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Warten auf Marlene

Seit 2021 kündigt eine junge Erbin aus Österreich an, 25 Millionen Euro zu verschenken. Damit stieg sie zur Zeitfigur auf, die perfekt zur Theorie vom guten Leben ohne Kapitalismus passt. Und zu dem Lied vom ewigen Frühling – die Hymne des Habeckismus

Ihre vorerst letzten Grüße an die Öffentlichkeit bestellte Marlene Engelhorn via Zeit. Das heißt, sie tat es nicht ganz direkt, sondern durch die Journalistin Jule Hoffmann, deren Text „Die unsichtbare Gefährdung der Demokratie“ von keiner wirklichen Demokratiegefährdung handelte, sondern von den Plänen, Projekten, Auftritten und Erklärungen der Österreicherin Marlene Engelhorn.

Über das bürgerliche Leben der 1992 in Wien geborenen „Publizistin und Aktivistin“ (Wikipedia) gibt es kaum Informationen. Seit 2019 erschienen in fast jedem größeren deutschsprachigen Medium Beiträge über sie oder Interviews mit ihr, außerdem Artikel im Guardian, Le Monde, El Pais und in der New York Times und zwar immer zum gleichen Thema: Sie kündigt etwas für die Zukunft an. Von diesem Medienphänomen soll der Text handeln.

Marlene Engelhorn stammt aus der Familiendynastie des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn; sie erbte nach eigenen Angaben 25 Millionen Euro aus dem Vermögen ihrer Großmutter Traudl Engelhorn-Vechiatto. Das Geld stammt überwiegend aus dem Verkauf des von Curt Engelhorn geleiteten Unternehmens Boehringer Mannheim an den Konzern Hoffmann-La Roche, der 1997 den Erlös von 11 Milliarden Dollar einbrachte. Ihren Erbteil verspricht Marlene Engelhorn zu spenden, zu verschenken oder, wie sie es formuliert, rückzuverteilen. Mit dieser Ankündigung avancierte die Österreicherin im gesamten deutschsprachigen Raum und weit darüber hinaus zur Leitfigur einer Bewegung, die eine höhere Erbschaftssteuer beziehungsweise die Wiedereinführung der 2008 abgeschafften Erbschaftssteuer in Österreich fordert, aber auch einen generell kräftigeren Zugriff des Staates auf private Vermögen. Um ihren Vorstellungen Nachdruck zu verleihen, gründete sie 2021 den Verein Taxmenow. Die Besonderheit der Geschichte besteht darin, dass Engelhorn ihre Verschenkaktion seit 2021 ankündigt. Bis jetzt ruhen ihre 25 Millionen auf einem Treuhandkonto.

Der oben erwähnte Zeit-Artikel führt beispielhaft aus, worauf sich die Langzeitbeziehung zwischen Marlene Engelhorn und vielen Medien gründet. Sie erhält eine öffentliche Präsenz, die kaum jemand sonst erreicht, der nur etwas verspricht; die Journalisten wiederum finden in Engelhorn die Leitfigur für eine Kampagne gegen Reichtum, für mehr Staatszugriff und überhaupt für die Idee, dass Breitenwohlstand vor allem durch Verteilung entstehe.

„Dass Engelhorn offen über ihre Millionen spricht, ist auch deshalb so fesselnd, weil es sonst niemand tut“, behauptet die Zeit-Autorin: „Wir wissen so gut wie nichts über die sogenannten Reichen. Sie schweben in einer Sphäre, mit der wir Durchschnittsbürger*innen kaum Berührungspunkte haben. Und dann steigt von dort so eine Marlene herab und ist klug, nahbar und hat Germanistik studiert […] In Medienauftritten wie diesem gibt Marlene Engelhorn ‚den Reichen‘ ein Gesicht.“ Im gleichen Artikel lobt sie die Erbin für das, was sie 2021 in einem Interview dem Videojournalisten Tilo Jung auf seine Frage antwortete, ob ihr Großvater und die Generationen vor ihr das Geld nicht zurecht verdient hätten: „Erarbeitet haben das Geld ganz andere Menschen. All die Menschen in der Herstellung, im Vertrieb, in der Verwaltung werden wohl nicht Millionen verdient haben, sonst wären ja Millionensummen für mich nicht übrig”.
Engelhorn macht in ihren Auftritten einen freundlichen, aber auch sehr schlichten Eindruck, wenn sie über Volkswirtschaft und Kapital spricht. In ihrer Vorstellung scheinen Investitionen und Wertzuwachs keine Rolle für die Vermögensbildung zu spielen. Ein nach ihren Maßstäben vorbildliches Unternehmen, das seinen Ertrag vollständig an seine Mitarbeiter auszahlt, hätte ihr in der Tat nichts hinterlassen – allerdings nicht als Konsequenz einer höheren Gerechtigkeit, sondern, weil es sehr schnell wieder eingegangen wäre.

An Engelhorns ökonomische Vorstellung knüpft die Zeit-Journalistin ihre eigenen, wenn sie auf ein Lieblingsthema jener Medienmitarbeiter kommt, die sich der gesellschaftlichen Transformation verpflichtet fühlen: die Ungerechtigkeit des Erbens. Hier, findet sie, könnte sich der Staat neue Quellen erschließen, wenn die alten in Zeiten von Degrowth nicht mehr so viel hergeben wie früher.

