kann. Dann kann er sein Haus selbst renovieren, kann also eine billigere Immobilie kaufen von der ein Nicht – Handwerker besser die Finger lässt und durch Eigenleistung steuerfrei den Wert seines Hauses steigern. Kein Wunder dass die Linken da neidisch sind. Für mich ist das zentrale Merkmal der Linken nicht die Ideologie. Die ist, wie sehr schön ausgeführt, äußerst flexibel, anpassungsfähig wie der Herr Gysi, gewissermaßen. Mal Klimawandel, dann der Rassismus, dann der Kolonialismus, die Gendergerechtigkeit, dann wieder – aktuell – die soziale Ungerechtigkeit, die dringend auf DDR Niveau korrigiert werden soll. Der rote Faden ist, dass das alles Ausreden sind, die das eigene Versagen vertuschen. Ums mit Marx zu sagen: „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“
    Im tatsächlichen Leben sind die meisten Linken – man lese sich die Biographien der Abgeordneten durch – Zivilversager, die ohne staatliche Transferleistungen nicht überleben könnten. Mangels Talent, Leistungsbereitschaft, oft auch weil die eigenen Fähigkeiten völlig falsch eingeschätzt werden. So mancher der sich da als linker Politiker versucht, wäre wahrscheinlich besser beraten gewesen, ein Handwerk zu lernen. Das wären dann sozial gerechte 50 Euro die Stunde, verbunden mit körperlicher Arbeit, die den weniger talentierten die Flausen aus dem Kopf bringt. Das ist nach meiner Einschätzung das zentrale Merkmal der Linken: schuld sind die anderen, schuld ist die Geschichte die man nicht mehr ändern kann, schuld sind alle, nur nie man selber. Eine Hoffnung haben wir: auch die werden älter. Wer mit 18 kein kommunist ist, der hat kein Herz, wer mit 40 noch Kommunist ist, der hat kein Hirn.
    Ein weiterer Aspekt dieser ganzen linken Umverteilungsphantasien wird nämlich ausgeblendet: Unser Wohlstand beruht darauf dass wir bessere und preiswertere Produkte herstellen als andere. Dieser Vorsprng schrumpft, auch eine Folge linker Leistungsverweigerung. Die Linken bekämpfen die Leistungsbereitschaft geradezu: die eigene ist nicht vorhanden und die der anderen soll bis zum Erbrechen besteuert werden. Damit aber wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt die für die ganze Gesellschaft nach unten führt. Die Schlaueren – auch in der Wirtschaft – sollten allmählich erkennen dass wir hier umsteuern müssen. Der Tourismus aus China, der vor allem den Leistungen vergangener Könige gilt, wirft nicht so viel ab dass es für Transferleistungen für alle reicht.

    • Gerald Gründler
      15.08.2025

      Exakt, der Kern linker und grüner Haltungen sind nicht etwa Gerechtigkeit, Güte oder Freiheit, sondern Faulheit, Dummheit, Versagen und der daraus resultierende Neid auf den Erfolg Anderer.

    • Joseph Salomonson
      17.08.2025

      Begleitet wird die massive staatliche Nachfrage nach Wohnraum von medialen Einrichtungen wie FUNK, COSMO und MONITOR, die die vermeintliche Ungleichheit zwischen den eher gut gebräunten Bürgergeldrezipienten und den eher bleichen schon länger hier weilenden Menschen beklagen und zur Abschaffung jeder Form von Heraushebung aufforden: In den bunten Instagram-Bildchen aus semistaatlicher Produktion wird schon die Existenz von Differenzen im verfügbaren Einkommen angeprangert.

