Warum verstehen so viele heute weder Ironie noch Sarkasmus? Dafür gibt es Gründe. Ohne diese Stilmittel kann niemand eine Gesellschaftskritik üben, die den Namen verdient
Der Autor dieser Zeilen ahnte schon, dass ihn irgendwann das Schicksal von Kollegen treffen würde, zwar nicht auf Publico, aber draußen in der Welt, in diesem Fall auf X: Eine kaum misszuverstehende sarkastische Bemerkung zum ZDF, Dunja Hayali und deren Berichterstattung über Charlie Kirk verstanden viele dann doch als ganz direkte, genau so gemeinte Aussage. Sogar sehr viele.
Der Tweet fand ein großes Publikum, wie es ja meist geschieht, wenn zwei Seiten aneinander vorbeireden. Innerhalb weniger Stunden beschimpften mich etwa hundert Nutzer in der festen Überzeugung, ich meinte wirklich, Kirk hätte zur Steinigung von Schwulen aufgerufen, und ich würde das ZDF für seine herausragende Leistung loben. Ein Teil von ihnen schrieb, Kirk habe das nicht getan (möglicherweise hatten sie genau das bei mir gelesen und die Quelle wieder vergessen), andere benutzten zusammenhanglose Schmähworte, sie reagierten also eher wie Dunja Hayali. Eine dritte Gruppe schrieb den X-Klassiker: „Satire bitte kennzeichnen.“ Üblicherweise schreiben das Leute unter Beiträge, die sie gerade nicht für Satire halten. Bei dem von mir benutzten Stilmittel handelte es sich genau genommen um Sarkasmus, laut Duden „beißender, verletzender Spott, Hohn, der jemanden, etwas lächerlich machen will“.Das Merriam-Webster definiert ihn als „a mode of satirical wit depending for its effect on bitter, caustic and often ironic language that is usually directed against an individual.“ Bei dem Individuum, gegen das sich der Ätzvorgang in meinem Post richtete, handelt es sich um Norbert Himmler, Intendant des ZDF und neben Katrin Göring mit Zweitnamen Eckardt der engagierteste Verteidiger des öffentlich-rechtlichen Demokratierundfunks. Der, also Himmler, meinte nämlich: „Wir müssen sagen können, was ist“, nachdem Elmar Theveßen, also der Marcel Fratzscher unter den Amerikaexperten, bei „Lanz“ die Lüge verbreitet hatte, der Publizist und Debattierer Charlie Kirk hätte zur Steinigung von Schwulen aufgerufen. Auf Nachfrage von Lanz wiederholte und bekräftigte er bekanntlich seine Desinformation.
Wenn ein Intendant sich dafür nicht nur nicht entschuldigt, sondern sich auf den alten Satz von Rudolf Augstein beruft und bei Kritik tönt, jetzt sei die Pressefreiheit in Gefahr, dann kommt man dem nicht mehr mit der Bemerkung bei, hier irre sich der Mann aber ganz gewaltig. Sondern nur noch mit dem Mittel der uneigentlichen Rede, die Satire, Ironie, Sarkasmus und Parodie umfasst.
Autoren, die derlei anwenden, verstehen nach und nach und unter Schmerzen, dass nur noch wenige diese Stilformen erkennen, wobei ja niemand mehr eine Fähigkeit zur Unterscheidung der einzelnen Genres erwartet. Die meisten scheitern schon daran, das Uneigentliche an sich zu erkennen. Satire, Ironie, Sarkasmus und Parodie sterben offenbar auf ähnliche Weise aus wie der Genitiv.
Ohne diese vier Kunstgriffe lässt sich nur leider kaum ein etwas komplexerer Text zur Gegenwart verfassen. Wer sie nicht erkennt, dem bleiben viele Schöpfungen Egon Friedells und nahezu das gesamte Werk von Friedrich Torberg, Karl Kraus und Johann Nepomuk Nestroy versperrt, um einmal nur die österreichische Abteilung aufzuzählen. Immerhin, bei Juvenal stand vorn praktischerweise gleich „Satiren“ drauf. Aber auch ohne diesen Hinweis verstanden viele Leser in früheren Jahrhunderten die uneigentliche Rede vermutlich besser als ein großer Teil der Gegenwartsmenschen. Sicherlich, das Lesen als Kulturtechnik beherrschte damals nur eine Minderheit. Aber als 1729 Jonathan Swifts „Modest Proposal“ erschien, kamen wahrscheinlich nur die allerwenigsten seiner Leser auf die Idee, der Autor würde tatsächlich zum Verspeisen von Kindern raten, um die irische Hungersnot einzudämmen.
