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Wochenrückblick: von Argentinien ins Naziland

Was passiert, wenn einmal ein Wochenrückblick reisebedingt ausfällt? Der Autor handelt sich einen Zweiwochenrückblick ein, der seine Kräfte bindet. Hilft nichts, wir Lebenskonservativen – und das ist praktisch jeder über fünfzig – kommen ohne Retrospektive nicht aus. Obwohl es jetzt endlich, um mit Udo Lindenberg zu sprechen, gut nach vorn losgeht, der Frühling kommt nach München, junge Menschen ziehen sich und einander öffentlich die Winterkleidung aus.

Meine Wenigkeit war zwischendurch kurz im argentinischen Spätherbst, in Buenos Aires als Beobachter beim G20-Gipfel der Finanzminister und Notenbankchefs. Der Sicherheitsaufwand dort fällt deutlich geringer aus als beim Hamburger Hafengeburtstag, das nur nebenbei.

Buenos Aires ist die europäischste Großstadt Lateinamerikas, mit einer Differenz: es gibt hier ein so öffentliches jüdisches Leben wie in kaum einem Ort zumindest Westeuropas, und zwar, ähnlich wie das G20-Treffen, ohne spezielle Sicherheitsvorkehrungen. Die jüdische Gemeinde in Argentinien ist die drittgrößte auf dem Doppelkontinent (nach den USA und Kanada) und die siebtgrößte nach Israel. Ihre Ursprünge reichen bis zur Auswanderung  sephardischer Juden aus dem Spanien der Inquisition zurück. Ab 1933 ff. kamen noch etliche aus Deutschland und Resteuropa dazu. An den Innenstadthotels, beispielsweise dem Alvear Palace, fällt dem Reisenden aus Deutschland etwas auf, das heißt, es fällt auf, dass so etwas in Deutschland nicht zu sehen ist: eine israelische Flagge unter den internationalen Fahnen über dem Eingang.

Ich lasse mich gern belehren, vielleicht hängt irgendwo in Deutschland doch der Davidstern über einem Portal. In München jedenfalls wissen die Hoteliers schon selbst, dass sie eine ebenso zahlungskräftige wie leicht erregbare Gästegruppe nicht provozieren sollten, die dergleichen nicht gut fände.

Auch beziehungsweise erst recht nicht so eine Weinkarte:

Die in Deutschland beliebtesten Juden heißen bekanntlich Herr und Frau Stolperstein; sie spazieren nicht ins Hotel, brauchen keinen Wein und regen niemand auf.

(Beim Alvear handelte es sich übrigens nicht um mein Hotel, sondern um das, in dem der deutsche Vizekanzler wohnte, mein Beobachtungssubjekt. Wer einmal hier absteigt, sollte unbedingt das Dachrestaurant besuchen, ein Art-Deco-Wintergarten mit besonderer Eignung als Drehort für Retrogangster- und Spionagefilme.)

Fünfunddreißig Stunden fliegen in Buenos Aires sehr flott vorbei, und dann geht es wieder zurück ins Land der Nazis.

In der taz hatte ein Autor festgestellt: „Mit Nazis reden bringt nichts“, erlaube man ihnen, auf der Leipziger Buchmesse auszustellen, dann würde sie das auch umgehend tun mit ihren Büchern von Sieferle bis Tellkamp und Maron („gibt man den Rechtsextremen Raum, füllen sie ihn“). Deshalb müsse man die Nazis noch totaler und radikaler bekämpfen, als wir uns das überhaupt vorstellen können, ihnen „das Leben so schwer wie möglich machen“, bis sie „sich nicht mehr trauen, auch nur zum Bäcker zu gehen“. Lebenserschwernis für eine markierte Gruppe (auf dem zum Artikel gehörigen Foto der taz sind junge Messebesucher ohne Namensnennung zu sehen), dafür gab es in Deutschland einst eine ausgiebige Expertise, und es gibt sie offenbar noch immer. Bei dem taz-Redakteur handelt es sich um einen mutmaßlichen Urgroßenkel jener Leute, vor denen viele Gold- und Silbersteins vor 80 Jahren nach Buenos Aires ausgewichen waren.

Die Frage ist, wieviel Lebenserschwernis umgekehrt die Linken für sich im Kampf gegen die sich inflationär ausbreitenden Nazis in Kauf zu nehmen bereit wären.