„Was der deutsche Staat pro Jahr an Erbschafts- und Schenkungssteuer einnimmt“, heißt es in dem Text über Engelhorn, „macht gerade mal etwas mehr als ein Prozent des gesamten Steueraufkommens aus. Dabei werden in Deutschland Schätzungen zufolge jährlich etwa 400 Milliarden Euro vererbt. Eine Milliarde entspricht tausendmal einer Million, steht also im Verhältnis zu einer Million wie ein Kilometer zu einem Meter. Falls das dem Vorstellungsvermögen irgendwie hilft. Zahlen sind abstrakt, vielleicht können deshalb alle, die bis hierhin gelesen haben, sich einen Moment Zeit nehmen und versuchen, sich eine Milliarde Euro vorzustellen. Angesichts solcher Reichtümer wirken linke Umverteilungsideen wie die eines Grunderbes völlig harmlos.“ (Falls jemand von diesem relativ neuen Umverteilungsmodell noch nichts gehört haben sollte: Die Idee des ‚Grunderbes‘, in Umlauf gebracht durch den SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider und das Deutsche Wirtschaftsinstitut von Marcel Fratzscher, sieht vor, jedem Jugendlichen ab 18 in Deutschland 20 000 Euro zu schenken. Das nötige Geld soll der Staat Schneiders Vorschlag zufolge durch eine höhere Erbschaftssteuer eintreiben).

Die in der Zeit und auch sonst immer wieder genannte Erbmasse von 400 Milliarden Euro pro Jahr klingt erst einmal beeindruckend, auch ohne Umrechnung in Meter und Kilometer. Allerdings ereignen sich in Deutschland jährlich auch etwa eine Million Sterbefälle (2023: 1,02 Millionen). Im rechnerischen Durchschnitt gibt also jeder, der dahinscheidet, 400 000 Euro weiter, was etwa dem Wert eines sehr unspektakulären Häuschens entspricht, aber noch nicht einmal einer halben Münchner Eigentumswohnung von einigermaßen guter Lage und Größe. Erwartungsgemäß verteilen sich die Erbsummen in Deutschland (und Österreich) sehr ungleich. Etwa 15 Prozent der Deutschen erben nur höchstens 5000 Euro, weitere 34 Prozent zwischen 5000 und 50 000 Euro. Bei der Hälfte kommt also nichts an, was man ernsthaft als Vermögen bezeichnen könnte. Nur in jedem zehnten Fall geht ein Barvermögen von mehr als 150 000 Euro an einen oder mehrere Erben. Und nur bei zwei Prozent übersteigen die übertragenen Werte eine Million. Die meisten großen Hinterlassenschaften betreffen Unternehmen, der Wert steckt also in einer Firma.

Reine Barvermögen in Millionenhöhe wie bei Engelhorn stehen nur selten im Testament. Wollte der Staat sehr viel mehr Erbschafts- und Schenkungssteuer einnehmen als die 11,4 Milliarden, die er 2023 kassierte, um damit 18-Jährige zu beglücken, grünen Wasserstoff zu subventionieren und vieles mehr, dann bliebe ihm nur die Möglichkeit, Firmenerben so hoch zu besteuern, dass sich noch mehr Mittelständler nach weniger feindseligen Umgebungen umsehen, er müsste Immobilien im Erbfall außerdem so belasten, dass viele in Zukunft lieber ihr Erbe ausschlagen. Das wiederum würde selbst dem größten Optimisten private Baupläne austreiben. Die Alternative bestünde darin, Mittelständler und Hausbesitzer zwar nicht völlig auszuplündern, dafür aber auch bisher verschonte Kleinerben abzukassieren. Für die eine wie die andere Variante eignet sich Marlene Engelhorn als Werbefigur, denn ihre Grundaussage lautet seit Jahren und in vielfacher Wiederholung: Wer sein Erbe behalten will, denkt unmoralisch. Diese Ansicht wanderte durch die Arbeit von Organisationen wie Oxfam, Taxmenow und unterstützenden Medien nach und nach in die Politik. In Deutschland verwendet Juso-Chef Philipp Türmer den zwar bräunlichen, aber offenbar wieder verkehrsfähigen Begriff „Schmarotzer“ für Erben. Seine Definition lautet: „Schmarotzer sind Menschen, die vom Geld anderer leben“, wobei er allerdings weder Bundestagsabgeordnete noch Mitarbeiter von Meinungslenkungsplattformen wie „Neue Deutsche Medienmacher“ oder die Betreiber staatlich finanzierter Meldeportale meint, sondern alle, denen Eltern, Großeltern oder Ehepartner etwas hinterlassen.

Um zurück zu Marlene Engelhorn zu kommen: Ihre Ankündigung, das Familienerbe verschenken zu wollen, geht auf das Jahr 2021 zurück und löste die erste große Welle an Medienbeiträgen aus. „Millionenerbin Marlene Engelhorn: Superreichtum? Nein danke“, hieß es beim Deutschlandfunk. „Eine Erbin mit Sinn für Chancengerechtigkeit“, schrieb die FAZ. Und: „Marlene Engelhorn wird einmal Millionen erben, wahrscheinlich sogar Milliarden. Mehr als neun Zehntel davon will sie der Allgemeinheit zugutekommen lassen.“ Der Tagesanzeiger titelte: „Superreiche kritisiert Kapitalismus – Milliardenerbin will ihr Riesenvermögen verschenken.“ Zeit Campus 2021 zitiert die junge Frau so: „Marlene Engelhorn: ‚Unfassbar, dass man mich nicht besteuert!‘“ Das Wirtschaftsmagazin Forbes berichtet: „Marlene Engelhorn, Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn, wird bald einen Millionenbetrag erben. Doch Engelhorn ist damit nicht zufrieden, denn sie möchte besteuert werden – und zwar bald. Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, gründete sie nun die Initiative Taxmenow.“

Details gehen in diesen und noch etlichen anderen Beiträgen etwas durcheinander. In manchen Artikeln besitzt sie das Geld schon, in anderen wartet sie noch auf die Millionen (beziehungsweise, wie die FAZ vermutet, Milliarden). Aber alle Beiträge gleichen einander in ihrem Aufbau: Sie verbinden Engelhorns private Ankündigung mit ihren allgemeinen Ansichten zu Reichtum, Besteuerung und Kapitalismus. Und: Kein Journalist scheint sich dafür zu interessieren, wann sie ihr Geld weggeben will und für welchen Zweck genau.