Anwesende, also Leser von Publico, sind selbstverständlich vom Verdacht der zunehmenden Satire- und Sarkasmusblindheit ausgenommen. Beides greift vor allem auf den digitalen Plattformen und Medien von Spiegel bis ARD um sich, die wiederum dem Leitmediendreigestirn X, Bluesky und Instagram folgen. Wer dort seinen Fuß hinsetzt wie der Autor oder sein Leidensgenosse Michael Klonovsky, der fühlt sich schnell wie eine Spottdrossel am Nordpol. Über eine Meldung, der Klimawandel lasse neuerdings Alpengipfel wanken, machte Klonovsky sich auf X wie folgt lustig: „Millionen Jahre standen die Alpen stramm und bolzenfest. Kein Stein wankte je im Gestemm, kein Bröckeln, nirgends. Seit der Mensch das Klima wandelt, sind selbst die Berge nicht mehr sicher.“
In seinen „Acta diurna“ notierte er dann, was seine leichtsinnigen Worte auslösten. Keinen Bergsturz, aber: „Ich breche hier ab – es sind, Stand 17.24 Uhr, über tausend Kommentare. Immerhin nahm nur etwa jeder zweite meine Bemerkung für bare Münze. Mag sein, dass die braven Leute so sehr von der Klimakatastrophenpropaganda weichgeklopft und angesäuert sind, dass sie sofort Rot sehen. Ich fühle mich allerdings dafür nicht zuständig.“
Es verhält sich also sehr ähnlich wie in dem oben geschilderten Fall: Immerhin wussten die Tadler, dass es keinen Aufruf von Charlie Kirk zur Steinigung von Schwulen oder überhaupt jemandem gab, und sie hielten das ZDF auch nicht für einen Hochqualitätssender, so wie die Hälfte der Klonovsky-Leser augenscheinlich auch wusste, dass schon in der kleinen Eiszeit und vorher Felsen im Gebirge eben nicht bolzenfest standen. Die anderen dachten auch so, zeigten aber mit ihren amüsierten Kommentaren etwas mehr Textverständnis. Eine Leserin erkannte sogar das Zitat aus „Rheingold“. Für Scherz, Ironie, Satire und tiefere Bedeutung gilt das Gleiche, was ein amerikanischer Richter einmal über Pornografie sagte: „Ich kann sie nicht definieren, aber ich erkenne sie, wenn ich sie sehe.“ Wenn heute schätzungsweise jeder Zweite im Massenpublikum die Ironie selbst dann nicht mehr erkennt, wenn sie ihm ganz unsubtil auf den Füßen steht, dann sollte man sich nicht darüber lustig machen (und hier schon gar nicht, auf Publico wird nicht gelacht), sondern nach den Gründen fragen.
Stilmittel muss jeder wie die Sprache selbst einüben. Kinder verstehen weder Ironie noch Sarkasmus. Es gibt nur in der Gegenwart kaum noch Institutionen, die das uneigentliche Sprechen noch praktizieren und damit auch vermitteln. Als Faustregel gilt: Jeder, der behauptet, in den guten und hilfreichen Medienunternehmen lustig zu sein, beschäftigt sich mit allem Möglichen – nur nicht mit Ironie und Satire. Denn dann und nur dann hagelt es Preise galore.
Der Textverfasser kennt die Sendung „Böhmermann“, oder wie immer sie heißt, nicht vom Fernseher, sondern nur sehr ausschnittweise durch Videos auf X, die selten die Dauer von sechzig Sekunden überschreiten. Man lebt schließlich nur einmal. In einem seiner Beiträge nahm Böhmermann sich den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt* vor, also einen Gewerkschafter ohne Anbindung an SPD oder Grüne. Schon diese Kombination – also Beschäftigtenvertreter, aber nicht auf Linie – führt dazu, dass die ZDF-Medienschaffenden und ihre Subvarianten regelmäßig knietief in geplatzten Krägen stehen, sobald Rainer Wendt irgendetwas sagt. Was genau, darauf kommt es nicht an. Jedenfalls wollte Böhmermann in seiner damaligen Sendung mitteilen, er halte den Gewerkschaftschef für einen rechten Populisten und nicht für einen echten Polizisten. Zu diesem Zweck setzte sich Böhmermann eine Polizeimütze auf, die Kapelle hinter ihm intonierte ein paar Humptata-Takte, und der Schaumaster sang das folgende Couplet:
„Rainer Wendt, du bist ein rechter Populist
Und du denkst, du wärst ein echter Polizist
Rainer Wendt, du forderst Ordnung und Gesetz
Aber scheißt drauf, wenn’s dir selber etwas nützt.“
Diese Fallhöhe, diesen hintergründigen Witz, diesen Feinsinn – das macht ihm weiß Gott niemand nach. Zumindest nicht außerhalb Deutschlands. Ferner bezeichnete die Spitzenkraft in einer seiner Sendungen Feministinnen, die darauf bestehen, dass Männer sich nicht per Sprechakt in Frauen verwandeln und umgekehrt, als Turds, also Scheißhaufen. Ein anderer Böhmermann-Onliner lautete: „Irgendjemand soll verdammt noch mal endlich Dieter Nuhr die Fresse polieren.“ Gibt es von ihm auch Ausführungen, in denen er noch subtiler an den Wunden der Gesellschaft herumfingert? Aber ja doch. In der Zeit forderte er, die von ihm so bezeichneten Menschen von gestern gesellschaftlich zu isolieren:
„Alle gegen Menschen von gestern! Mit ihrer Ausgrenzung ließe sich endlich jene langersehnte breite Koalition schmieden, die Deutschland braucht, um wirklich raus aus der Scheiße zu kommen. Durch ihre erfolgreiche Bekämpfung können wir zusammen neuen Raum schaffen, um den Herausforderungen der Gegenwart wirksam zu begegnen. Schütten wir die unzähligen alten Gräben zu und heben gemeinsam einen einzigen, neuen aus: wir hier und da drüben die Menschen von gestern!“
Wer aber zählt nach Böhmermann zu den Gesternmenschen? Dazu listete er in der Zeit modellhafte Sätze auf; wer ihnen nicht zustimmt, landet auf der Liste derjenigen, die niedergekämpft werden müssen, um neuen Raum zu schaffen: „Google vergesellschaften, Meta regulieren, X zur Verantwortung ziehen, es gibt mehr als zwei Geschlechter“ und noch ein paar andere Festlegungen.