  • Karsten Dörre
    16.08.2025

    Historisch gesehen ist es kein Kulturkampf. Es ist der ideologische Kampf zwischen Links und Rechts in der vermeintlich existierenden, sich auflösenden freiheitlichen Mitte. Die politische Linke meint mit freiheitlicher Mitte „unsere Demokratie“. Die politische Rechte ist in verschiedene Lager gespalten und kann nicht so richtig benennen, was sie verteidigt. Die politische Mitte war/ist ein Nachkriegs-Konstrukt, um sich nicht in eine politische Ecke drängen zu lassen. Politische Mitte ist weder Fisch noch Fleisch (Sag mir wo du stehst und ich weiss nicht wo du bist). Da das Feld der politischen Mittenie wirklich existent war, mussten die Masken von Links und Rechts mit der Zeit immer weiter fallen und jeder driftet in die entsprechende politische Richtung ab. Die FDP wurde nie ernst genommen und als Wirtschafts- und Kapitalismuspartei verschrien. Seit sie auch noch grün-linke Politik wohlwollend begleitete bis zum viel zu späten Harakiri, ist liberale Politik nur noch eine historische, deutsche Reminiszenz.

    • pantau
      26.08.2025

      Theoretisch mag es „Rechte“ geben, aber sie sind gerade heute im Wesentlichen Konservative, die von links als Rechte diffamiert werden. Wer darauf hereinfällt und den einseitigen Zuschreibungsaspekt außer Acht lässt, konstruiert einen Widerstreit zwischen Linken und Rechten. Will man die engen soziologisch-politischen Kategorien hinter sich lassen, ist es der Kampf zwischen den Klerikalen und den Empirikern. Die Linken haben die Klerikalen beerbt, das konservative Bürgertum mit seinem Pragmatismus die Empiriker der Aufklärung. Hadmut Danisch kategorisiert die Linken korrekt unter Geisteswissenschaftler.

  • Joseph Salomonson
    17.08.2025

    Ein weiterer Wendtscher Geniestreich. Ich habe aber den ganzen Artikel lang auf C. Schmitt gewartet, und die aus der Nachkriegszeit überlieferte Interviewfrage „Schämen Sie sich eigentlich für das, was Sie geschrieben haben?“. So oder so ähnlich könnte es einmal die ARD treffen:

    ..Das einzige öffentlich überlieferte Bekenntnis seiner Scham stammt aus den Verhörprotokollen von Kempner, die später veröffentlicht wurden. Kempner: „Schämen Sie sich, daß Sie damals [1933/34] derartige Dinge [wie „Der Führer schützt das Recht“] geschrieben haben?“ Schmitt: „Heute selbstverständlich. Ich finde es nicht richtig, in dieser Blamage, die wir da erlitten haben, noch herumzuwühlen.“…

    Dem Wokismus sage ich: „Was soll nicht alles Meine Sache sein!“

  • S. Südkamp
    18.08.2025

    „Der Wokismus versprach denen, die mitmachten, in seiner Siegesphase Posten, Macht, Bedeutung, also Beute. Aber selbst in seinen besten Zeiten niemals auch nur die kleinste intellektuelle Aura. Und die Beute reichte von jeher nur für sehr wenige.“
    Und in Zukunft reicht diese für nahezu überhaupt niemanden mehr – das ist dann sozusagen das „Glück im Unglück“ der in Buntschland stetig voranschreitenden Deindustrialisierung bzw. der immer groteskeren Schuldenansammlung #Billionenkanzler (ich bin Boomer, ich darf Hashtags setzen^^). Soweit ich informiert bin, fließen die für letztere aufzubringenden Zinsen das erste Mal 2030 in den Bundeshaushalt mit ein, rund 50 Milliarden €/Jahr werden hier anfallen. Interessanterweise in etwa derselbe Zeitraum, in dem die schrittweise Verrentung der Babyboomer beginnt; 20 Millionen Arbeitnehmer*hicks*innen bis 2036.
    So denn also so gut wie gar keiner mehr da sein wird, der solche Späße allenthalben mit seinen Abgaben hauptsächlich finanziert, landen diese als erstes im Papierkorb der Geschichte.
    Leider Gottes auch vieles, vieles mehr …

  • pantau
    26.08.2025

    Meine Güte Herr Wendt haben Sie diese Tiefenverlogenheit der linken Kreise entlarvt und elegant ausdokumentiert. Der Stoff ist purer Unrat, und Sie haben Gold draus gemacht. Absolut verblüffend! Herzlichen Dank!! Würde Robert Musil heute schreiben….

  • Andreas Isenberg
    28.08.2025

    Herr Wendt, auch dieser Artikel ist wieder einmal wunderbar in seinen Gedanken und seinem Stil, herrlich, herrlich, herrlich!