Im folgenden Jahr geht es weiter im Programm. Das Magazin Capital interviewt sie 2022; das Gespräch erscheint unter der Überschrift: „Millionenerbin Marlene Engelhorn: ‚Ich will besteuert werden‘“. Hier lautet eine Frage, ob sie vorhabe, mit dem Geld eine Stiftung zu gründen, um gute Dinge zu tun. „Wer sagt denn, dass ich Gutes tun kann oder werde?“, antwortet Engelhorn: „Mit welchem Recht darf ich entscheiden, was gut und was schlecht ist? Gerade in Krisen, die alle betreffen, sollten nicht irgendwelche Einzelpersonen, die in der Geburtenlotterie Glück hatten, die Entscheidungen fällen. Wir haben dafür schon ein System: die gewählten Parlamente. Es ist eine Frechheit der Gesellschaft gegenüber, dass ich diese Macht haben darf. Auf das Wohlwollen der Vermögenden kann man sich nicht verlassen.“ Von Spenden und Stiften, erklärt sie, halte sie generell nichts: „Die Philanthropie zementiert Ungleichheit meistens nur. Außerdem sind Stiftungen oft einfach Parkgaragen für Kapital. […] Vieles, wofür es sich lohnt, Geld zu geben, sollte nicht an das Wohlwollen jener geknüpft sein, die Geld haben.“
Wenn Stiftungskapital Zinsen trägt, die in altruistische Zwecke fließen – etwa in die Unterstützung von Museen oder Stipendien für Hochbegabte – dann dürfte der gesellschaftliche Nutzen auf lange Sicht deutlich höher sein als bei einer einmaligen Verteilaktion. Aber Kapitalnutzung, egal für welchen Zweck, hält die präsumtive Erbin, siehe oben, generell für unvertretbar. Das Interview mit Capital wurde kurz vor dem Tod der Großmutter geführt. An einer Stelle wird erwähnt, dass sie noch lebt. Die Überschriften, die sie schon 2021 zur Millionenempfängerin machten, kamen also ein bisschen voreilig.

Capital fragt immerhin, auf welche Weise sie ihr Geld dann loswerden will, sobald sie tatsächlich darüber verfügt. Darauf antwortet Engelhorn: „Wenn es da ist, wird es hoffentlich in einem demokratischen Prozess umverteilt. Ich will besteuert werden, dafür setze ich mich ein. Alles andere werden wir dann sehen.“ Im September 2022 stirbt Traudl Engelhorn-Vechiatto im Alter von 95 Jahren. Die seit einem Jahr angekündigte Verteilung rückt also in greifbare Nähe. Wieder gibt Marlene Engelhorn ein Interview, diesmal dem ZDF, das als Überschrift aus dem Engelhorn-Textbaukasten folgende Variante wählt: „Wienerin kritisiert Überreichtum: Millionenerbin: ‚Ich möchte besteuert werden‘.“
In dem ZDF-Stück vom Oktober 2022 heißt es außerdem: „Die Wienerin Marlene Engelhorn kritisiert Überreichtum als undemokratisch und will den Großteil eines Millionenerbes rückverteilen. Der Staat fordert aber keine Steuern. Was tun?“ Auch hier schneidet der Journalist nach den üblichen Themen – Ungerechtigkeit, Reichtum, Erbschaftssteuer – ganz kurz auch die Frage nach dem konkreten Umgang mit dem Erbe an.

„Das Problem der Rückverteilung liegt also leider bei mir“, antwortet Engelhorn. „Deshalb arbeite ich durchaus daran, herauszufinden, wie ich das Geld sinnvoll einsetzen kann.“ Es klingt erstaunlich, dass sie sich erst jetzt Gedanken über die Methode machen will. Immerhin spricht sie seit 24 Monaten von nichts anderem.
Um es vorwegzunehmen: Auch im Jahr 2023 tut sich in der Verschenk- beziehungsweise Rückverteilungsfrage nichts. Nur die Dauerserie der Engelhorn-Porträts, Engelhorn-Interviews und Engelhorn-Videos läuft weiter und weiter.

Der Mannheimer Morgen spricht mit ihr; die Zeile lautet: „Millionen-Erbin Marlene Engelhorn: ‚Wer erbt, hat nichts dafür gemacht‘.“ Auch hier geht es wieder um ihre Absicht: „Marlene Engelhorn will sich vom Großteil ihres Vermögens trennen. Sie geht dabei auch auf Distanz zu ihrer Familie – dem Mannheimer Engelhorn-Clan.“ Im Südkurier heißt es 2023: „Millionenerbin Marlene Engelhorn fordert: ‚Besteuert uns endlich!‘“ Ebenfalls 2023 tritt sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Schweiz auf. Hier kommt es immerhin zum Streitgespräch mit dem Millionär Fredy Gantner, der mit seinem Geld Krankenhäuser in Afrika finanziert. „Mit welchem Recht machen Sie eine Gesellschaft von Ihrem Wohlwollen abhängig?“, fragt sie Gantner in dem SRF-Gespräch. Sie meint, es könne nicht sein, dass Europäer und Europäerinnen einem anderen Kontinent erklären, wie sie es zu machen haben. Stattdessen sollten europäische Länder andere Staaten in Form von Steuern unterstützen. In der SRF-Zusammenfassung kommt auch die Passage vor: „Marlene Engelhorn weiss noch nicht, was sie mit ihrem Erbe machen wird. Was sie jedoch weiss: ‚Das wichtigste Erbe, das man einer Gesellschaft geben kann, ist Demokratie.‘“