Dafür und für vergleichbare Schöpfungen bekam Böhmermann bisher sechs Grimme-Preise unter anderem in der Kategorie „Beste Comedy“, mehrfach den Deutschen Fernsehpreis, den Preis für Popkultur und den Sondermann-Preis für Komische Kunst. Denn, so die Grimme-Preis-Jury: „Satire muss gut geschrieben und gut recherchiert sein“. Zu Details fragen Sie bitte Arne Schönbohm. Das Konfettisturmgeschütz Spiegel lobt an Böhmermann „juvenilen Elan, popkulturelle Referenzgewitter und investigativen Furor“.
Überhaupt ist er der Heinrich Heine, der Alfred Kerr, der Kurt Tucholsky unserer Zeit, wobei die Wendung unsere Zeit das Problem hinreichend verdeutlicht. Auf dieser Metaebene konnte man das Ganze nach dem Grimmepreis Nummer eins noch begrenzt komisch finden. Aber selbst dieser Effekt verbraucht sich spätestens nach Nummer drei. Schräg hinter dem Fixstern der Grimmepreisverleiher erhebt sich schon zur Wahrung der Geschlechterparität die zweite deutsche Humorgröße Sarah Bosetti, die 2021 Kritiker der staatlichen Coronamaßnahmen im ZDF als „Blinddarm der Gesellschaft“, weil „nicht essenziell für das Überleben des Gesamtkomplexes“ bezeichnete. Bosetti räumte bisher den Dieter-Hildebrandt-Preis („ihre hochpolitischen Geschichten erzählt sie mit leiser, freundlicher, unaufdringlicher, aber eindringlicher Stimme“), ebenfalls den Grimme- und den Deutschen Fernsehpreis, den Deutschen Kleinkunstpreis und den Ringelnatz-Preis ab. Außer dem Literaturnobelpreis und dem Ingeborg-Drewitz-Preis für Strafgefangene war also wirklich fast alles dabei.
Was macht das alte Frankfurter Sonderschulhaus Titanic? In der aktuellen Ausgabe jedenfalls den Spitzenwitz: „Extrempolitiker Merz. Tödlicher Absturz bei Sonntagsfrage“. Dazu bekommt Merz auf dem Cover, hihi, einen Helm aufs Haupt. Wer nicht ganz das Talent aufbringt, um hier mitzutun, für den steht die ZDF heute-show von Oliver Welke bereit.
Ironie, Sarkasmus, Parodie – nichts davon lernt jemand, der öffentlich-rechtlichen Sendern und anderen Qualitätsmedien folgt. Der Witz, das wusste schon der Königsberger Humortheoretiker Immanuel Kant, entsteht „aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts“ (Kritik der Urteilskraft, Kapitel 64). Wenn ein Böhmermann und eine Bosetti die Bühne betreten, erwartet schon wirklich niemand irgendetwas in dieser Richtung, sofern er seine Groschen noch beisammen hat. Der Rest glaubt, bei Satire und Ironie ginge es darum, ideologische Feinde zu markieren, indem man sie nicht uneigentlich, sondern ganz ohne Umweg mit selbsterzeugtem Schleim bespritzt.
Was passieren kann, wenn schon das Erwartungsmanagement nicht klappt, erlebte kürzlich die Süddeutsche. Dort erschien im Zuge des vorläufig finalen Abschieds des Robert Habeck aus der Politik am 26. August ein Text mit der Überschrift „Der letzte deutsche Denker nimmt Abschied“. Das meinte der Autor nicht ernst, wenn auch wiederum nicht so unernst, dass es für einen Polizeibesuch am Morgen gereicht hätte. Da nur die Überschrift im Netz und der Rest hinter der Bezahlschranke stand, regten sich viele bei X und anderswo auf, die dem Weltblatt aus München alles Mögliche zutrauen, aber kein Pasquill auf den Weltgeist im graumelierten Pullover. Viele Abonnenten wiederum fanden den Text, den sie dort in voller Länge lesen mussten, aber ganz und gar nicht lustig. Einige fühlten sich ähnlich traumatisiert wie die gesamte linke Twitteria des Landes, als der Spiegel den großen Nachdenklichen einmal – und wirklich nur einmal – als konfusen Heizungsmonteur aufs Titelblatt hob.
Hunderte grüne Netzfeuerwerker ordneten diesen Titel als überhaupt nicht mehr komisch ein, sondern vielmehr als Wind in den Segeln der Unguten beziehungsweise Öl für die Brandfackeln, mit denen es morgen wieder durchs Brandenburger Tor geht. Karikaturen wie die, die Trump auf der Spiegel-Vorderseite als weltvernichtenden Meteor zeigte, nimmt dieses Milieu schließlich auch nicht als Metapher wahr, sondern als reine Wirklichkeitsbeschreibung. Im Fall von Trump findet man daran nichts auszusetzen. Aber dass so etwas mit einem Habeck nicht geht, versteht sich für Leute, die Böhmermann für den Wiedergänger von Heinrich Heine halten, wirklich von selbst.
Überhaupt: Fällt Ihnen auf, dass in deutschen Medien kaum noch Karikaturen erscheinen? Davon gab es früher schlechte, mittelmäßige und manchmal gute, aber immerhin führten sie ganze Zeitungslesergenerationen zu einem Grundverständnis von Satire. Heute bespielen Greser & Lenz noch eine letzte Nische. Da aber Regierungskritik und Spott über den linken Teil der Opposition schon einmal als Gegenstand wegfallen und außer Dieseldieter und Zonenronny keine Klischeefiguren mehr verspottet werden dürfen, sehen Zeichnungen dann eben aus wie die von Luis Murschetz in der Süddeutschen.