Bis jetzt gibt es keine direkten Meldungen von Bürgerkriegsfreiwilligen. Nur eine indirekte via DGB-Jugend Schleswig-Holstein an die ganze Welt:

„’S ist a Kreiz“, wie der Herr Permaneder in Buddenbrooks sagt. Von wegen „das Leben so schwer wie möglich machen“. Schwerer als die Linken jetzt können es die Nazis in Zukunft unmöglich haben, weder beim Gang zum Bäcker noch sonstwie und sonstwo.

Was mich betrifft: ich hole meine Brötchen allweil in der Hofpfisterei und in Berlin unten in der Galerie Lafayette, was gar nicht so teuer ist. Jedenfalls dann, wenn man zu denen gehört, für die Politik gar nichts zu machen braucht.

 


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6 Kommentare
  • TS
    25. März, 2018

    Das Wohnungsproblem betrifft ja nicht nur Seeräuberbatman, sondern auch einen Großteil all dieser (von ihm für ebensolche gehaltenen) Nazis.

    Mit etwas mehr national-sozialer Politik ließe sich mit 40 Mrd. Euro pro Jahr sicherlich auch ein Wohnungsbaukonjunkturprogramm aufstellen, das in keinster Weise hinter dem wirtschaftlichen Komplex, der sich rund um das Thema Zuwanderung gebildet hat, zurückstehen würde, allerdings vornehmlich mit richtigen Jobs, für die man weniger Leute mit irgendwelchen Hochschulabschlüssen benötigt…

    (Aber auch diese könnte man mit etwas gutem Willen an den Regelschulen dieses Landes unterbringen, nicht zuletzt um die Integration noch prägsamer Schonetwaslängerhierlebender zu stärken…)

    Es müssen ja am Ende nicht gleich KdF-Wohnungen dabei herauskommen.

    Aber Seeräuberbatman und seinen Freunden schwebt womöglich mittelfristig eine ganz andere Lösung der allgemeinen Wohnungsnot vor, um nicht schon wieder den Vergleich zu jenen Zeiten zu bemühen, nennen wir diese Lösung doch heute zur Abwechslung mal alttestamentarisch: 5Mos 6,10-11.

    Aber da werden Seeräuber & Freunde sich vermutlich beeilen müssen, denn dieses Szenario hat augenscheinlich der Rachsüchtige nun auch für eines der anderen Kinder Ibrahims vorgesehen…

  • Ostfale
    26. März, 2018

    Bin gerade auf dem Wege, mich über die grenzenlose Blödheit der Linken nicht mehr echauffieren zu wollen. Muß nämlich mit meinen Kräften vernünftig haushalten, damit sie noch ‘ne Zeit lang für Wichtigeres reichen. Doch überlege ich mir eine Reaktion, wenn mich solch ein ungewaschener Rotzlöffel beim Brötchen holen möglicherweise dumm von der Seite anquatschen würde, wie passend ich verbal reagieren sollte.
    Ließe er sich allerdings einfallen, mir ans Leder gehen zu wollen, wäre ich vor mir selbst nicht sicher, ob ich ihm nicht mit einem oder mehreren ‘Nahles’ die Antwort geben würde. Gute Kinderstube hin, gut Kinderstube her. Meine Eltern auf Wolke 123 würden, und da bin ich mir sicher, der guten Sache wegen, beide ihre Augen zudrücken und nicken.

  • Jürgen
    26. März, 2018

    Große Bitte an Herrn Wendt: Bitte nie wieder “meine Wenigkeit”. Ein arger Fehlgriff.

  • Rainer
    26. März, 2018

    Über Ihre Eindrücke von Buenos Aires hätte ich gern mehr gelesen.

  • Anonymaus
    26. März, 2018

    Zum Thema passt vielleicht auch dies:

    https://www.l-iz.de/bildung/buecher/2018/03/%e2%80%9eEine-Frage-der-Moral%e2%80%9c-%e2%80%93-Warum-eine-diskriminierende-Sprache-immer-von-Macht-Verachtung-und-Intoleranz-erzaehlt-210990

    Der Autor kommentiert ein Buch über “diskriminierende Sprache” mit diskriminierender Sprache. Merken diese Leute eigentlich noch, was sie tun? Die haben doch wirklich gar nichts aus der deutschen Geschichte gelernt.

  • Peter Maronde
    26. März, 2018

    Jo,
    a Kreiz is dees midn Nazis!
    Iberall sans und mochn de linke Leit’s Läbn schwea!
    Aba immerhi, d Sausan Schwebli kimmat si um’d Stolpersteini!
    Dees Baraties ist dera sicha!

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