Was Marlene Engelhorn mit ihren 25 Millionen Euro anfängt, ist ganz und gar ihre Sache. Sie kann auch noch jahrelang weiter ankündigen, das Erbe wegzugeben und es gleichzeitig behalten. Das Problem liegt vielmehr bei den Medien, die sie zur öffentlichen Figur machen, weshalb sich dieser Text vor allem mit der medialen Figur Engelhorn beschäftigt. Diese Figur beklagt, Reiche würden ihr Kapital dadurch, dass sie es behalten, der Gesellschaft „entziehen“ – und behält ihre Millionen, die sie nach eigenem Bekunden nicht will. Sie wirft in fast jedem ihrer Gespräche Wohlhabenden vor, mit ihrem Besitz intransparent umzugehen, gibt aber nur vage Erklärungen darüber ab, was sie konkret mit ihrem eigenen Geld anzustellen gedenkt. Ein weiterer ihrer Serienvorwürfe lautet, Millionäre besäßen eine ungerechtfertigte Macht, selbst dann, wenn sie ihr Geld für karitative Zwecke ausgäben. Über die gut drei Jahre, in denen sie den Kapitalismus kritisiert und das Millionenverschenken ankündigt, erwarb Engelhorn allerdings einen erheblichen öffentlichen Einfluss. Sie besitzt mittlerweile eine mediale Präsenz, die selbst viele Profipolitiker nicht erreichen.

Zwischen 2021 und 2023 forderte sie die Einführung einer Erbschaftssteuer in Österreich, von der sie ziemlich sicher sein kann, dass sie nicht kommt, hält Vorträge über die Schlechtigkeit von Reichtum und greift Spender wie Gantner öffentlich an, die ihr Geld für konkrete Zwecke einsetzen. Das alles liegt genauso im Bereich ihrer Freiheit wie die Verfügung über ihr Eigentum. Es fällt nur auf, dass kaum ein Journalist sie auf diese performativen Widersprüche aufmerksam macht. Spätestens seit 2023 hätte eigentlich die erste Frage in jedem Interview lauten müssen: Warum haben Sie die 25 Millionen Euro eigentlich noch? Es gibt ihr auch niemand zu bedenken, ob es nicht besser wäre, erst die Millionen wegzugeben, auf welche Weise auch immer, und anschließend öffentlich darüber zu reden. Stattdessen führen Medienvertreter jedes Gespräch mit ihr so oder porträtieren sie in einer Weise, als gäbe es das mittlerweile sehr umfangreiche Engelhorn-Archiv der permanenten Ankündigung seit 2021 ff. überhaupt nicht. Jedes Mal lautet die Kernbotschaft, als wäre es die erste Nachricht über die Österreicherin überhaupt: Millionärin übt Gesellschaftskritik und will demnächst ihre Millionen verschenken. 

Nach diesem Muster geht es auch ins Engelhorn-Jahr 2024, das mit einem Tagesschau-Beitrag über den neuesten Oxfam-Bericht beginnt, der den weltweit zunehmenden Reichtum der Reichen beklagt, während die Armen ärmer würden. In jenem Tagesschau-Stück unter der Überschrift: „Reiche werden immer reicher“ heißt es: „Seit Jahren setzen sich neben Organisationen wie Oxfam auch immer mehr Reiche für eine höhere Besteuerung ihrer Vermögen ein, wie etwa die Österreicherin Marlene Engelhorn. Sie ist eine Erbin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn und will 90 Prozent ihres Vermögens der Allgemeinheit spenden.“ Bis auf die originelle Note, dass die ARD sie zur Erbin des 1902 verstorbenen Firmenpatriarchen macht, folgt die Berichterstattung dem eingespielten Muster. Kurz danach kommt allerdings Bewegung in die Geschichte von den 25 Millionen. Engelhorn teilt mit, der von ihr gegründete „Gute Rat für Rückverteilung“ nehme jetzt seine Arbeit auf. Er besteht aus 50 Männern und Frauen aus Österreich, so zusammengestellt, dass er den Bevölkerungsdurchschnitt repräsentiert. Dieses Gremium soll final über die 25 Millionen entscheiden. Allerdings nicht sofort, sondern nach Sitzungen an sechs Wochenenden, die in Salzburg stattfinden. Die erste Runde kam am vergangenen Samstag zusammen. Auf die Frage von Publico, wann das Geld voraussichtlich verteilt wird, antwortet eine Sprecherin des „Guten Rates“, bis zum 8. und 9. Juni würden die jeweiligen Wochenendsitzungen dauern: „Zu diesem Zeitpunkt rechnen wir mit einer Einigung der Ratsmitglieder über die konkrete Verwendung des Geldes für die Rückverteilung, die ab dann beginnen kann.“ Das Geld befinde sich auf einem Treuhandkonto; „Frau Engelhorn hat selbst keinen Zugriff darauf.“ Auch auf die Frage, ob es in den vergangenen zwei Jahren schon kleinere Spenden aus dem Vermögen gegeben habe, folgt eine Antwort: „Diese 25 Millionen Euro sind zur Gänze der Rückverteilung durch den Guten Rat gewidmet.“

Die Gründung des Rates löst eine weitere Welle von Beiträgen aus. Unter vielen anderen erscheint auch ein Artikel im Guardian, der die Bedingungen für die Geldverteilung schildert: Das Vermögen darf nicht an Gruppen und Personen gehen, die „verfassungswidrig, feindselig oder inhuman“ sind, nicht an gewinnorientierte Organisationen, nicht an Parteien und natürlich an keins der Ratsmitglieder. Sollte es am Ende keinen „weitgehenden Konsens“ über die Verwendung geben, heißt es im Guardian, dann fielen die Millionen an Marlene Engelhorn zurück. Egal, was herauskommt – spätestens dann dürfte die nächste Engelhorn-Welle durch die Medien gehen.