Neben Trump, Trump und abermals Trump gilt auch Mikroplastik als kritikfähig. Wer das zu doppelbödig findet, dem bleiben die Werke von Tommy Schwarwel, der auch für öffentlich-rechtliche Sender arbeitet. Dort erklärt der Dutzendsassa beispielsweise, dass Wirtschaftsministerin Reiche die Besteuerung von Reichen deshalb ablehnt, weil sie, hahahi, Reiche heißt.
Sie verstehen? Falls nicht, steht über dem Sprechblasenbild noch eine Erklärung. Genau das hält eine kritische Menge im Land heute für Humor. Ironie auf X und anderen Plattformen funktioniert jedenfalls dann nicht, wenn sie erstens ohne Kennzeichnung und zweitens ohne Gebrauchsanweisung daherkommt.
Fast genauso tot: die Parodie. Der oben erwähnte Egon Friedell schrieb sich zu seinem 50. Geburtstag mehrere porträtierende Glückwünsche im Stil der „Neuen Freien Presse“, anderer Wiener Zeitungen und sogar der „Fackel“, das heißt, er schaffte es, den Tonfall von Karl Kraus zu treffen, den bis dahin nur der Meister selbst traf.
In ihren intakten Zeiten nahm die Titanic einen ganz ähnlichen Weg auf dem Hochseil: Sie erfand eine Meldung („Wissenschaftlich bewiesen: Frauen können keine Quadrate zeichnen“) und parodierte die fiktiven Reaktionen der gesamten deutschen Medien durch, von FAZ über Frankfurter Rundschau bis zur Bäckerblume.
Das funktionierte damals, weil jedes Medium, ob klug oder weniger klug, über einen eigenen Ton verfügte. Aus genau diesem Grund versucht sich heute keiner mehr an dieser Übung. In den Blättern herrscht ein Einheitston, den nur ganz wenige nicht mitsummen. Und diejenigen gehören samt und sonders zum Ü-50-, meist sogar zum Ü-60-Club. Erinnert sich jemand an Thomas Freitag, mittlerweile auch schon 75? Er parodierte seinerzeit Helmut Kohl, Willy Brandt und Franz Josef Strauß. Keine überragende Humorarbeit, aber solide. Angela Merkel inhaltlich zu parodieren, das schafft nur der Beste seines Fachs, nämlich Bernd Zeller. Aber Friedrich Merz? Katharina Dröge? Daran zerbricht der stärkste Geist. Wo Distinktion verschwindet, ob nun auf der Ebene von Weltanschauung, Texten oder Personen, da gleiten die meisten Satire- und Sarkasmusversuche schon mangels Struktur ab. Nur die Härtesten schaffen es, sich an einer fugenlosen Betonwand entlang- und hochzuhangeln. Die wenigen, die es können, finden in den alten Medien kein Biotop mehr.
Früher gab es wenigstens im Kulturjournalismus Spott, Boshaftigkeit und subkutane Botschaften. Heute heißt die „Journalistin des Jahres in der Kategorie Kultur“ Jagoda Marinić, Kolumnistin beim Stern und Verfasserin des Buchs „Sanfte Radikalität“. Beides klingt schon schlimm genug. Aber weder das eine noch das andere bereitet ein ahnungsloses Publikum, das noch nichts von ihr kennt, auf ihre Tweets vor, also auf ihre authentischen, von Korrektoren und Lektoren noch unoperierten Wortmeldungen. Die sehen nämlich so aus:

Kurzum: Die Frau kann ohne fremde Hilfe keine drei geraden Sätze schreiben. Ihre Texte im Stern klingen zwar immer noch wie Aufsätze der ödesten Klassenstreberin aus der Britta-Haßelmann-Gesamtschule von Sossenheim. Aber immerhin stehen Buchstaben, Kommata und Punkte an der richtigen Stelle. Dass sie über den Titel der Kulturjournalistin des Jahres verfügt, macht sie zum einen zur Zeitfigur. Zum anderen erinnert es an den alten Radio-Jerewan-Witz: „Anfrage an Radio Jerewan: Kann ein Analphabet Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften werden? Antwort: Im Prinzip ja. Aber kein korrespondierendes.“ Jeder kann ihren tatsächlichen Status erkennen, wenn er will, so, wie ja auch jeder liest beziehungsweise hört, wie Annalena Baerbock von Dreihundertsechziggradwende, dem Grundlasthuhn und dem bacon of hope spricht.
Marinić durfte in diesem Jahr eine Rede zur Eröffnung des Brucknerfestes halten, bei der sie – dafür muss man sie wirklich loben – nicht ein einziges Wort über Bruckners Musik verlor. Der Komponist selbst kam nur in dem Format ‚Bruckner und ich‘ vor: „Es ist diese Haltung in Bruckners Werk, diese Flucht zum kraftvollen Schaffen, durch die ich mich ihm verbunden fühle.“
In einer Gegenwart, in der Böhmermann und Bosetti als hochfeine Geister gelten und Lagerräume für ihr Lametta brauchen, und in der eine Bundeskulturkammerjournalistin zum kraftvollen Schaffen flieht, wirkt es ein bisschen frivol, ernsthaft nach dem Schicksal von Ironie und Sarkasmus zu fragen. Sogar ein bisschen snobistisch. So, als würde man von den Musikern in der Berliner U-Bahn erwarten, dass sie Rachmaninoff spielen. Wobei: nichts Schlechtes über diese mobilen Musikanten. Wer immer sie bezahlt, tut es freiwillig. Und nach spätestens drei Stationen steigen sie wieder aus. Vor allem kein böses Wort über Menschen, die selbst die offensichtlichste Ironie und den Sarkasmus in einfachster Ausführung für bare Münze nehmen. Es handelt sich – bitte nicht als Ironie verstehen – um astreine Opfer der Gesellschaft.