Darüber, worin ihre Motive liegen, den Prozess so lange wie möglich auszudehnen, erübrigt sich das Rätselraten: Selten dürfte jemand mit so wenig faktischer Substanz so viel Aufmerksamkeit erreicht haben. Engelhorn mag von traditioneller Ökonomie nicht viel halten. Von Aufmerksamkeitsökonomie versteht sie offensichtlich eine Menge. Ihr individueller Fall erklärt noch nicht das riesige Medieninteresse an der Figur der reichen Geldverteilerin. Die öffentliche Marlene Engelhorn gehört zur Kategorie der Zeiterscheinungen. Das Bedürfnis nach einer Figur, wie sie sie verkörpert, existierte schon, bevor sie die Medienbühne überhaupt betrat. Und wie jede überindividuelle Gestalt erzählt sie etwas über die Gegenwart.

Zu Engelhorn gibt es eine Ergänzungsfigur, eine Sängerin namens Soffie, deren Lied „Für immer Frühling“ ebenfalls das Bedürfnis eines bestimmten Gesellschaftsspektrums erfüllt. Ihr Text entwirft ein Land, in das vor allem jüngere urbane Menschen mit festen Urteilen über Boomer und Provinzler gern migrieren würden. Soffies Milieuhymne malt das kommende Reich der Freiheit folgendermaßen:

„Ich hab neulich geträumt / von einem Land, in dem für immer Frühling ist / Hier gibt es Kaviar und Hummer im Überfluss / Keiner hier, der hungert, und niemandem ist kalt / Vanilleeis zum Nachtisch, alle sterben alt / In das Land, in dem für immer Frühling ist /
 darf jeder komm’n und jeder geh’n / denn es gibt immer ein’n Platz am Tisch /
 Rot karierter Stoff, keine weißen Flaggen mehr / Alle sind willkomm’n, kein Boot, das sinkt im Mittelmeer.“

Und etwas später: „Keiner ist im Soll, sag mir einfach, was du brauchst.“ In dem Lied kommt alles zusammen – der Wunsch von Bürgerkindern nach reichen Ressourcen für sich selbst und für alle, die aus anderen Weltgegenden noch dazustoßen möchten, nach einer Autorität, die mit ihnen so spricht, wie manche in der alten Bundesrepublik sozialisierten Eltern mit Soffieland-Anwärtern tatsächlich sprechen: Sag mir einfach, was du brauchst. Kurzum, das Ganze wirkt wie das Emilia-Fester-Remake eines älteren und ehrlichen Songs über Geld von den Dire Straits.
Das Soffie-Lied besteht noch aus etwas mehr Versen als den hier zitierten. In keinem davon findet sich allerdings nur ein kleiner Hinweis auf die Quelle des Wohlstands, darauf, wer die Hummer fängt und zubereitet, den Kaviar ab- und allen das Konto zuverlässig wieder auffüllt, damit es niemals ins Minus rutscht. Das Couplet steht wie die Engelhorn-Figur nicht nur für sich selbst, sondern für eine größere Strömung. Auch deshalb, weil der Wunsch nach einem Land des ewigen Frühlings, in dem es folglich nie eine Reife und Ernte gibt, ganz gut die Ausdehnung des Infantilen auf alle öffentlichen Lebensbereiche beschreibt. Inhalt und Vortrag des Liedes bilden eine perfekte ästhetische Einheit.

Wer glaubt, völlig unironisch ernstnehmen könnte diese Botschaft höchstens ein politisch unbedeutendes Gesellschaftssegment irgendwo auf dem Weg zwischen Pubertät und Erwachsenwerden, der beweist zwar grundsätzlich funktionierende Instinkte, einerseits. Andererseits wirkt er wie ein Zeitgenosse, der eine TV-Serie schon seit der vorletzten Staffel nicht mehr verfolgt. Kürzlich trat die Vorsitzende der Grünen Jugend Katharina Stolla in der Talkshow von Markus Lanz auf, um dort ihre wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen zu erklären. Was sie vortrug, hörte sich wie Soffie an, nur ohne Pianobegleitung. Anders als bei der Sängerin kam der Begriff ‘Arbeit‘ bei Stolla zwar vor, aber nur als riskante Tätigkeit: „Die Leute in meiner Generation, ich, meine Freunde, wir denken uns bloß: Wir wollen nicht krank werden durch die Arbeit.“ Ihre Forderung lautet, eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich einzuführen, dabei aber nicht stehenzubleiben: „Wenn wir das mit den 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich geschafft haben, dann können wir uns total gerne darüber unterhalten, wie es möglich ist, das weiterzuführen.“ Für alle, die auch keine 20 Stunden arbeiten möchten, würde sie außerdem das Bürgergeld verdoppeln. Gleichzeitig erklärte sie ihre Vorbehalte gegen den Kapitalismus. Unternehmen, kritisierte sie, machen Profite. Zum einen dadurch, dass sie Menschen ausbeuten würden. Zum anderen, „weil die Kosten“ – irgendwie meinte sie aber nicht Kosten, sondern Gewinne – „von den Verbrauchern kommen.“ Als Beispiel führte sie den Wohnungskonzern Vonovia an: „Wenn ich 1000 Euro Miete zahle, dann werden 400 davon an Aktionäre ausgeschüttet.“