Aber diese Gesellschaft, siehe oben, lässt sich nur mit doppeltem Boden, Fallhöhe und Distanz überhaupt angemessen darstellen. Wenn nur noch wenige diese Techniken verstehen und noch weniger sie beherrschen, dann erleichtert das bestimmten Leuten das Geschäft enorm. Denn Satire richtet sich machttechnisch immer von unten nach oben. Die uneigentliche Rede überwindet das Gefälle. Herrschaftskritik und Spott gehören zusammen. Stirbt das eine, dann verödet auch das andere.
In „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury rettet der Feuerwehrmann Guy Montag Bücher, die in dieser Dystopie generell in den Flammen enden, weil die Regierung zu dem Schluss kommt, dass jeder Text – egal welchen Inhalts –irgendein Mitglied der Gesellschaft beleidigen könnte. So weit ist es noch nicht. Aber kaum jemand hätte vor drei Jahrzehnten geglaubt, dass es erst einmal nicht um Bücher, sondern um Stilmittel geht, die ältere und leidenschaftliche Bürger mittlerweile fast unter klandestinen Umständen an jüngere weitergeben müssen, damit auch in weiteren dreißig Jahren noch jemand Satire versteht.
Ja, wozu überhaupt? Ironie, Sarkasmus und Parodie gehören zu den spezifisch westlichen Ausdrucksformen. Möglicherweise beruhte die lange Überlegenheit des Westens zuallererst auf der Fähigkeit, in mehreren Ebenen gleichzeitig zu denken. Und die herausragende Stellung des Westens verschwindet auch in dem Maß, wie diese Technik verfällt. Wer sie beherrscht, gehört zu einem schrumpfenden Club. Der Wert der Mitgliedschaft bemisst sich (wie bei allen Clubs) daran, wer draußen bleibt. Zum einen gibt es zwei große Gruppen mit wachsendem Einfluss, denen Ironie und überhaupt das Uneigentliche dauerhaft fremd bleiben: Wokelinke und Muslime. Falls es dort Ausnahmen gibt, machen sie sich über kurz oder lang in ihren Kollektiven höchst unbeliebt. Zweitens scheitert die Künstliche Intelligenz bisher an genau dieser Mauer. Wer Chat GPT oder Grok die Aufgabe gib, den typischen Tonfall ihrer Antworten zu parodieren, erhält zwar mittlerweile keine ganz schlechte Antwort. Aber ein talentierter Mensch liegt hier immer noch weit vorn.
Treffen wir einander also zur Rettung des uneigentlichen Denkens in Katakomben. Natürlich nur metaphorisch, ironisch gebrochen und ganz direkt.
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Karsten Dörre
26.09.2025Herr Wendt, ein Versuch, das zu erklären. Es sind Personen, die nur Reizwörter lesen und dann die Meinung, die Person verteidigen, die sie unbedingt verteidigen glauben zu müssen. Dass heisst, diese Personen können nicht mal zwei kurze Sätze im Zusammenhang verstehen. Wenn z.B. in den zwei Sätzen „Sandmännchen“, „Trans“ und „Tod“ verteilt stehen, dann lesen diese, Sandmännchen ist für vorzeitigen Transtod. Diejenigen, die Satire gekennzeichnet haben möchten, sind entweder Spätzünder oder ehrenamtliche Bürgerbetreuer, die sich für andere Leser ungefragt einsetzen. Alles hat einen Ursprung: die staatlich verordnete, rudimentäre Bildung. Kann aber auch damit zusammenhängen, dass das Internet den Untergang des westlichen Systems beschleunigt (KI ist ein Beschleuniger der einseitig komprimierten Information). China muss sich wegen des Internets nicht fürchten, zusammenzubrechen. Im Gegenteil, mit dem Internet boomt der Export (Temu, Alibaba usw.) und dortige Informations-KI ist sowieso Diktaturmeinung.
lhac05
26.09.2025Wenn Elmar Theveßen der Marcel Fratzscher unter den Amerikaexperten ist, dann wird der Platz für Annika Brockschmidt ganz eng…
Klaus Dittrich
26.09.2025Da es vermutlich niemand außer mir unternimmt, so muss ich die Laudatio von Alexander Wendt über den allseits beliebten Herrn Böhmermann um einen wesentlichen (Höhe)Punkt ergänzen: Herr Böhmermann ist Träger des Karl-Eduard von Schnitzler – Preises! Den hat er sich redlich (im wahrsten Sinne des Wortes) verdient.
Dem Text entnehme ich, dass es Beschimpfungen und Schmähungen von allen Seiten gibt; vergesst also „links“ und „rechts“. Aber unsere kulturell-medialen Würdenträger haben dies längst erkannt – selbst in früheren Kulturtempeln wie Museen oder Theater wird schon in leichter Sprache propagiert. Leichte Sprache gehört auch in die sozialen Medien! Zumal Sprache gar nicht mehr vermitteln soll; vielmehr spiegeln – das intellektuelle Niveau. Auch wenn das Spiegelbild im Erdreich zu suchen ist.
Horst Dettweiler
26.09.2025Ist alles ebenso richtig wie traurig. Etwas weniger akademisch formuliert könnte man sagen, daß Ironie, Satire und Sarkasmus als Stilmittel nur für Leut/:/_/:Innen geeignet sind, die noch über sich selbst lachen können.
Susanne Wienke
26.09.2025Ironie und Sarkasmus sind in Deutschland seit eh und je Fremdkörper und wurden entsprechend bekämpft.
Man denke nur an Heine, Tucholsky, Friedell u.v.a.m.
Hinzu kommt heute noch die erschreckende Senkung des Bildungs- und Ausbildungsniveaus.
Viele, allzu viele, sind heute intellektuell kaum in der Lage, subkutane Äußerungen nachzuvollziehen und entsprechend einzuordnen.
,
Klaus Delung
26.09.2025Die Görings, Himmlers & Co. sind heutzutage (mal wieder) ständig darauf bedacht, „Haltung zu zeigen“ und „Zeichen zu setzen“. (Die dümmliche Wendung „klare Kante“ passt hervorragend zu diesem denkbefreiten Lemmingverhalten.) In diesem Milieu ist kein Platz für Doppelbödigkeit. Daher muss Ironie nun mit Zwinkersmileys markiert werden – was sie zu einer eindimensionalen Pseudo-Ironie degradiert.
Dr. Otto Thoenißen
26.09.2025Paracetamol führt eben doch zu einer Zunahme von Autismus. Die Zunahme der Ironieblindheit spricht Bände.
Philipp
26.09.2025Gerade der oft gescholtene ÖRR beherrscht den beißenden Spott perfekt. So schrieb der BR heute über die Verurteilung eines Mitglieds der Hammerbande:
Fünf Jahre Haft für mutmaßliche Linksextremistin
Werner Bläser
26.09.2025Lieber Herr Wendt, Sie sind zu höflich. Deshalb verpassen Sie meiner Ansicht nach den eigentlichen Punkt. Nach über 50 Jahren Disput und Kampf bin ich der Höflichkeit in politischen Fragen überdrüssig. Weil der Leisere, Höfliche, meiner Erfahrung nach immer verliert.
Und weil es unangemessen ist. Ich halte es mit der amerikanischen Redensart „ to call a spade a spade“, zu deutsch etwa: die Dinge beim Namen nennen.
Nach wirklich zahllosen Diskussionen mit Idioten – ich verfluche die Zeitverschwendung, denn man kann ÜBER alles reden, aber nicht MIT Idioten – weiss ich einfach, solche Dinge wie das Entschwinden des Verständnisses für Ironie sind keine Einzelphänomene; sie sind Teil einer allgemeinen Entwicklung hin zur Ent-Bildung und zur blanken Verblödung.
Und nein, die entstand nicht erst mit Merkels Grenzöffnung und der Überschwemmung der Schulen mit Kindern, die des Deutschen nicht mächtig sind.
Diese Entwicklung ist viel älter und datiert in ihren Anfängen in die letzten Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts, als die „Bildungs- und Schulreformen“ linker Ideologen zu greifen begannen. Unsere Studienanfänger wurden von Semester zu Semester erkennbar schlechter. Und arbeitsunwilliger. Motto: der Leistungsdruck liegt mindestens an der Grenze zum Faschistoiden, soziale Fähigkeiten sind ebenso wichtig wie Fachkenntnisse.
Am Endpunkt dieser Entwicklung haben wir die negative Auslese: „Trottel an die Macht!“
Das frisst sich weit in die Gesellschaft hinein. Welcher Trottel würde denn Satire verstehen.
Ulrich Zumbrock
28.09.2025Werter Herr Bläser,
Ich arbeite eine Ebene niedriger mit jungen Leute zusammen.
Ich kann ihre Beobachtungen im ganzen Umfang bestätigen.
Für dieses Land und diese Gesellschaft sehe ich nur noch den Absturz!
Dagmar
26.09.2025Lustig, dass uns „Himmler“ und „Göring“ sagen wollen, was ist. Die verstehen natürlich gar keine Ironie.
Andreas Schneider
27.09.2025Mea culpa – als ich in den sozialen Medien die SZ-Überschrift „Der letzte deutsche Denker nimmt Abschied“ las, habe ich mich zwar nicht aufgeregt (wozu?). Dennoch bin ich offenkundig Opfer meiner Vorurteile geworden, die von einer „Süddeutschen“ nur noch stramm auf Linie liegenden Texte erwarten.
Was sagt dies nun über mich aus – und über die „Süddeutsche Zeitung“?
Wilhelm Lohmar
27.09.2025In den 70er-Jahren, als es im Ruhrgebiet noch eine echte Kneipenkultur gab (nachzulesen bei Max von der Grün), wurden an der Theke nach ein paar Pilskes oft genug Sprüche rausgehauen, die heute sogleich die Staatsanwaltschaft auf den Plan riefen. Diese Sprüche blieben dann aber erst einmal in der Kneipe. Inzwischen läuft solche Kommunikation aber nahezu ausschließlich über Social Media (asoziale Medien) und über die Folgen wundere ich mich schon lange nicht mehr.