Ein Konzern, der tatsächlich 40 Prozent seines Bruttoumsatzes als Dividende weitergibt, wäre die Lösung für sämtliche Geldprobleme, sein Wertpapier sollte schleunigst zur Volksaktie werden. Natürlich handelt es sich bei der Stolla-Ökonomie von vorn bis hinten um allerreinsten Blödsinn. Unternehmen mit 40 Prozent Umsatzrendite, das nur nebenbei, gibt es durchaus, nur nicht als Aktiengesellschaft. Wer bei ihnen mitarbeiten will, sollte bereit sein, nach Catania oder Medellín umzuziehen. Mit einer 20-Stunden-Woche sieht es in dieser Branche vermutlich schlecht aus. Manche fragen vielleicht, wie jemand mit diesen Ansichten zur Vorsitzenden der Jugendorganisation einer Regierungspartei avancieren kann. So reagiert der oben erwähnte metaphorische Bürger, der sich eine TV-Serie nicht mehr ansieht und deshalb von der aktuellen Plotentwicklung nichts ahnt. Ihre Weltsicht qualifiziert Stolla sogar mühelos für den Vorsitz der Grünen, demnächst auch für ein Staatssekretärinnen- oder Ministerinnenamt.

Mit ihren Vorstellungen liegt sie schon sehr nah an Robert Habecks Lob für den fallenden CO2-Ausstoß Deutschlands, der wegen der lahmenden Wirtschaft zurückgeht und bis 2030 noch weiter sinken soll. Und noch näher an dem gesamtgesellschaftlichen Appell „für ein gutes Leben ohne weiteres Wachstum“, den die Vorsitzende des Ethikrats Alena Buyx gerade an das Land richtete. Für diese Zukunft, erklärte sie mit der überakzentuierten Stimme einer Unterstufenlehrerin, gelte es, „klarer die Kosten zu bestimmen und zu verteilen“.

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Stollas Motto bei X lautet ebenfalls: „Her mit dem guten Leben“. Wenn herkömmliche Wertschöpfung nicht mehr in Frage kommt, weil sie Beschäftigte krank macht, CO2 emittiert und auch aus ethischen Gründen abgelehnt wird, gleichzeitig aber das gute Leben allen offenstehen muss –Nachwuchspolitikerinnen, Gegen-Rechts-Projektemachern in Berlin und auch allen Zuwanderern im Frühlings- und Zusammenland – dann müssen die Mittel dafür woanders herkommen. Der Blick richtet sich auf die Vergangenheit, auf die schon erarbeiteten Vermögen, die bereits existierenden Immobilien und mittelständischen Firmen. Die parteiübergreifende Idee, vertreten von Juso-Türmer über Stolla, Buyx und Robert Habeck – und Soffie natürlich – besteht darin, einfach die Ressourcen der Vorgängergenerationen zu plündern und zu schauen, wie weit man damit kommt. Die direkte Enteignung gestaltet sich als schwierig, denn gerade diejenigen, bei denen sich etwas holen ließe, machen sich spätestens dann über die Grenze davon, wenn der Staat nach dem ganzen Vermögen greift.

In dieser Lage erscheint eine Figur wie Marlene Engelhorn als weiße Ritterin: Die Millionärin, die ihr Geld aus Einsicht abgibt und damit anderen Zugehörigen ihrer Klasse ein Beispiel gibt. Nur so gelingt das gute Leben ohne Arbeit, ohne Wachstum, ohne Kapitalismus, aber mit staatlichen Kaviar- und Hummeräquivalenten für NGOs, Meldeportalaufseher, Ethikräte und Betreiber regierungsnaher Plattformen. Altes Vermögen, das zur Vergesellschaftung ansteht, bringt außerdem den Vorteil mit sich, dass die Klimabelastung für sein Zustandekommen in der dunklen Vergangenheit liegt. Dafür, dass sie in jeder Hinsicht eine Idealgestalt verkörpert, verzeiht die große medial-politische Gemeinde Engelhorn auch ihren etwas langen Anlauf. Liegt in ihrer jahrelangen Ankündigung, die Millionen wegzugeben, nicht auch ein ewiger oder zumindest sehr ausgedehnter Frühling?

Es gibt eine Gemeinsamkeit in den Biografien Engelhorns, Türmers, Stollas, Festers, Ricarda Langs und anderer Zeitfiguren, die sich gerade im Aufwind befinden: Erwerbsarbeit kommt darin nicht vor. Engelhorn erklärte immerhin im Guardian, was sie tun werde, wenn die 25 Millionen Euro endlich nach ihren Vorstellungen verteilt sind: „Ich werde einen Job finden und mein Geld verdienen, wie es 99 Prozent der Bevölkerung auch tun müssen.“ Das macht sie alles in allem sympathischer als ihre Komplementärfiguren, die darauf hoffen, ihr gutes Leben im Nichtarbeitssektor lebenslang von den Leistungen der Generationen vor ihnen bestreiten zu können, also vom Segen des Rückverteilkapitalismus. Und natürlich von den fünffachen Zehnten der Toren, die das bisschen erlaubte Restkapitalwirtschaft am Laufen halten.
Der Refrain des Soffie-Liedes bringt die Haltung dieser kommenden Elite zur Restwelt vollumfänglich auf den Punkt. Nämlich – ach, hören Sie einfach selbst und summen Sie ein bisschen mit.