Zorn Dieter
27.09.2025Es gibt diesen treffsicheren Satz meiner Deutschlehrerin: „Nur intelligente Menschen verstehen Ironie!“ Das ist, wie das Leben tatsächlich lehrt, der kürzeste Intelligenztest der Welt. Da Intelligenz „normalverteilt“ ist (für Nicht-Mathematiker, der Gauß‘schen Normalverteilung folgt), kann das Verstehen von Ironie also nur von der Häfte der Menschen erwartet werden. Je nachdem wo man Intelligenz beginnen lässt auch noch von deutlich weniger. Damit ist auch ein Grundproblem jeder Demokratie angesprochen: Die Häfte der Bevölkerung versteht garnicht, worum es eigentlich geht. Weshalb die Schiedsrichter, wie Wolfgang Schäuble, auch gern zur „Repräsentativen Demokratie“ raten. Was aber, wenn dort auch nur fünfzig Prozent der Repräsentanten und – Innen Ironie verstehen?
Schilling Dieter
27.09.2025A propos „amerikanischer Richter über Pornographie“:Mir ist noch ein über 30 Jahre alter
Cartoon über die Erkenntnis,wonach ein Richter erkennt,was Pornographie sei,erinnerlich:“Pornographie ist,wenn sich bei mir die Robe hebt.“
Andreas Rochow
27.09.2025Triggerwarnung: Dieser Kommentar soll frei von Sarkasmus, Ironie, Satire und Parodie sein! Zu Recht wird in diesem Text daran erinnert, dass man Kindern nicht mit Ironie und Sarkamus kommen darf: Sie müssen es missverstehen und können nicht darüber lachen, Lerneffekte gehen nach hinten los. Schlichte Gemüter werden durch uneigentliches Sprechen hoffnungslose überfordert!
Pberhaupt drängt sich die Vermutung auf, Linksgrüne befänden sich im „letzten Gefecht“. Ihr marxistischer Kulturkampf -seit 1 1/2 Jahrhunderten erfolglos – wird endlich vom Kartell der Altparteien und von der Regierung unterstützt, und zwar fast genau seit 10 Jahren. Sogar der Oräsident des Verfassungsschutzes bekundete seine Sympathie für alle NGOs gegen Rächtz. Klar, dass beim letzten Gefecht der Humor auf der Strecke bleiben muss. Die Gutachter vom Verfassungsschutz wollen schließlich nicht genarrt werden! Deshalb gilt unmissverständlich: Was Satire ist oder nicht, bestimmt der Verfassungsschutz! Im Zweifelsfall versteht er keinen Spaß und lässt sich das sogar vom letzten Gericht bestätigen! Eine Parteichefin „Nazischlampe“ zu titulieren, geht also in Ordnung und ist wie „Ziegenficker“ von der (satirischen) Kunstfreiheit gedeckt. Beides kam ja auch vom Himmler-Staatsfunk und ist deswegen unverdächtig. Der Titel „Schwachkopf“ für den besten Wirtschaftsminister aller Zeiten ist hingegen klar strafbar und zueht Hausdurchsuchung und Bestrafung nach sich. Das Einschüchterungspotential kann gar nucht hoch genug eingeschätzt werden: Sicherheitshalber erweitere man die Aussage vom Anfang des Textes: Auch Linken im Endkampf darf man nicht mit Satire kommen. Die Uneigentliche Sprache verstehen sie als eine gegen sie gerichtete Waffe und den, der sich ihrer bedient, ist ihr Feind!
Rudi
28.09.2025Die Ironie hat aber auch vor einigen Jahrzehnten Eingang in die Popkultur gehabt. Ich nenne nur „Schikeria“ von der „Spyder Murphy Gang“ und „Bruttosozialprodukt“ von „Geier Sturzflug“. Manchmal vor allem Bruttosozialprodukt wurde nicht ironisch sondern ernst verstanden.
pantau
28.09.2025Jede der Spielarten des Humors setzt etwas spezifisch Luxuriöses voraus, nämlich sich Deutungsspielräume zu gestatten. Kurznachrichtenmedien, Lagerdenken, Faktencheckerprätention und vor allem das vollständige Fehlen des Konzepts der Empirie, wie es bei Gäubigen der Fall ist, sind da kontraproduktive Faktoren.
Das Schlüssigste und Grundlegendste über Humor fand ich bei Schopenhauer (in: „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“, Kapitel 5, über die zweite Klasse der Objekte für das Subjekt), dass er eine Funktion des intakten begrifflichen Denkens, also notwendig an Sprache gebunden ist. Verfällt Sprache, verfällt notwendig der Humor.
André Siepmann
29.09.2025Aktueller Höhepunkt ungewollter Satire:
„Queers for Palestine“…
Deutschtümler
29.09.2025In welcher Form die oben erwähnte Unfähigkeit von Muslimen zur Erkennung von Ironie ihren Ausdruck findet, hat sicher jeder schon einmal vernommen: „Wills Du misch verahschen oda wass?“
Steffen Lindner
29.09.2025Die mit Preisen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhäuften Staatskünstler
unterscheiden sich hinsichtlich der wichtigsten Eigenschaft von früheren Klassikern des Humors und der Comedy von Chaplin bis Loriot: Diese wollten nämlich tatsächlich komisch sein, damit das Publikum über s i e lacht und sich auch ein bisschen wiedererkennt. Die erbärmlichen heutigen Langweiler und „Haltungszeiger“ dagegen wollen m i t dem Publikum über Andere-i.d.R. die aus dem linken gesellschaftlichen Diskurs Auszugrenzenden-lachen und diese gemeinsam verachten.