 

 

 

 

 


Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.


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9 Kommentare
  • Kain Neider
    19. März, 2024

    Im Text ist einmal die Rede davon, dass dieses It-Girl 90 Prozent ihres Erbes verteilen will, dann wiederum, dass das gesamte Erbe verteilt werden soll. Hm… nehmen wir mal an, sie will 10 Prozent behalten. Dann blieben ihr immer noch 2,5 Millionen Euro. Also ich könnte davon ein ganzes Leben lang mehr als gut leben.

    Mich hat mal interessiert, was diese Millionenerbin an Erbschaftssteuern abdrücken müsste, wenn sie das Pech (aus ihrer Sicht wohl eher Glück) hätte, in Deutschland 25 Mio zu erben.
    Laut Finanztip-Rechner:
    – So viel kannst Du steuerfrei erben: 200.000 €
    – So hoch ist Deine Erbschaftssteuer: 6.696.000 €
    Ob sie dann auch noch so lauthals um (höhere) Erbschaftssteuern für sich (und alle anderen Reichen) betteln würde? Man weiß es nicht.
    Warum gibt sie dem Staat nicht einfach still und bescheiden die ihr so lästigen Millionen, da sie den Staat doch offensichtlich als einzigen für fähig hält, ihr Vermögen “gerecht” zu verteilen. So liegt das Geld nun auf der Bank herum und wächst dummerweise noch jeden Tag um gut 2.000 Euro (bei nur 3% Zinsen), wodurch die Ungerechtigkeit immer noch weiter zunimmt. 😉

    • Gunnar Holler
      24. März, 2024

      3% Zinsen gibt es erst seit ein paar Monaten. Vor 3 Jahren waren die Zinsen sogar negativ.
      Die kumulierte Inflation für die drei Jahre 2021/2022/2023 belief sich in Deutschland auf ca. 16%,
      in Österreich sogar eher höher laut Website Statista.
      Real hat ein “herumliegendes” Vermögen von angeblich 25 Millionen Euro der Dame nichts gewonnen,
      sondern ca. gut 3,5 Millionen an Kaufkraft verloren.

  • Roy
    19. März, 2024

    „Ich werde einen Job finden und mein Geld verdienen, ”
    Also hat sie bisher noch nicht gearbeitet.

  • Werner Bläser
    19. März, 2024

    Ich erinnere mich dunkel an eine TV-Talkshow vor einigen Jahren, u.a. mit dem damaligen Justizminister Heiko Maas. Es ging meiner Erinnerung nach um Migration, und jemand fragte, wo das Geld für Aufnahme und Integration herkommen solle, da man ja einen Euro nicht zweimal ausgeben könne. Die Antwort von Maas war: “Das Geld ist einfach da.”
    Diese Antwort scheint mir bezeichnend zu sein für die Grund-Attitüde von vielen Linken: über die Erarbeitung von Ressourcen machen sie sich keine Gedanken – nur über deren Verteilung.
    Niemand hat dies besser auf den Punkt gebracht als Maggie Thatcher:
    “The problem with socialism is that they eventually run out of other people’s money.”
    Der Sozialismus endet spätestens dann, wenn er alle, die er ausrauben kann, arm gemacht hat. Die Sowjetunion, Maos China, jetzt Venezuela sind schöne Beispiele dafür.
    Trotzdem halten seine Anhänger die Idee hoch – entgegen aller Erfahrungen. Es ist offenbar eine Kopf-Frage. Es gibt Menschen, die reagieren rational auf Erfahrungen, und es gibt Menschen (oft hochtalentiert für künstlerisch-kreative Berufe), die “haben es nicht so” mit Fakten, dafür aber umso mehr mit hochfliegenden Theoriekonstrukten. Menschen, deren gedankliches Grundprinzip in dem Satz besteht: ” Es MUSS doch möglich sein…”
    Wenn man diesen Zeitgenossen gegenüber freundlich sein will, nennt man sie “Visionäre”, wenn man eher auf die oft üblen Auswirkungen ihrer ins Werk gesetzten Träume abhebt, dann nennt man sie kurz und bündig “Spinner”.
    Alt-Bundeskanzler Schmidt (ach hätten wir doch jetzt so einen!) meinte dazu, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Unsere heutigen Visionärsspinner gehen aber nicht zum Arzt, sondern in die Politik. Sie werden Minister. Diese Position versetzt sie in die Lage, zu definieren, dass nicht SIE krank sind, sondern ihre Kritiker. Ein Ministerwort hat ja schliesslich Gewicht.
    Zu einem ganz gefährlichen Gebräu wird das ideologietriefende Spinnertum, wenn es sich engstens mit moralischem Gestus verzahnt. Kritiker sind dann nicht mehr rationale Warner, sondern unmoralisch. “Zweifler, Leugner, Ewig Gestrige, Populisten…”
    Zweifeln und Leugnen ist unmoralisch. Wie im europäischen Mittelalter unter der Inquisition. Arnold Gehlen hat schon vor Jahrzehnten in seinem hellsichtigen Buch “Moral und Hypermoral” auf die gesellschaftliche Dysfunktionalität moralischer Hypertrophie hingewiesen. Genützt hat es nichts. Ebenso wenig wie Helmut Schelskys ebenso prophetisches Buch “Die Arbeit tun die anderen”.
    – Die Versuchung, schönem Wunschdenken zu erliegen, dessen Scheitern man selbst nicht am eigenen Leib erleiden muss, ist für viele visionär gepolte Charaktere einfach zu gross, um ihr nicht zu verfallen. Kritiker gelten ihnen als kleinmütig und “bürgerlich-spiessig.”
    Ich kann mich aus meinem Studium an Runden mit linken Studenten erinnern, mit denen ich versuchte, über ihre marxistischen Ideen zu debattieren. Irgendwann, wenn sie nicht mehr weiter wussten, reckten sie einfach ihre Fäuste nach oben und begannen, die “Internationale” abzusingen.
    – Herr Wendt hat in seinem – unbedingt lesenswerten (!) Buch – solche Typen beschrieben. Ich bewundere dabei gelegentlich die Langmut, mit der viele Kritiker mit solchen Charakteren umgehen. Nach vielen Jahrzehnten Erfahrungen mit ihnen bringe ich sie nicht mehr auf. Ich finde einfach keine Entschuldigungen mehr für ihre Hirnflatulenzen. Wenn ich Typen wie Stolla von den Jung-Grünen sehe und höre, dann ist das – ich gebe es zu – schlecht für meinen Blutdruck.
    Dummheit allein ist bedauernswert und entschuldbar. Dummheit, gepaart mit moralischem Hochmut und Herrschaftsanspruch, ist unerträglich.

  • Albert Schultheis
    19. März, 2024

    Das sind exakt meine Schüler (“SuS” wurden die damals noch genannt: Schülerinnen und Schüler – ohne Binnen-Doppelpunkt!) in der Gesamtschule, auf der ich als Lehrer Physik, Mathe und Englisch unterrichtete! So waren sie drauf. Und so waren meine Kolleg:Innen drauf, meistens Kolleginnen ohne Doppelpunkt. GeW-Frauen mit Rot gefärbten Haaren und ausgeprägtem sozialpädagogischem Engagement.
    Ich war nach 25 Jahren Arbeit in der IT-Industrie als Prpjektmanager und Consultant in die Schule, in meinen Beruf als Gymnasiallehrer zurückgekehrt, wollte der Gesellschaft noch was zurückgeben.
    Ich schlug die Hände überm Kopf zusammen über die Schüler (siehe oben!) aber hauptsächlich über meine Kolleg:Innen, mit denen ich doch vor 25 Jahren zusammen studiert hatte.
    Was war aus denen geworden – was aus mir, nach all den Jahren geworden?
    Ich kam mir vor wie Rip van Winckle, der eingeschlafen war und irgendwann aufwachte und feststellte, dass er Äonen verschlafen hatte, um in einem kompletten Irrenhaus aufzuwachen.

    • Werner Bläser
      20. März, 2024

      Ich kann Sie gut verstehen, Herr Schultheis. Ich habe 16 Semester als Student verbracht (ich war zu neugierig, um nur 3 oder 4 Fächer zu studieren) und wurde dann Dozent. In dieser Zeit (90iger Jahre) habe ich erlebt, wie die Wurzeln für unser gegenwärtiges Übel gelegt wurden. Fachkenntnis, fleissiges Arbeiten, Gewissenhaftigkeit (Lafontaine hätte gesagt, “Sekundärtugenden, mit denen man auch ein KZ betreiben kann”) kamen immer mehr aus der Mode; was jetzt zählte, und von “progressiven Pädagogen” gefördert wurde, war mehr und mehr die soziale Herkunft (“Arbeiterklasse”, da ja unterprivilegiert) und Ideologie.
      Plötzlich wussten Studenten, die nichts wussten, schon alles. Fakten waren Details, die nur den Blick auf das “grosse Ganze” versperrten. Die “negative Auslese” begann. Ich habe das hier öfter schon als “Gresham’s Law der Kultur” oder ähnlich bezeichnet: Wenn man mit wenig bis keinem Wissen Karriere machen kann, dann wird Wissen immer weniger wert. Menschen, die qualifiziert sind, meiden dann bestimmte Karrieren, wie etwa die des Politikers. Und die wenig Qualifizierten, die so nach oben gespült werden, sehen es als Bedrohung an, wenn doch einmal ein Qualifizierter als Konkurrenz auftaucht – er wird weggebissen. Die Entwicklung ist eine Art ‘self-fulfilling prophecy’.
      Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Kinderbuchautoren, abgebrochenen Studenten, Call-Center-Telefonisten, Theologen und “Theaterwissenschaftler” die Macht übernehmen würden.
      Ich fürchte, die einzige Möglichkeit, diese Leute wieder loszuwerden, liegt darin, sie ein Desaster anrichten zu lassen. So dass es dem letzten in den Schädel geht, dass diese unfähige Mischpoke weg muss.

  • A. Iehsenhain
    19. März, 2024

    Gerade kommen mir RUSH mit “The big money” in den Sinn:
    “Big money goes around the world
    Big money give and take
    Big money done a power of good
    Big money make mistakes
    Big money got a heavy hand
    Big money take control
    Big money got a mean streak
    Big money got no soul”…

  • mietsch
    22. März, 2024

    In der heutigen Welt-Online war ein Artikel zum gleichen Thema. Mein Kommentar, dass Sie das Treiben der Dame schon auf Ihrer Website bzw. bei Tichys Einblick bereits ein paar Tage früher beleuchtet haben, war den Zensoren des Welt-Online-Forums Grund genug, den Kommentar abzulehnen.

  • Anne S. aus B.
    22. März, 2024

    Ich bewundere Herrn Wendt. Sein journalistisches Handwerk. Seine feine Schreibe. Seinen subtilen Humor. Seine akribische Recherche. Seine exakten Fakten. Seine gesamtgesellschaftliche Einordnung derselben. Ein wunderbarer Autor. Ein bewundernswerter Journalist. Eine wahre 4. Gewalt in heutiger Zeit. Danke!

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