Thomas Schweighäuser
30.09.2025Stimme unumwunden zu: Ironie und Satire sind in unserem Land seit den Tagen von Heine bzw. Kraus bzw. Tucholsky bzw. der frühen Titanic nicht mehr präsent. Die wenigen verbliebenen Satiriker (Zeller, Klonovsky) werden vom linksgrünwoken, politisch-korrekten Gutmenschen-Mainstream in ÖRR bzw. NGOs gecancelt. Neidisch blickt man über den großen Teich, wo selbst Kritik an einem durch Schusswaffengebrauch verstorbenen Verfechter des Schusswaffengebrauchs toleriert wird.
Albert Schultheis
30.09.2025Als ich vor ca 2 Jahren, das nette, allseits als witzige Satire anerkannte Kinderliedchen des NDR-Kinderchores von „Unsere Oma aus dem Hühnerstall … der alten Umweltsau.“ auf unsere stracke Oma Corage von der FDP auf damals noch twitter anwandte und umdichtete zu „Unsere Oma aus dem Hühnerstall ….der alten Kriegstreibersau“, da wurde ich von der FDP-NGO SoDone immerhin bei der General-Staatsanwaltschaft Frankfurt angezeigt und schließlich vom Amtsgericht Wiesbaden nach dem neuen Paragraph 188 StGb wegen Verbreitung von Hass und Hetze sowie Beleidigung einer Politikerin zu ca 4000€ Strafe verurteilt. In Gänze kostete mich meine verkannte Satire – die keine sein durfte eine Petitesse von ca 6000€.
Meine noch sehr junge, aber sehr engagierte Richterin hatte den Begriff „Satire“ offenbar noch nie in ihrem Leben gehört – gleichermaßen die bezaubernde junge Staatsanwältin. Umso mehr erklärten sie, dem neuen Paragraphen zur Majestätsbeleidigung endlich zum Durchbruch verhelfen zu wollen!
Nun kenne ich als Gymnasiallehrer die hessischen Gesamtschulen recht gut – aber wer sich dort an so diffizile Themen wie Satire, Parodie und politische Verballhornung heranwagt, der wird einfach nach wenigen Stunden verzweifelt das Handtuch werfen. Dh heißt nicht, dass es evtl nach einer gediegenen hessischen Gesamtschulbildung nicht doch noch zum Richter:innen:amt reichen würde.
Ich hatte versucht, die Uneigentlichkeit meines Liedtextes in einer längeren Ausführungen dem Gericht zu verdeutlichen, allein, mir erging es wie einem frustrierten hessischen Gesamtschullehrer im Deutschunterricht. Ich hatte sogar noch um besondere Milde bei der Urteilsfindung ersucht, weil ich doch als langjähriger, ehrenamtlicher 1. Vorsitzender der in Wiesbaden ansässigen Kleinkunst- und Kabarettbühne „thalhaus“ offenbar eine satirische deformation professionelle erlitten hätte, doch selbst das nützte mir nichts mehr. Es galt, ein Exempel gegen Hass und Hetze zu statuieren!
pantau
01.10.2025Die perfide Pointe ist, dass Sie im Grunde satirisch darauf aufmerksam gemacht haben, dass Satire ein Körnchen Wahrheit benötigt, sodass die ÖRR Satire von den Alten als Umweltsäue, die Sie quasi persifliert haben, eigentlich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Die älteren Generationen haben noch repariert bzw repariern lassen, fuhren das Auto, bis es auseinanderfiel, vererbten noch ihr Mobiliar und weckten teils ihr Obst ein.
Albert Schultheis
03.10.2025„sodass die ÖRR Satire von den Alten als Umweltsäue, die Sie quasi persifliert haben, eigentlich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.“ – Ich bitte Sie, werter pantau, jetzt führen Sie ja noch eine weitere Ebene der satirische Brechung ein! – Es dürfte Ihnen klar sein, dass Sie damit die geistige Elastizität eines Amtsgerichts in der ehrwürdigen Landeshauptstadt Wiesbaden vollends überdehnt haben!
A. Iehsenhain
30.09.2025Das „Titanic-Magazin“ ist ein wahrhaft gutes Beispiel für das hiesige Thema: Meiner Erinnerung letztes Jahr (oder eins davor) verkündete die angehende neue Chefredakteurin im ARD- oder ZDF Mittagessenbehinderungs-Magazin, dass man jetzt politisch korrekt agieren wolle. Das Ergebnis kann den seitherigen Startcartoons entnommen werden, die an 2nd Lieutenant Steven Hauk erinnern, als der Adrian Cronauer beim Radio in „Good Morning, Vietnam“ vertritt, mit dem Unterschied, dass Hauk das aktuelle „Titanic Magazin“ allein wegen seiner unbeholfen witzigen Darbierung locker in die Tasche steckt. Ausgerechnet in der Megatonnen-Humorbombe „Die Zeit“ konnte man bereits 2018 in einem Interview die weisen Worte von Terry Gilliam lesen: „Wissen Sie, ich bin die ganze Zeit beleidigt. Wegen dem, wie sich Leute verhalten, wegen dem, was sie sagen … Aber was soll ich tun? Entweder ich starte eine Organisation, um das zu bekämpfen – oder ich drehe einen Film oder schreibe etwas Witziges. Manchmal sage ich etwas, das kein anderer sagt, um die Debatte zu eröffnen. Unsere Gesellschaft ist zu sehr von Gruppendenken geprägt: Jeder will sich nur mit Leuten umgeben, die so denken wie er selbst.“ (https://www.zeit.de/kultur/film/2018-09/terry-gilliam-interview-comedian-satire-politische-korrektheit/seite-2).